Rezepturwissen
Ausfallender oder unlöslicher Wirkstoff
In manchen Rezepturen reicht es nicht aus, wenn der Wirkstoff suspendiert vorliegt. Der Wirkstoff – oder auch manchmal ein Hilfsstoff (z. B. Konservierungsmittel) – muss gelöst vorliegen, damit überhaupt eine therapeutische Wirksamkeit, ausreichende Bioverfügbarkeit und gegebenenfalls hinreichende Dosierungsgenauigkeit gegeben sind. Unzureichende Lösungseigenschaften oder Ausfällungen bereits gelöster Stoffe können daher erheblich die Qualität der Rezeptur und den Therapieerfolg gefährden.
Sind inkompatible Kombinationen bekannt und die Ursache erst einmal erkannt, bieten sich allerdings zahlreiche galenische Optionen, um das Löslichkeits- beziehungsweise Ausfällungsproblem zu beheben oder gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Die Hauptprobleme mit ausfallenden oder unlöslichen Wirk- und Hilfsstoffen sind:
- Bildung schwer- bzw. unlöslicher Wirkstoffsalze → Bioverfügbarkeit des Rezepturarzneimittels ↓
- Sedimentation ungelöster Bestandteile → Inhomogenitäten innerhalb der Zubereitung ↑
- Sichtbare Ausfällungen und Trübungen → Adhärenz des Patienten ↓
Ursachen und Mechanismen
Die Ursachen für Löslichkeits- beziehungsweise Ausfällungsprobleme sind vielfältig. Unter anderem kommen dabei folgende grundlegende Mechanismen in Frage:
1. pH-Verschiebungen
Weitere in der Rezeptur enthaltende und den pH-Wert beeinflussende Stoffe, wie zum Beispiel ein zweiter Wirkstoff, Pufferkomponenten oder Komplex- beziehungsweise Gelbildner, können zu pH-Verschiebungen führen, die schließlich die Löslichkeit relevanter Rezepturkomponenten negativ beeinflussen. Dabei kann es zu gegenionischen Ausfällungen durch Bildung neuer Ionen kommen, zum Beispiel durch Überführung von freien Säuren/Basen in ihre jeweilige Salzform oder durch Überführung von Substanzen (z. B. in Wasser gut lösliches Salz) in Formen, die im betreffenden Medium unlöslich sind (z. B. in Wasser nur schlecht lösliche freie Base).
Beispiel: Tetracainhydrochlorid-Augentropfen 1,0 % – NRF 15.12.
2. Ionische Wechselwirkungen
Tragen ein Wirk- und ein Hilfsstoff oder zwei Hilfsstoffe, wie etwa ein ionisches Konservierungsmittel und ein weiterer Hilfsstoff, innerhalb einer Rezepturzubereitung entgegengesetzte Ladungen, so kann es zur Bildung von Arzneistoff-Hilfsstoff-Salzen beziehungsweise Hilfsstoff/Konservierungsmittel-Hilfsstoff-Salzen kommen, die häufig nur schwach wirksam und zudem schlecht löslich sind. Im Falle einer Konservierungsmittel-Hilfsstoff-Wechselwirkung wäre es zum Beispiel möglich, dass die minimale Hemmkonzentration dadurch unterschritten würde und die mikrobielle Stabilität der Rezeptur nicht mehr gewährleitstet wäre.
Außerdem sind für viele kationische Wirkstoffe Wechselwirkungen mit anionischen Hilfsstoffen, Emulgatoren oder Gelbildnern bekannt. Diese zeigen sich in der Regel unmittelbar im Brechen der Emulsion oder im Verflüssigen der Gelzubereitung, können aber auch verzögert (z. B. durch langsames Kristallwachstum) und somit erst nach einigen Tagen erkennbar werden.
Beispiele (Auswahl):
Kationische Wirkstoffe | Anionische Wirkstoffe |
---|---|
Aluminiumchlorid | Clioquinol |
Benzalkoniumchlorid | Eosin-Dinatrium |
Gentamicinsulfat | Kaliumiodid |
Lidocainhydrochlorid | Metamizol-Natrium |
Miconazolnitrat | Triclosan |
3. Temperaturunterschiede
Auch Temperaturschwankungen (z. B. bei Lagerung oder Transport) können bei temperaturempfindlichen Substanzen zu Trübung und Ausfällungen führen. Oft, aber längst nicht immer, kann der Niederschlag dabei durch leichtes Erwärmen wieder aufgelöst werden.
Beispiel: Minoxidil-Haarspiritus 5 % – NRF 11.121.
Grundsätzliches Vorgehen/Handlungsempfehlung
Am besten wäre es, potentielle Rezepturen mit ungewollten Ausfällungen gänzlich zu vermeiden, was allerdings nicht immer möglich sein wird. So unterschiedlich die Ursachen, so auch die möglichen Lösungsansätze. Welcher im Einzelfall am ehesten einzusetzen ist, muss von Fall zu Fall individuell entschieden werden.
