Retaxfall: Teilmengenabgabe im Rahmen der SARS-CoV-2-AMVersVO wird nicht akzeptiert
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Es ist ein leidiges Thema: In der Apotheke werden Wege gesucht, Patienten zeitnah mit ihrem benötigten Arzneimittel zu versorgen, obwohl das eigentlich abzugebende Arzneimittel nicht lieferbar ist. Mit den Ausnahmeregelungen der SARS-CoV-2-AMVersVO wird der Handlungsspielraum der Apotheken etwas erweitert – alles mit dem Ziel, die Patienten zeitnah zu versorgen und unnötige Kontakte zu vermeiden. Dennoch muss auch hier alles bis ins letzte Detail bewusst umgesetzt werden, denn ansonsten droht eine Retaxation, obwohl der Patient versorgt wurde.
Retax einer Teilmengenabgabe
So berichtete uns eine Apotheke von folgendem Fall: Ein Versicherter der AOK Sachsen-Anhalt legte im Oktober 2020 in der Apotheke ein Rezept vor, auf dem unter anderem ein Aarane-Doppelpack verordnet war: „Aarane N DOS 2 x 10 ml N2 PZN 00226443“. Leider war dieses Präparat in der Apotheke weder vorrätig noch konnte es zum Abgabezeitpunkt über den Großhandel besorgt werden, da es nicht lieferbar war. Um den Patienten zeitnah mit seinem Arzneimittel zu versorgen, machte die Apotheke Gebrauch von der Teilmengenregelung nach § 1 Abs. 3 der SARS-CoV-2-AMVersVO:
1 Abs. 3 der SARS-CoV-2-AMVersVO
„Abweichend von § 129 Absatz 1 Satz 1 bis 5 und 8 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch dürfen Apotheken, wenn das auf der Grundlage der Verordnung abzugebende Arzneimittel in der Apotheke nicht vorrätig ist, an den Versicherten ein in der Apotheke vorrätiges wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben; ist kein wirkstoffgleiches Arzneimittel in der Apotheke vorrätig und ist das abzugebende Arzneimittel auch nicht lieferbar, darf ein lieferbares wirkstoffgleiches Arzneimittel abgegeben werden. Sofern weder das auf der Grundlage der Verordnung abzugebende noch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel vorrätig oder lieferbar ist, dürfen Apotheken nach Rücksprache mit dem verordnenden Arzt ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel an den Versicherten abgeben; dies ist auf dem Arzneiverordnungsblatt zu dokumentieren. Satz 2 gilt entsprechend für den Fall, dass der verordnende Arzt den Austausch des Arzneimittels ausgeschlossen hat. Apotheken dürfen ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt von der ärztlichen Verordnung im Hinblick auf Folgendes abweichen, sofern dadurch die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird:
1. die Packungsgröße, auch mit einer Überschreitung der nach der Packungsgrößenverordnung definierten Messzahl,
2. die Packungsanzahl,
3. die Entnahme von Teilmengen aus Fertigarzneimittelpackungen, soweit die abzugebende Packungsgröße nicht lieferbar ist, und
4. die Wirkstärke, sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen. […]“
Da die Dreierpackung von Aarane in der Apotheke vorrätig war, wurde der Patient mit zwei der Dosieraerosolen versorgt und die Apotheke dokumentierte die Abgabe so, wie es § 4 der Vereinbarung zur technischen Umsetzung der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung vorsieht:
4 der Vereinbarung zur technischen Umsetzung der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung
„Im Fall, dass die auf der Grundlage der ärztlichen Verordnung nach den Regelungen des Rahmenvertrages nach § 129 Abs. 2 SGB V auszuwählende Packungsgröße nicht lieferbar ist und entsprechend § 1 Absatz 3 Satz 4 Ziffer 3 und § 4 Absatz 3 SARS-CoV-2-AMVersVO eine Teilmenge abgegeben werden muss, gilt Folgendes:
- Bei der ersten Abgabe einer Teilmenge aus einer Arzneimittelpackung wird diese Packung unter Angabe der Pharmazentralnummer und des vollständigen Preises komplett abgerechnet und die entsprechende Zuzahlung erhoben. Die Apotheke trägt zusätzlich das Sonderkennzeichen 06461127 (Erstabgabe einer Teilmenge), im Feld ‚Faktor‘ den Wert ‚1‘ und im Feld ‚Taxe‘ den Betrag ‚0‘ auf.
