Versorgung therapeutisch sinnvoll, aber vertraglich nicht erlaubt
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Wir alle kennen die Bekundungen auf Apothekertagen und vor anstehenden Wahlen, wie unverzichtbar die fachkundige Kompetenz der Vor-Ort-Apotheken für eine gut funktionierende Arzneimittelversorgung sei. Wenn es jedoch darum geht diese „unverzichtbare“ Kompetenz endlich vertraglich oder gesetzlich mit Leben zu erfüllen, dann passiert leider nur wenig.
Immer wieder stoßen pharmazeutische Einwände an ihre vertraglich gesetzten Grenzen. Dies gilt für zahlreiche Bereiche der bis ins Detail geregelten Arzneimittelversorgung, wie z. B. beim Notdienst, bei Pharmazeutischen Bedenken und bei Rezepturherstellungen.
Wenn kein Arzt für eine Verordnungsänderung erreichbar ist oder dieser nicht zu einer Änderung zu bewegen ist, spielt es de facto keine Rolle, ob eine Verordnung problematisch für die Arzneimittelsicherheit ist. Die Apotheke muss die Abgabe auf eigenes Risiko verweigern oder in Kauf nehmen, dass ihr nachträglich die Erstattung ihrer korrigierten Versorgung verweigert wird.
Besonders ärgerlich ist es, wenn der Apotheke in solchen Fällen nicht nur die Erstattung ihrer Bemühungen zur Patientenversorgung verweigert wird, sondern ihr auch noch eine Gefährdung der Arzneimittelsicherheit vorgeworfen wird:
In obenstehender Notdienstverordnung wurde am Sonntag, den 06.11.2016 für ein Kind ein Codipront Saft verordnet. Dieser Saft ist nicht nur seit 2015 außer Handel, sondern aus Gründen der Arzneimittelsicherheit für Kinder unter 12 Jahren auch nicht mehr zugelassen!
Da es der Apothekerin nicht möglich war, mit dem Arzt des ärztlichen Bereitschaftsdienstes zeitnah Kontakt aufzunehmen, entschloss sie sich, das verordnete Präparat gegen ein zugelassenes und im Handel befindliches DHC-Präparat (Paracodin) auszutauschen. Dihydrocodein (DHC) unterliegt nicht der Demethylierung unter Beteiligung von Cytochrom CYP2D6 zu Morphin, was das Risiko einer Atemdepression bei Kindern weitgehend minimiert. Zudem ist es arzneimittelrechtlich ab 4 Jahren zugelassen und bot sich daher für die versorgende Apotheke als Alternative zur ärztlichen antihistamin-(Phenyltoloxamin)-kombinierten Codein-Verordnung an.
Dennoch wurde für diese Notdienstversorgung nicht nur die Erstattung verweigert, was aufgrund des abweichenden Wirkstoffes rechtlich nicht beanstandet werden kann, zusätzlich warf die Rezeptprüfung der Krankenkasse der Apotheke auch noch eine Gefährdung der Arzneimittelsicherheit vor:
Dies veranlasste die Apothekenleitung zu einer schriftlichen Klarstellung:
Es bleibt zu hoffen, dass dieser verständliche Wunsch in Zukunft auch eine rechtliche und vertragliche Grundlage findet.
Bis dahin bleibt den Apotheken leider nur, sich streng an die bestehenden Vorgaben gem. § 4 Rahmenvertrag zu halten, die neben einer genauen Austauschverpflichtung auch die dokumentationspflichtigen Pharmazeutischen Bedenken in § 4 (3) und (4) auf die Nichtabgabe von Rabattartikeln, die Abgabe des namentlich verordneten Artikels, eines Imports gemäß § 5 oder auf die drei preisgünstigsten Artikel begrenzen. Zudem ist das Geltendmachen des Erstattungsanspruchs auf den Preis des ursprünglich verordneten Präparates begrenzt, wenn dieses bereits zu den drei preisgünstigsten gehört (Preisanker).
Es bestand somit für die betroffene Apotheke nicht einmal die Möglichkeit, Pharmazeutische Bedenken geltend zu machen, um den Patienten therapeutisch korrekt und zeitnah zu versorgen.
Solche Fälle, in denen die versorgende Apotheke in einer Ausnahmesituation im Sinne der Arzneimittelsicherheit des Patienten entscheiden muss, wären gute Gelegenheiten, sich bei unzureichenden Befugnissen gegen eine Retaxierung der Apotheke zu entscheiden:
3 Abs. 1 Satz 2 Spiegelstrich 3 des Kommentars zum Schiedsvertrag
„Einzelfallentscheidung der Kasse
Diese Regelung eröffnet der Krankenkasse die Möglichkeit, im Einzelfall auch dann von einer Beanstandung abzusehen, obwohl sie dazu gemäß vertraglicher Vorgabe berechtigt wäre, d. h. wenn keine Ausnahme nach Satz 2 des Rahmenvertrags gegeben ist. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass Krankenkassen sich in der Vergangenheit häufig auf ihre Aufsichtsbehörde berufen haben, welche es untersage, auf Retaxationen zu verzichten, wenn kein Vergütungsanspruch entstanden sei. Dem stünde das Gebot ordnungsgemäßer Mittelverwaltung entgegen. Dieser Einwand ist künftig nicht mehr möglich. Die Krankenkassen können gemäß der Regelung unter dem dritten Spiegelstrich in jedem denkbaren Fall frei über die Unterlassung einer Beanstandung entscheiden mit der Folge, dass in diesem Fall der Vergütungsanspruch der Apotheke bestehen bleibt.“
Ob wir diesen Fall jemals erleben werden?
DAP – Retaxforum – Dieter Drinhaus
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