1. Alternative Wirkstoffform
Löst sich eine Wirkstoffform bekannterweise nur schlecht im wässrigen Milieu, stellt sich die Frage, ob es gegebenenfalls eine andere Form gibt (z. B. Ester, Salz), die eine bessere Wasserlöslichkeit hat und alternativ verwendet werden kann. Bei einem Austausch muss allerdings aufgrund des unterschiedlichen Molekulargewichts der beiden Formen eine Einwaagekorrektur berücksichtigt werden. Auch muss auf die therapeutische Äquivalenz und Penetrationsfähigkeit geachtet werden: So ist der Ester Betametason-21-valerat in Dermatika lokal wirksam, während Betamethason, als nicht veresterte Form, lokal unwirksam ist. Ein Austausch wäre daher nicht möglich.
Das Salz Lidocainhydrochlorid löst sich zum Beispiel besser in Wasser als Lidocain, kann intakte Haut aber so gut wie nicht penetrieren – ein Austausch wäre daher nicht zulässig, während auf Schleimhäuten (aufgrund fehlender Hornhautbarriere) weiterhin eine lokalanästhetische Wirkung zu erwarten ist und ein Austausch gegebenenfalls ein sinnvoller Lösungsansatz wäre.
2. Alternatives Lösungsmittel
Kann ein Wirkstoff grundsätzlich in Lösung gehen, dann muss gegebenenfalls lediglich das geeignete Lösungsmittel beziehungsweise Lösungsmittelgemisch ausgewählt werden, sofern keine medizinisch-therapeutischen Einwände bestehen. Zum Beispiel ist Salicylsäure in Olivenöl zu ca. 2,5 % löslich und in Rizinusöl zu etwa 12 %. Ein 10%iges Salicylsäure-Öl kann somit durch einen Austausch des verwendeten Öls von einer Suspension (mit Olivenöl) in eine Lösung (mit Rizinusöl) überführt werden.
Werden Lösungsmittelgemische verwendet, etwa Alkohol-Wasser-Gemische, kann es zudem ausreichend sein, die kritische Substanz zunächst in der Komponente zu lösen, in der es sich am besten löst, und erst anschließend die übrigen Lösungsmittel hinzuzugeben. Dies macht man sich zum Beispiel bei der Herstellung von Franzbranntwein nach Standardzulassung zunutze: Hier werden Campher beziehungsweise Menthol zunächst in Ethanol 96 % gelöst, bevor dem Gemisch das Wasser zugefügt wird.
3. pH-Anpassung
Sauer reagierende Substanzen können durch pH-Wert Erhöhung besser in polaren Medien gelöst werden und umgekehrt: Wirkstoffbasen sind (oft) besser im sauren Milieu (pH-Wert↓) löslich.
Merke
Daraus ergibt sich für wässrige Zubereitungen:
- Bei zu niedrigem pH-Wert muss mit dem Ausfallen von Säuren gerechnet werden.
- Bei zu hohem pH-Wert muss mit dem Ausfallen von Basen gerechnet werden.
4. Wärmeanwendung
Häufig – aber nicht in allen Fällen! – kann der Lösungsvorgang durch Wärmeanwendung beschleunigt und somit verbessert werden. Dies trifft zum Beispiel auf die Herstellung einer öligen Lösung von Clotrimazol in Erdnussöl (NRF 15.22.) zu. Eine Wärmeanwendung kommt jedoch nur als Problemlöser in Frage, wenn alle Bestandteile thermostabil sind und beim Abkühlen auch in Lösung bleiben.
5. Lösungsvermittler
Gegebenenfalls kommt auch der Einsatz eines Lösungsvermittlers in Frage, um die Löslichkeit bestimmter Stoffe im wässrigen Milieu zu verbessern, Fällungen zu vermeiden oder gar bereits eingetretene Fällungen wieder aufzulösen. Man unterscheidet dabei folgende Arten der Lösungsvermittlung:
- Komplexbildung: Substanz und Lösungsvermittler bilden einen Komplex, der eine bessere Löslichkeit aufweist als die Substanz alleine. Beispiel: Natriumbenzoat
- Veränderung des Lösevermögens: Substanzen stören die sogenannte Clusterstruktur des Wassers und verändern somit seine Lösemitteleigenschaften. Beispiel: Glycerol
- Solubilisation: Die zu lösende Substanz wird in Tensidmizellen aufgenommen. Beispiel: Polysorbat
Löslichkeit rezepturrelevanter Wirkstoffe (Beispiele/Auswahl):
Wirkstoff | Löslichkeit |
---|---|
Clotrimazol |
|
Erythromycin |
|
Harnstoff |
|
Hydrocortison |
|
Hydrocortisonacetat |
|
Metronidazol |
|
Minoxidil |
|
Quellen und Literaturtipps:
- Ziegler, A: „Rezeptur-Retter – Problemrezepturen erkennen, Rezepturprobleme vermeiden“, Deutscher Apotheker Verlag, 1. Auflage 2018, S. 157–185.
- GD Gesellschaft für Dermopharmazie e. V.: „Wirkstoffdossiers für externe dermatologische Rezepturen", 19. November 2009.