- Bei weiteren Abgaben von Teilmengen aus dieser Packung ist die Pharmazentralnummer dieser Packung, im Feld ‚Faktor‘ der Wert ‚1‘ und im Feld ‚Taxe‘ der Betrag ‚0‘ aufzutragen. Zusätzlich ist das Sonderkennzeichen 06461133 (weitere Teilmengenabgabe) aufzutragen. Im Feld ‚Faktor‘ ist der Wert ‚1‘ anzugeben, im Feld ‚Taxe‘ ist der Betrag ‚690‘, entsprechend 5,80 Euro gemäß § 3 Abs. 6 AMPreisV zuzüglich Umsatzsteuer, anzugeben. Eine Zuzahlung ist zu erheben.“
Die Apotheke druckte demnach zum einen die PZN 00225466 (Aarane-Dreierpack) mit dem vollständigen Preis (9471 entsprechend dem Preis 94,71 Euro) sowie zum anderen die Sonder-PZN 06461127 mit dem Betrag 0 auf das Rezept auf. So wurden die Vorgaben der SARS-CoV-2-AMVersVO umgesetzt.
Differenzretax ein Jahr später
Ein Jahr später erhielt die Apotheke jedoch eine Retax mit dem Hinweis, die Belege für die Defektmeldung einem etwaigen Einspruch beizulegen. Abgezogen wurde die Differenz zum Preis der Dreierpackung. Daraufhin legte die Apotheke in der Tat Einspruch ein und fügte diesem die Nichtlieferbarkeitsnachweise für Aarane bei.
Doch wie sich zeigte, liegt der Teufel im Detail: Der Krankenkasse reichte nicht der alleinige Nachweis, dass das verordnete Aarane nicht lieferbar war. Vielmehr sollte gleichfalls nachgewiesen werden, dass alle wirkstoffgleichen Alternativen (im vorliegenden Fall kam dazu nur der preisgleiche Doppelpack von Allergospasmin in Frage) ebenfalls nicht lieferbar waren. Im Nachgang konnte die Apotheke dies für den Abgabezeitpunkt leider nicht mehr über das PC-Protokoll nachweisen, obwohl auch das Alternativpräparat in diesem Zeitraum oft nicht lieferbar war – nur eben nicht just an diesem Tag. Ein manuelles Durchsehen der Defektbelege würde die Apotheke einiges an Zeit kosten.
Die Apotheke hat nun das Nachsehen, obwohl eine Lösung für den Patienten gefunden wurde. Eventuell wäre noch denkbar, einen erneuten Einspruch einzulegen (mit dem Hinweis, dass es nach § 6 Rahmenvertrag im Ermessen der Kasse liegt, die Apotheke im Einzelfall trotz eines „Verstoßes“ ganz oder teilweise zu vergüten). Hier wurde im Sinne einer zeitnahen und sicheren Patientenversorgung entschieden und nicht zu vergessen auch ganz im Sinne der SARS-CoV-2-AmVersVO, deren Ziel es ist, wiederholte Arzt- oder Apothekenbesuche zu vermeiden. Daher wäre ein Einlenken der Krankenkasse wünschenswert. Mittlerweile haben wir von einer weiteren Retax der gleichen Krankenkasse aus dem gleichen Grund erfahren – daher sollten Apotheken diesbezüglich aufmerksam sein!
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