SSB-Nullretax wegen Nichtabgabe eines Importarzneimittels
Hinweis
Es handelt sich bei dem Inhalt dieser Seite um eine frühere Veröffentlichung. Bitte beachten Sie, dass die Aussagen gegebenenfalls nicht mehr der aktuellen Rechts- und Vertragslage entsprechen.
Bei Fragen hilft Ihnen das DAP-Team auch gerne persönlich weiter – schreiben Sie einfach eine E-Mail an insonderfo@anderesdeutschesapothekenportal.de.
Die Kolleginnen und Kollegen, die schon länger unseren Beruf ausüben, werden sich sicher noch erinnern, dass in früheren Rahmenverträgen die Importabgabe abschließend geregelt und eine abweichende Regelung in den ergänzenden Regionalverträgen ausdrücklich ausgeschlossen war:
5 Abs. 7 alter Rahmenvertrag 2016
„Die Regelungen nach den Absätzen 1 bis 6 [Anm. d. Red.: Regelungen zur Importabgabe] sind von ergänzenden Verträgen nach § 2 Absatz 4 dieses Rahmenvertrages ausgenommen.“
Dieser eindeutige Passus ist leider im aktuellen Rahmenvertrag vom 01.01.2019 (gültig seit 01.07.2019) im § 13 nicht mehr enthalten:
13 Abgabe preisgünstiger Importe nach § 9 Absatz 1
„(1) Der importrelevante Markt besteht aus den Fertigarzneimitteln im Auswahlbereich nach
§ 9 Absatz 1 (solitärer Markt) und aus Arzneimitteln nach § 9 Absatz 2 Satz 2 (Mehrfachvertrieb), bei denen die Abgabe eines rabattierten Fertigarzneimittels nach § 11 nicht möglich ist. […]
(2) Im importrelevanten Markt nach Absatz 1 ist grundsätzlich die Abgabe von Referenzarzneimittel, Importarzneimittel und preisgünstigen Importarzneimitteln möglich. Es darf nur ein Fertigarzneimittel ausgewählt werden, das unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rabatte nicht teurer als das namentlich verordnete Fertigarzneimittel ist. […] Im importrelevanten Markt besteht ein Abgabevorrang für preisgünstige Importarzneimittel in Form eines innerhalb eines Kalenderquartals zu erzielenden Einsparziels nach Absatz 5. Das Einsparziel gilt nicht für Arzneimittel, die aufgrund von Sprechstundenbedarfsverordnungen an Vertragsärzte abgegeben wurden.“
Und zudem findet sich im Abs. 9 noch der „Rest“ des oben erwähnten regionalen früheren Regelungsausschlusses:
13 Abs. 9 Rahmenvertrag
„Mit diesen Regelungen gilt die Abgabepflicht nach § 129 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V als erfüllt.“
Eine ähnliche Regelung findet sich auch im Kommentar zum Rahmenvertrag:
Auszug aus dem Kommentar des Deutschen Apothekerverbands zum Rahmenvertrag (06/2019) zu § 13 Abs. 6:
„Die maßgebliche Periode zur Berechnung der Einsparsumme beträgt 6 Monate. Dabei gilt:
1. Das geforderte Einsparziel wird nicht erreicht:
In diesem Fall wird die Rechnung der Apotheke für den letzten Abrechnungsmonat der Bezugsperiode von einem halben Jahr gegenüber der Krankenkasse um die Differenz zwischen dem festgelegten Einsparziel und der tatsächlich erzielten Einsparung gekürzt.
Mit der Kürzung der Rechnung um die Differenz zwischen vereinbarter und tatsächlich erzielter Einsparung sind sämtliche weitergehenden Forderungen der Krankenkassen wegen fehlender Abgabe von preisgünstigen Importarzneimitteln grundsätzlich ausgeschlossen.“
Wer nun der Meinung ist, damit wären weitergehende Retaxationen ausgeschlossen, sieht sich von der Retaxpraxis mancher Rezeptprüfstellen böse enttäuscht.
So auch im heutigen Retaxfall, der das DAP-Team erreichte:
Hierbei handelte es sich um eine SSB-Verordnung, die von der Rezeptprüfstelle Duderstadt in Gänze nicht bezahlt wurde (Nullretax), weil diese nicht durch einen Defektnachweis des verordneten Importeurs belegt wurde.
Dies gilt jedoch nur für die erste Verordnungszeile:
„Encepur Erwachsene 06585361 ACA Müller FER N2 10 x 5 ml“,
denn in der zweiten Verordnungszeile ist mit
„Repevax FER O KAN (02042965)“ das Erstanbieterprodukt von Sanofi-Aventis verordnet.
Selbst wenn es sich um eine „normale“ Verordnung (nicht SSB) handeln würde, für die mittlerweile weitreichende Austauschverpflichtungen gelten, wäre eine Nullretax vertraglich nicht zulässig. Allenfalls wäre eine Verrechnung mit bestehenden Importguthaben oder eine Differenzretax bei Überschreitung des Preisankers zulässig.
Für die zweite Verordnungszeile würde sogar das verordnete Erstanbieterprodukt den Preisanker setzen.
Aber all dies war nicht zu prüfen, da es sich um eine SSB-Verordnung handelte, bei der die Verpflichtung zur Importabgabe laut § 13 Abs. 5 Rahmenvertrag ausgeschlossen wurde:
„Das Einsparziel gilt nicht für Arzneimittel, die aufgrund von Sprechstundenbedarfsverordnungen an Vertragsärzte abgegeben wurden.“
Daher hat die Apotheke Einspruch erhoben und diesen durch umfangreiche Defektnachweise ihrer Großhändler belegt:
Hier pauschal die gesamte SSB-Verordnung wegen einer fehlenden Bestätigung vom Importeur zu beanstanden und nicht zu erstatten, ist weder vertraglich noch rechtlich gerechtfertigt!
Dennoch wurde der Einspruch der Apotheke abgelehnt, denn laut Rezeptprüfstelle wird „aufgrund der Entscheidung der Krankenkassen und der Verbände der Krankenkassen“ diese Nichterstattung erst zurückgenommen, wenn eine Bestätigung des verordneten Importeurs vorgelegt wird.
Macht es sich die Rezeptprüfstelle nicht ein wenig zu leicht? Entschieden wird von den Krankenkassen und deren Verbänden, wobei die Vereinbarungen mit den Apothekern keine Rolle spielen, aber bezahlt wird von der versorgenden Apotheke.
Bleibt zu hoffen, dass der Importeur nachträglich eine Defektbestätigung ausstellt – was sich hinterher meist sehr schwierig gestaltet – und dass die Retax dann zurückgenommen wird.
Außerdem ist zu hoffen, dass dieses ständige Ärgernis endlich durch eine Rahmenvertragsänderung interpretations- und retaxsicher gestaltet wird.
Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum
Neuen Kommentar schreiben
Sie müssen angemeldet sein, um die Kommentarfunktion nutzen zu können.
Benutzeranmeldung
Geben Sie Ihren Benutzernamen und Ihr Passwort ein, um sich an der Website anzumelden
DAP Newsletter
Immer aktuell informiert mit dem DAP Newsletter: zur Newsletter-Anmeldung