Wer entscheidet über die Austauschbarkeit: Gesetze und Verträge oder einzelne Krankenkassen?
Hinweis
Es handelt sich bei dem Inhalt dieser Seite um eine frühere Veröffentlichung. Bitte beachten Sie, dass die Aussagen gegebenenfalls nicht mehr der aktuellen Rechts- und Vertragslage entsprechen.
Bei Fragen hilft Ihnen das DAP-Team auch gerne persönlich weiter – schreiben Sie einfach eine E-Mail an insonderfo@anderesdeutschesapothekenportal.de.
Vor ca.10 Jahren hatten die Krankenkassen noch unter dem Erfindungsreichtum mancher Hersteller zu leiden, die es durch immer neue Packungsgrößen erreichten, dass ihre Präparate nicht gegen die damals noch stückzahlbezogenen Rabattverträge der Krankenkassen ausgetauscht werden mussten. Erleichtert wurde diese Umgehungsmöglichkeit durch die Tatsache, dass auch die Indikationen zwischen Verordnung und Austauschpräparat genau – und nicht nur in einer Indikation – übereinstimmen mussten.
Die Krankenkassen baten daher den Gesetzgeber, dieser Problematik ein Ende zu bereiten. Der entsprach diesem Wunsch schließlich durch gesetzliche Verankerung. Für einen Austausch gegen ein Rabattarzneimittel reicht es seither,
- wenn abweichende Mengen dem gleichen N-Bereich angehören und
- wenn lediglich eine Indikation übereinstimmt.
129 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V)
Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung
„(1) […] Bei der Abgabe eines Arzneimittels nach Satz 1 Nummer 1 haben die Apotheken ein Arzneimittel abzugeben, das mit dem verordneten in Wirkstärke und Packungsgröße identisch ist,
für ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen ist und die gleiche oder eine austauschbare Darreichungsform besitzt; als identisch gelten dabei Packungsgrößen mit dem gleichen Packungsgrößenkennzeichen nach der in § 31 Absatz 4 genannten Rechtsverordnung […].“
Dieses wurde seitdem auch in jedem Rahmenvertrag zwischen den GKV-Kassen und dem Spitzenverband der Apotheken festgehalten:
4 Rahmenvertrag – Auswahl preisgünstiger Arzneimittel
„(1) Hat der Vertragsarzt ein Arzneimittel
- nur unter seiner Wirkstoffbezeichnung verordnet oder
- die Ersetzung eines unter seinem Produktnamen verordneten Fertigarzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ausgeschlossen (aut idem),
hat die Apotheke unter folgenden Voraussetzungen ein der Verordnung entsprechendes Fertigarzneimittel auszuwählen und nach den Vorgaben der Absätze 2 bis 4 abzugeben und zu berechnen […]
c) identische Packungsgröße,
als identisch gelten auch Packungsgrößen, die nach der geltenden Fassung der Rechtsverordnung nach § 31 Absatz 4 SGB V (Packungsgrößenverordnung) dem gleichen Packungsgrößenkennzeichen zuzuordnen sind.“
Dennoch nehmen manche Krankenkassen diese – auf ihren Wunsch entstandene – gesetzliche und vertragliche Vorschrift nur zur Kenntnis, wenn diese wirtschaftlich für sie vorteilhaft erscheint. Ansonsten berufen sie sich immer wieder gerne auf das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot, selbst wenn dazu im Rahmenvertrag keine nähere ausführende Regelung vereinbart wurde.
Daher erreichen uns leider ständig entsprechende Retaxationen:
Krankenkasse: | AOK Bayern (IK 108310400) |
Verordnet: | Inflectra 100 mg PIK 2 ST. N1 |
Abgabedatum: | 23.10.17 |
Vermerk der Apotheke: | „2 St. nicht lieferbar! Günstigsten Rabattartikel, der lieferbar ist, bestellt und abgegeben!“ |
Aufgrund von Lieferproblemen konnte die 2er-Packung der N1-Größe nicht abgegeben werden. Dies hat die Apotheke vertragsgemäß handschriftlich auf der Verordnung vermerkt – nur ohne die zusätzliche Sonder-PZN, was jedoch nach Rahmenvertrag nicht zur Retaxation führen darf, da eine der Angaben (Sonder-PZN oder handschriftlicher Vermerk) laut § 3 (1) 7c ausreicht.
Da für die Apotheke, wie eingangs beschrieben, gleiche N-Bezeichnungen gesetzlich und vertraglich als identische Packungsgrößen gelten, wurde die nächstlieferbare und ebenfalls für die AOK BY rabattierte „N1“-Größe abgegeben.
Dennoch hat die Rezeptprüfung entschieden, dass diese Versorgung unwirtschaftlich war und nicht dem Willen des verordnenden Arztes entsprach.
Dagegen hat die betroffene Apotheke Einspruch erhoben:
Über die Einteilung in therapiegerechte Packungsgrößen (N-Bezeichnung) bestimmt das DIMDI als Institution des BMG, und da die laut Kasse abzugebende 1-St.-Packung keine N-Bezeichnung trägt, sollte eine Rezeptprüfstelle in ihrer Abgabe auch nicht von einer therapiegerechten Versorgung sprechen.
1 PackungsV
„(1) Fertigarzneimittel nach § 4 Absatz 1 des Arzneimittelgesetzes, die von einem Vertragsarzt für Versicherte verordnet und zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden können, erhalten ein Packungsgrößenkennzeichen entsprechend der Dauer der Therapie, für die sie bestimmt sind. […]“
5 PackungsV
„Das Nähere zur Ermittlung der Packungsgrößen regelt das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information mit Zustimmung des Bundesministeriums für Gesundheit unter Berücksichtigung der Klassifikation nach § 73 Absatz 8 Satz 5 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. […]“
Die Rezeptprüfung bestand dennoch auf der Abgabe von zwei Einzelpackungen ohne N-Bezeichnung und lehnte den Einspruch der Apotheke ab:
Was bleibt, ist die damit verursachte Rechtsunsicherheit, dass eine Apotheke, die sich an die gesetzlich und vertraglich vorgeschriebenen Versorgungsvorschriften hält, dennoch damit rechnen muss, für ihre Patientenversorgung nicht entsprechend vergütet zu werden.
Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum
Neuen Kommentar schreiben
Sie müssen angemeldet sein, um die Kommentarfunktion nutzen zu können.
Benutzeranmeldung
Geben Sie Ihren Benutzernamen und Ihr Passwort ein, um sich an der Website anzumelden
DAP Newsletter
Immer aktuell informiert mit dem DAP Newsletter: zur Newsletter-Anmeldung