Rückblick: Trotz falscher Begründung Retax aufrecht erhalten

Viele Apotheken fragen bezüglich einer Retaxation beim DAP-Team um Rat. Häufig haben sie eine gute Erfolgsquote, wenn sie gegen Retaxationen Einspruch erheben, über die wir im DAP Retax-Newsletter berichtet hatten. Daher berichten wir auch gern über die Entscheidungen der Krankenkassen.

Allerdings zeigen derartige Einsprüche leider nicht immer den erwarteten Erfolg.

Wenn Sie den DAP Retax-Newsletter regelmäßig lesen, dann erinnern Sie sich sicher an unseren Beitrag „Retax einer angeblichen PC-Verordnung von 2008“ vom 20.02.20.

Die SSB-Verordnung wurde von der verordnenden Arztpraxis irrtümlich mit dem Verordnungsdatum 04.10.08 statt 04.10.18 bedruckt. Der Fehler wurde zwar in der Apotheke bemerkt und in Rücksprache mit der Arztpraxis abgeklärt, aber leider gelangte die Verordnung in die Abrechnung, ohne dass die Rücksprache vorher auf der Verordnung vermerkt wurde.

Dennoch wurde die Verordnung wegen des angeblichen Ausstellungssdatums von 2008 retaxiert, wie die Apotheke bei ihrem Rückruf erfuhr und was ihr in der Retax auch schriftlich mitgeteilt wurde!

Vollabsetzung der AOK Bayern in Höhe von 3.250,78 Euro:

Eigentlich ein klarer Fall für die Formfehler-Rücknahmemöglichkeit des damaligen § 3 Rahmenvertrag, denn keine Apotheke wird wohl irgendwo eine 10 Jahre alte SSB-Verordnung ausgraben und die verordneten Mittel dann auch noch an eine Arztpraxis ausliefern, wenn sie sich nicht lächerlich machen will.

Zudem gab der alte § 3 Rahmenvertrag die Möglichkeit, von einer Retax abzusehen. Diese Formulierung findet sich übrigens auch im aktuellen Rahmenvertrag in § 6:

6 Absatz 1 Satz 2 Buchstabe c Einzelfallentscheidung der Kasse

Diese Regelung eröffnet der Krankenkasse die Möglichkeit, im Einzelfall auch dann von einer Beanstandung abzusehen, obwohl sie dazu gemäß vertraglicher Vorgabe berechtigt wäre, d. h. wenn keine Ausnahme nach Satz 2 des Rahmenvertrags einschlägig ist.

(Auszug aus dem Kommentar des DAV zum Rahmenvertrag von 2019)

Zusammenfassend lässt sich festhalten:

  • Weder der Krankenkasse, noch der Arztpraxis, noch den Patienten dieser SSB-Verordnung ist ein wirtschaftlicher oder therapeutischer Schaden entstanden
  • Die Apotheke brachte im Einspruchsverfahren eine Bestätigung des verordnenden Arztes bei, dass sich der Datumsfehler irrtümlich in der Arztpraxis ereignete und die Verordnung dennoch korrekt beliefert wurde.
  • Die Apotheke hat den Datumsfehler schon vor der Belieferung bemerkt, aber leider die Rücksprache mit dem Arzt nicht auf der Verordnung vermerkt.
  • Der Arzneimittelliefervertrag Bayern hätte der Apotheke sogar die Möglichkeit gegeben, das offensichtlich fehlerhafte Datum selbst zu korrigieren.
  • Es gibt keine vertragliche Vereinbarung, dass nachträglich erst im Einspruchsverfahren vorgelegte Bestätigungen grundsätzlich nicht mehr anerkannt werden dürfen.

Das wichtigste und nicht zu widerlegende Argument war jedoch, dass es sich bei dem Muster-16a-Verordnungsblatt um ein Verordnungsblatt handelte, das erst ab Juli 2015 ausgegeben wurde. Dies ist rechts unten auf der Verordnung angegeben: „Muster 16a bay (07.2015)“. Damit ist die Retaxbegründung „falsches/fehlendes Verordnungsdatum“ nicht mehr zu halten.

Daher waren wir und die Apotheke zunächst sehr zuversichtlich, dass auch die AOK Bayern diesen Fall ähnlich beurteilen und nach einem erneuten Einspruch mit Erklärung des Sachverhalts die Retax nach § 3 Rahmenvertrag zurücknehmen würde.

Einspruch erneut abgelehnt

Doch die AOK Bayern entschied sich dagegen, die Retax zurückzunehmen, wie uns die betroffene Apotheke mitteilte. Der Sachverhalt mit dem Rezeptformular von 2015 wurde zwar mehrfach angesprochen, aber der ursprünglichen Begründung wurde nun von der AOK keine Bedeutung mehr zugemessen, denn nun wurde als neue Begründung vorgebracht, dass es sich bei einem Rezept um ein Vertragsdokument handele, das vor der Belieferung auf Gültigkeit geprüft werden müsse. Bei Nichtgültigkeit käme es zu keinem Vertragsabschluss und das Rezept hätte von der Apotheke geheilt werden müssen.

Erst als die Verordnung nach mehreren Anrufen an eine AOK-Vertragsapothekerin weitergegeben wurde, wurde der betroffenen Apotheke wenigstens eine Retax-Reduzierung um 50 % angeboten:

Dieses Angebot bedeutet – wie üblich – weder eine Anerkennung der zahlreichen Einsprüche noch eine „Präjudiz auf andere gleiche oder ähnlich gelagerte Fälle“.

Da dies offenbar die einzige Einigungsmöglichkeit war, ohne einen Anwalt einzuschalten, hat die Apotheke dieses Angebot letztlich angenommen.

Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum

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