Wirtschaftlichkeit als Retaxfalle – der nächste Fall

Vergangene Woche berichteten wir über mehrere unter­schiedlich gelagerte Retaxationen, bei denen eine vermeintlich wirtschaftliche Rezept­belieferung die Apotheke in die Retax­falle lockte („Wie man’s macht, macht man’s verkehrt“: die Tücken der wirtschaftlichen Abgabe). Die Apotheke tauschte verordnete Arznei­mittel gegen für die Kranken­kasse günstigere Präparate aus: einmal mehrere verordnete kleinere Packungen gegen eine preis­günstigere größere Packung, einmal eine verordnete Packung gegen mehrere kleinere rabattierte Packungen. Damit verstieß die Apotheke aber leider gegen die Rahmen­vertrags­vor­gaben und wurde daher retaxiert.

An dieser Stelle sei nochmals darauf hinge­wiesen, dass bei Individual­rezepten zulasten der GKV § 8 des Rahmen­vertrags zu beachten ist. Danach sind Verordnungen mit der jeweils verordneten Anzahl von Packungen zu beliefern.

Wirtschaftlichkeit bei Sprech­stunden­bedarf

Doch wie sieht es bei Rezepten aus, die zur Versorgung mit Sprech­stunden­bedarf ausge­stellt werden? Hier wandte sich eine Apotheke ebenfalls mit einer Retaxation an das DeutscheApothekenPortal.

Zulasten der AOK Rheinland-Pfalz wurde als Sprech­stunden­bedarf durch den Arzt „2 x Prednisolut 250 mg (PZN: 00503439)“ verordnet. Die Apotheke belieferte das Rezept wie verordnet, erhielt aber später die Retax mit der Begründung „unwirtschaftliche Abgabe“. Anstelle der verordneten 3er-Packungen hätte die Apotheke eine 6er-Packung abgeben müssen.

Preislich wäre die 6er-Packung durchaus günstiger als zweimal die 3er-Packung.

Für die Verordnung von Sprech­stunden­bedarf ist die jeweils geltende Sprech­stunden­bedarfs­verein­barung maß­geblich. Darin wird in der Regel darauf hingewiesen, dass der Bedarf mit möglichst wirtschaftlichen Packungen zu decken ist. So dürfen im SSB auch Jumbo­packungen verordnet werden.

Nachfolgend ein Auszug aus der „Verein­barung über die ärztliche Verordnung von Sprech­stunden­bedarf“ (in der ab 1. Januar 2020 gültigen Fassung), die zwischen der Kassen­ärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz und den Kranken­kassen geschlossen wurde:

Auszug

„I. Begrenzung und Abgrenzung
[…]
3. Für Sprech­stunden­bedarf gilt das Wirtschaftlich­keits­gebot. Der Sprech­stunden­bedarf soll nur in solchen Mengen verordnet werden, die für die einzelne Praxis am wirtschaftlichsten sind und in ange­messenem Verhältnis zu der Zahl der Behandlungs­fälle sowie dem abge­rechneten Leistungs­spektrum bei den in Abschnitt II genannten Anspruchs­berechtigten stehen. Sind von einem Mittel größere Mengen zu ersetzen, sind preis­günstige Groß-, Klinik- oder Bündel­packungen zu verordnen. Ferner ist der Arzt ange­halten, bei der Verordnung von Sprech­stunden­bedarf einen günstigen Bezugs­weg zu wählen und – soweit verfügbar – Generika zu verordnen.“

Nun bleibt die Frage, ob die Apotheke verpflichtet ist, bei einer Sprech­stunden­bedarfs­verordnung nach möglichst wirtschaftlichen Abgabe­optionen zu forschen. Zumindest im Ersatz­kassen­liefer­vertrag findet sich dazu keine Aussage – hier sind nur für bestimmte Produkt­gruppen bestimmte Preise verein­bart, die für den SSB gelten. Die Regelungen in den Liefer­verträgen der Primär­kassen können davon abweichen. Gemäß Rahmen­vertrag ist die Suche nach wirtschaftlichen Abgabe­möglichkeiten aus abweichenden Packungs­größen, wie im letzten News­letter beschrieben, aus guten Gründen bei normalen Rezepten nicht mehr erforderlich. Maßgeblich ist die Anzahl der verordneten Packungen.

Jedoch regelt der Rahmen­vertrag die Versorgung von GKV-Versicherten nach § 129 Abs. 2 SGB V. Hier ist nicht von Sprech­stunden­bedarf die Rede und die Regelungen für die Abgabe rabattierter bzw. preisgünstiger Arznei­mittel gelten nicht für den Sprech­stunden­bedarf.

Wenn die Apotheke Einspruch gegen diese Retax einlegen würde, würde die Kranken­kasse vermutlich mit dem allgemeinen Wirtschaftlichkeits­gebot nach § 12 SGB V kontern:

12 Wirtschaftlichkeitsgebot

„(1) Die Leistungen müssen aus­reichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht über­schreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirt­schaftlich sind, können Versicherte nicht bean­spruchen, dürfen die Leistungs­er­bringer nicht bewirken und die Kranken­kassen nicht bewil­ligen.“

Daher sollten Apotheken besonders bei Verordnungen über Sprech­stunden­bedarf, jedoch auch bei Individual­verordnungen über Medizin­produkte und Verband­stoffe ein besonderes Augen­merk auf die wirtschaftliche Verordnung und Abgabe legen.

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