Wie muss die Apotheke eine Akutversorgung nachweisen?

Wenn Apotheken von der durch den Rahmen­vertrag vorge­gebenen Abgabe­rang­folge ab­weichen, müssen sie dies gemäß § 14 Rahmen­vertrag auf dem Rezept dokumentieren. Dazu ist die passende Sonder-PZN anzugeben, in Fällen von Pharma­zeutischen Bedenken bzw. einer Akut­ver­sorgung ist zusätz­lich ein Vermerk auf dem Rezept aufzu­bringen. Wird aufgrund von Liefer­schwierig­keiten eine Alternative abgegeben, so muss dies durch einen Beleg über die Nicht­verfüg­barkeit nachge­wiesen werden.

Retax bei fehlender Doku­mentation

Wenn die Dokumentation für das Abweichen von der Abgabe­rangfolge ausbleibt, wird die Apotheke in der Regel leider eine Retax erhalten. Jedoch stuft der Rahmen­vertrag dies als „unbe­deutenden Fehler“ ein und sieht zudem eine nach­trägliche Heilungs­möglichkeit vor, falls nicht nur ein Teil der Dokumentation (z. B. der Vermerk auf dem Rezept), sondern die gesamte Dokumentation fehlt:

6 Abs. 2 Buchst. g3 Rahmenvertrag

„(2) Um einen unbe­deutenden Fehler im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 Buch­stabe d) handelt es sich insbesondere: […]
g) Wenn bezogen auf den Rahmen­vertrag […]
(g3) die Apotheke in den Fällen des § 14 Absatz 1 (Nicht­verfüg­barkeit), des § 14 Absatz 2 (Akut­versorgung, Not­dienst) sowie des § 14 Absatz 3 i.V.m. § 17 Absatz 5 ApBetrO (‚pharma­zeutische Bedenken‘) dieses Rahmen­ver­trages

  • entweder nur das vereinbarte Sonder­kenn­zeichen oder
  • nur einen Vermerk auf der papier­ge­bundenen Verordnung auf­trägt oder
  • im Fall, dass Vermerk und Sonder­kenn­zeichen auf der papier­ge­bundenen Verordnung fehlen, einen objektivier­baren Nachweis im Beanstandungs­ver­fahren erbringt […]“

Hier gehen aber offenbar die Meinungen aus­einander, was die Apotheke vorzu­legen hat. Dies zeigt ein aktueller Retaxfall, der an das Team des DeutschenApotheken­Portals gesendet wurde. Dabei hatte eine Apotheke im Juli 2022 eine Verordnung zulasten der BARMER mit einem in der Apotheke vorrätigen Arznei­mittel bedient, da der Kunde zeitnah versorgt werden musste, um im Sinne der damals noch geltenden SARS-CoV-2-AMVersVO weitere Kontakte zu vermeiden. Leider hatte die Apotheke die Doku­mentation auf dem Rezept ver­gessen und nur die abge­gebene PZN ange­geben. Es folgte im März dieses Jahres eine Retax.

Einspruch der Apotheke abge­lehnt – Nachweis der „Nicht­vor­rätigkeit“ gefordert!

Daraufhin legte die Apotheke Einspruch gegen die Retax ein und legte dar, dass es sich um eine dringende Akut­ver­sorgung und bei der fehlenden Sonder-PZN/Begründung um einen unbe­deutenden Form­fehler gehandelt habe, der weder die Arznei­mittel­sicherheit noch die Wirtschaft­lichkeit wesentlich tangierte. In der SARS-CoV-2-AMVersVO war zudem in § 1 Abs. 4 fest­ge­halten, dass Retaxationen bei abweichenden Abgaben basierend auf den Sonder­regelungen der Verordnung nicht statt­finden dürfen.

Allerdings akzeptierte die Prüf­stelle den Einspruch der Apotheke nicht und beharrte darauf, dass es sich um einen Verstoß gegen die Rahmen­vertrags­vor­gabe zur Abgabe eines rabatt­be­günstigten Fertig­arznei­mittels handele. Die BARMER würde zwar einen objektivier­baren Nachweis im Nachgang akzeptieren, verlangte dafür aber einen Beleg über die „Nicht­vor­rätigkeit“ rabatt­be­günstigter Arznei­mittel. Ein Beleg über den Waren­bestand des abge­gebenen Arznei­mittels allein sei nicht aus­reichend.

Nun bleibt die Frage, wie die Apotheke dies ein gutes Drei­viertel­jahr nach der Rezept­be­lieferung noch nach­weisen kann, der Software­anbieter sieht sich dazu nach Anfrage durch die Apotheke nicht in der Lage.

Nach unserer Einschätzung ist die Apotheke für die Dokumentation einer dringenden Akut­versorgung nicht verpflichtet, weitere Belege dafür einzu­reichen (es ist in keinem Vertrag die Rede von einem „Nicht­vorrätig­keits­nachweis“) – dies ist laut § 14 Rahmen­vertrag nur dann erforderlich, wenn es sich um eine Nicht­liefer­barkeit handelt (was hier ja nicht der Fall ist). Da auch die Apotheke sicher nicht von jedem Arznei­mittel, das sie nicht vorrätig hat, eine Liste für eventuell später auftretende Retaxationen führen kann, wird ein ent­sprechender Nach­weis schwierig bis unmöglich sein. Vielleicht könnte der Arzt zusätzlich noch bestätigen, dass die zeitnahe Versorgung des Patienten damals erforderlich war. Dies sollte im Zusammen­hang mit den Sonder­regeln zur Kontakt­ver­meidung in der Corona­pandemie ausreichen, um diesen rein formalen Fehler auch als solchen anzu­erkennen und die Retaxation zurück­zu­nehmen.

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