Schwer lesbares Verordnungsdatum: Vollretax!

Wir erleben leider immer wieder, dass Formfehler nicht als solche anerkannt, sondern aus Sicht der Rezeptprüfstellen als schwerwiegend und therapierelevant angesehen werden. Die Prüfstelle fühlt sich daher im Recht, die fragliche Verordnung nicht zu erstatten.

So auch im vorliegenden Fall, der dem DAP-Team zugesandt wurde und bei dem es wegen eines für die Prüfstelle schwer lesbaren Verordnungsdatums zu einer Nullretax in Höhe von 2.925,46 Euro gekommen war:

Krankenkasse: AOK Bayern 108310400
Verordnung: nach Rücksprache geändert auf Biktarvy 50/200/25 90 St.
Verordnungsdatum: 26.03.19

Obwohl auf der Verordnung vermerkt wurde, dass eine telefonische Rücksprache mit der verordnenden Uni-Klinik wegen einer Änderung der Stärke geführt worden war, war die Rezeptprüfstelle offenbar der Meinung, dass die Verordnung bereits 2013 ausgestellt worden war, und verweigerte die Erstattung dieser 2.925 Euro:

Als Begründung wurde ein falsches/fehlendes Verordnungsdatum gemäß § 3 Abs. 2 AV-Bayern angegeben:

Nun war das Verordnungsdatum weder falsch noch fehlte es. Es war lediglich schlecht lesbar, daher hat die retaxierte Apotheke eine Bestätigung der Uni-Klinik eingeholt:

Da nachträglich ausgestellte ärztliche Bestätigungen, selbst von einer Uni-Klinik, zunehmend in Frage gestellt und nicht mehr anerkannt werden, wurde der Einspruch der Apotheke abgelehnt:

Die AOK beruft sich hier auf § 3 Abs. 2 des Arzneimittelversorgungsvertrags Bayern:

3 Abs. 2

Ordnungsgemäß ist eine vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Verordnung, wenn sie auf einem zwischen den Partnern des Bundesmantelvertrages Ärzte und Zahnärzte nach § 87 SGB V vereinbarten Verordnungsblatt (Muster 16) bzw. einem zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und den Krankenkassen vereinbarten SSB-Verordnungsblatt (Muster 16a bay) bzw. auf einem amtlichen Vordruck gemäß § 3a AMVV (T-Rezept) oder § 15 BtMVV (BtM-Rezept), ausgestellt ist. […]

e) Datum der Ausstellung der Verordnung durch den Vertragsarzt; ein fehlendes oder ein offensichtlich falsches Ausstellungsdatum darf vom Apotheker aufgrund einer Rücksprache mit dem Vertragsarzt ergänzt bzw. korrigiert werden. Das Ergebnis der Rücksprache hat der Apotheker auf dem Verordnungsblatt zu vermerken.

Die Apotheke hätte neben ihrer Rücksprache zur Änderung der Stärke auch das schlecht lesbare Verordnungsdatum ansprechen müssen, obwohl sich die Aktualität der Verordnung ja ohnehin bei der Rücksprache zur Stärke ergab, denn keine Apotheke würde sich lächerlich machen und eine Rücksprache wegen einer 6 Jahre alten Verordnung halten.

Aber die Apotheke hätte diese Rücksprache laut Vertrag auch bezüglich des schwer lesbaren Verordnungsdatums halten und diese ebenfalls auf der Verordnung vermerken müssen, denn eine eigene Datumskorrektur bei vermeintlich falschem Verordnungsdatum wäre wie oben dargestellt ausdrücklich erlaubt gewesen.
Die Tatsache, dass das verordnete Virustatikum zum vermeintlichen Verordnungsdatum 2013 noch gar nicht im Handel war (Neuaufnahme 15.07.18), wurde von der Rezeptprüfstelle offenbar gar nicht geprüft.
Dass die Kasse auch auf eine Retax nach § 6 Rahmenvertrag hätte verzichten können, lag offensichtlich nie in ihrer Absicht, da sie sich ja schon bei der Nichtanerkennung einer nachträglichen ärztlichen Bestätigung auf eine angebliche Verpflichtung der Sozialgerichtsrechtsprechung berief.

Da sich die AOK offensichtlich auf die Sozialgerichtsbarkeit beruft, sollte sich die retaxierte Apotheke in einem erneuten Einspruch ebenfalls auf ein Sozialgerichtsurteil berufen:
Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 25. Februar 2020, Az.: S 6 KR 251/18.

Da der AOK in diesem Fall kein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, der Patient keinen therapeutischen Nachteil hatte und einige Gründe vorliegen, um von den Möglichkeiten des § 6 Abs. 1 Rahmenvertrag Gebrauch zu machen, sollte sich die betroffene Apotheke auf Folgendes berufen:

Das Gericht hielt es für erforderlich, dass die Krankenkasse neben der eigentlichen Ablehnung immer auch eine separate Ermessensentscheidung zu treffen hat, wenn die einspruchserhebende Apotheke dies beantragt hat (nähere Infos können Sie einem Artikel der DAZ vom 19.05.20 entnehmen).

Bei jedem Einspruch sollte daher die retaxierte Apotheke nicht nur auf einen unbedeutenden Formfehler abstellen, sondern hilfsweise auch – entsprechend dem aktuellen SG-Urteil – auf einer weiteren begründeten Ermessensentscheidung bei Verweigerung des vertraglich möglichen Retaxverzichtes bestehen.

Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum

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