Ständiges Ärgernis: das fehlende BtM-„A“
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Über kein Retaxärgernis musste das DAP-Team wohl häufiger berichten als über die für Apotheken meist sehr teure Einkunftsquelle mancher Rezeptprüfungsdienstleister: das fehlende „A“ bei BtM-Verordnungen bei Höchstmengenüberschreitungen.
Dennoch möchte ich das Thema nochmals aufgreifen, da es bei Retaxationen immer noch eine herausragende Rolle spielt und uns die diesmal betroffene Kollegin ausdrücklich darum geben hat.
Schon im Kommentar zum Rahmenvertrag von 2016 wurde dieses Problem als lösungsbedürftig erkannt:
3 Absatz 1 Der Vergütungsanspruch
Satz 2 Ausschluss von Retaxationen, Spiegelstrich 1 Ergänzende Verträge
„Die Regelung ermöglicht es, in ergänzenden Verträgen nach § 129 Absatz 5 SGB V, über die im Rahmenvertrag nach § 129 Absatz 2 SGB V aufgeführten Ausschlüsse von Beanstandungen hinaus, das Entstehen des Vergütungsanspruchs der Apotheke vorzusehen. Auch Fehler, die in Satz 2 nicht explizit angesprochen werden, können demnach unbeachtlich sein.
Ein ergänzender Vertrag könnte etwa ergänzend zu Ziffer 6 § 3 Abs. 1 des alten Rahmenvertrags vorsehen, dass Beanstandungen auch dann unterbleiben, wenn die Apotheke bei Abgabe eines Betäubungsmittels das Fehlen ärztlicher Angaben gemäß § 9 BtMVV übersieht. Zu denken wäre hier beispielsweise an die Buchstaben ‚A‘ gemäß § 2 Absatz 2 Satz 2 oder ‚S‘ gemäß § 5 Absatz 4 BtMVV.“
Dass diese Kommentarvereinbarung zum alten Rahmenvertrag von 2016 auch im beginnenden sechsten Jahr nach Inkrafttreten immer noch keinen kompetenzerweiternden und retaxvermeidenden Eingang in die regionalen Ergänzungsverträge und die zahlreichen Ergänzungen des Rahmenvertrags gefunden hat, lässt vermuten, dass die GKV kein großes Interesse hat, auf diese Nullretaxationen zu verzichten.
Im heute vorliegenden Retaxfall wurden der Apotheke bis dato bereits fünf BtM-Verordnungen auf null retaxiert, weil der Arzt die – ursprünglich nur für ihn gültigen – Vorschriften der BtM-Verschreibungsverordnung nicht beachtet hatte:
Retax 1:
Retax 2:
Retax 3:
Retax 4:
Retax 5:
Alle Nullretaxationen betreffen die Salus BKK IK 105321269 und summieren sich mittlerweile für die Apotheke auf fast 3.000 Euro.
Begründet wurden alle Retaxationen mit Überschreitung der BtM-Höchstmengen:
Damit ist der im Auftrag der BKK Salus retaxierende Dienstleister – das Abrechnungszentrum Emmendingen – leider im Recht:
Die Grundlage zur korrekten Verordnungsweise von BtM ist der BtMVV zu entnehmen. In § 2 ist geregelt, wie viele unterschiedliche BtM innerhalb von 30 Tagen maximal auf einem Rezept verordnet werden dürfen und welche Höchstmengen dabei zu beachten sind:
2 Verschreiben durch einen Arzt (Auszug)
„(1) Für einen Patienten darf der Arzt innerhalb von 30 Tagen verschreiben:
a) bis zu zwei der folgenden Betäubungsmittel unter Einhaltung der nachstehend festgesetzten Höchstmengen: […]
(2) In begründeten Einzelfällen und unter Wahrung der erforderlichen Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs darf der Arzt für einen Patienten, der in seiner Dauerbehandlung steht, von den Vorschriften des Absatzes 1 hinsichtlich
- der Zahl der verschriebenen Betäubungsmittel und
- der festgesetzten Höchstmengen
abweichen. Eine solche Verschreibung ist mit dem Buchstaben ‚A‘ zu kennzeichnen.“
Im Anschluss an § 2 finden Sie eine Auflistung der BtM mit ihren zugehörigen Höchstmengen. Diese Höchstmengen gelten sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene, sowohl für die freie Base als auch für deren Salze und Molekülverbindungen (§ 1 Abs. 1 BtMVV). Die Apotheke muss also nicht jeweils auf die Base umrechnen, wenn ein Wirkstoff in Form seines Salzes enthalten ist.
Es ist aber der Apotheke nach dem derzeit geltenden Rahmenvertrag durchaus möglich, ein fehlendes „A“ selbst zu ergänzen, wenn sie vor der Abgabe Rücksprache mit dem verordnenden Arzt hält:
6 Abs. 2c
„(2) Um einen unbedeutenden Fehler im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 Buchstabe d) handelt es sich insbesondere: […]
c) Wenn papiergebundene Verordnungen, die einen für den Abgebenden erkennbaren Irrtum enthalten, unleserlich sind oder § 2 Absatz 1 Nr. 1–7 AMVV bzw. § 9 Absatz 1 Nr. 1–8 BtMVV – unbeschadet der jeweils anwendbaren Gültigkeitsdauer – nicht vollständig entsprechen und der Abgebende nach Rücksprache mit dem verordnenden Arzt die Angaben korrigiert oder ergänzt. […]“
Die Apotheke ergänzt dann nach ärztlicher Rücksprache mit dem Arzt das fehlende „A“ auf den in der Apotheke vorliegenden Rezeptteilen I und II und zeichnet die Änderung mit Datum und Kürzel ab. Der Arzt muss die Änderung auf dem in der Praxis verbliebenen Rezeptteil III ebenfalls vornehmen.
Als zusätzliche Kontrollinstanz im Umgang mit BtM wurden auch die Apotheken eingebunden. Gleichzeitig gesteht uns der Verordnungsgeber jedoch auch zu, notwendige klärende Ergänzungen bzw. Änderungen selbst vorzunehmen:
9 BtMVV (Auszug)
„(1) Auf dem Betäubungsmittelrezept sind anzugeben: […] 6. in den Fällen des § 2 Abs. 2 Satz 2 und des § 4 Abs. 2 Satz 2 der Buchstabe ‚A‘ […]
(2) Die Angaben nach den Nummern 1 bis 8 können durch eine andere Person als den Verschreibenden erfolgen. […]“
12 Abs. 2 BtMVV
„(2) Bei Verschreibungen […], die einen für den Abgebenden erkennbaren Irrtum enthalten, unleserlich sind oder den Vorschriften nach § 9 Abs. 1 oder § 11 Abs. 1 nicht vollständig entsprechen, ist der Abgebende berechtigt, nach Rücksprache mit dem verschreibenden Arzt, […] Änderungen vorzunehmen. […]“
Die Apotheke wird in dringenden Fällen durch den Gesetzgeber bei Notfall-Verschreibungen sogar ermächtigt, die Benachrichtigung des Arztes nach einer eiligen Versorgung vorzunehmen:
8 Abs. 6 BtMVV
„(6) […] Die Apotheke hat den verschreibenden Arzt, […] unverzüglich nach Vorlage der Notfall-Verschreibung und möglichst vor der Abgabe des Betäubungsmittels über die Belieferung zu informieren.“
Hier gibt der Gesetzgeber zu erkennen, dass bei dringender Versorgung die Information des Arztes auch unverzüglich nach der Versorgung erfolgen kann.
Leider fehlt eine entsprechende Ermächtigung der Apotheke für die §§ 9 und 12 BtMVV und auch im Rahmenvertrag bzw. den entsprechenden Regionalverträgen, sodass einige Retaxprüfstellen jede Bestätigung nach der Versorgung des Patienten ablehnen, selbst wenn diese durch den Arzt und/oder durch den Patienten erfolgen.
Hierdurch entsteht leider der Eindruck, dass es manchen Krankenkassen nicht vorrangig um die Arzneimittelsicherheit ihrer Patienten, sondern um die Möglichkeit geht, Geld zu sparen.
So auch im Falle der hier betroffenen Kollegin: Ihr Einspruch mit Beilage der ärztlichen Bestätigungen wurde abgelehnt und auch ihr Apothekerverband sah sich aufgrund der nachträglich beigebrachten ärztlichen Bestätigungen nicht in der Lage, Einspruch einzulegen.
Eine zusätzliche Retaxation kam der Kollegin leider ins Haus, da sie mit ihrem ersten Einspruch nicht nur die Retaxationen ärztlich bestätigen ließ, die bereits eingegangen waren, sondern auch BtM-Verordnungen, die zunächst noch gar nicht retaxiert worden waren.
Dies machte es der Rezeptprüfstelle leichter, auch die zunächst noch nicht retaxierten BtM-Verordnungen ausfindig zu machen, ebenfalls zu retaxieren und in einer gemeinsamen Einspruchsentscheidung abzulehnen.
So schmerzhaft es für ebenfalls betroffene Apotheken ist: Leider kann ich der Kollegin für einen eventuell erneuten Einspruch auch keine große Hoffnung auf einen positiven Entscheid machen.
Zumindest bleibt zu hoffen, dass bei der Kollegin diesbezüglich keine weiteren Retaxationen eintreffen werden und dass in den Verträgen künftig wenigstens Nullretaxationen von gesamten Verordnungen mit mehreren Verordnungszeilen ausgeschlossen werden und stattdessen Retaxationen nur noch auf die die Höchstmengen überschreitenden Zeilen ausgesprochen werden.
Bitte beachten Sie zur Vorbeugung von Retaxationen auch künftig die zahlreichen Veröffentlichungen des DAP, auch wenn Sie wie die betroffene Kollegin bisher nicht unter häufigen Retaxationen zu leiden hatten.
Weitere Informationen zur korrekten Belieferung von BtM-Rezepten finden Sie in der BtM-Rubrik des DeutschenApothekenPortals.
Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum
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