Rezeptur-Retaxationen: ein Fallbeispiel
Bereits in der vergangenen Woche hatten wir über Rezeptur-Retaxationen berichtet, die nun mittlerweile in vielen Apotheken eintreffen. Krux ist die gekündigte Hilfstaxe und die damit einhergehenden unterschiedlichen Auffassungen von Krankenkassen und GKV-Spitzenverband, wie nun bei der Preisberechnung vorzugehen ist.
AMPreisV als Grundlage
In einem Punkt sind sich alle Seiten zumindest einig: Grundlage für die Preisberechnung sind nun die §§ 4 und 5 der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), wonach in § 5 – bezogen auf die Berechnung einer Rezeptur bestehend aus mehreren Bestandteilen – von „den Apothekeneinkaufspreisen der für die Zubereitung erforderlichen Mengen an Stoffen und Fertigarzneimitteln“ auszugehen ist. Doch wie diese Formulierung auszulegen ist, ist der Kern der Streitigkeiten.
Eine Apotheke hatte zwei Rezeptur-Rezepte erhalten: Die fraglichen Rezepturen kommen sicherlich häufiger in Apotheken vor, denn es ging um die Kombination aus Triamcinolonacetat und Urea pura in Eucerin cum aqua sowie im anderen Fall um eine Rezeptur aus Triamcinolonacetat, Clotrimazol und Pasta Zinci mollis. Die Apotheke berechnete nach den aktuellen Empfehlungen der Verbände die Einkaufspreise der verwendeten Packungen, die Kasse retaxierte jedoch im Nachgang auf die anteiligen Stoffpreise abhängig von der verwendeten Menge, so wie es zuvor mittels der Hilfstaxe vorgesehen war. Bei jedem Rezept weichen der von der Apotheke und der von der Kasse ermittelte Preis um eine Summe in dreistelliger Höhe voneinander ab. Rechnet man dies für die vielen Rezepturen hoch, die täglich in Apotheken hergestellt werden, ergibt sich vermutlich eine atemberaubende Streitsumme, die aufgrund dieser ungeklärten Situation nun im Raum steht.
Aufwand für alle Seiten – wo bleibt das Augenmaß?
Solche Rezeptur-Retaxationen gab es auch früher schon, damals ging es aber vornehmlich um Fertigarzneimittel, die nur selten in Rezepturen verwendet wurden. Häufig blieb die Apotheke auf den Kosten der angebrochenen Packung sitzen, wenn sie auf die tatsächlich verwendete Menge retaxiert wurde, obwohl nicht absehbar war, dass auch der Rest der Packung für eine weitere Rezeptur Verwendung finden würde. Schon damals gab es keine eindeutige und für alle Fälle anzuwendende Entscheidung, hier wurden – wenn die Apotheke Glück hatte – lediglich teilweise Einzelfallentscheidungen zugunsten der Apotheke gefällt.
Nun dehnt sich diese unklare Situation schlicht auf alle Rezepturen aus, denn die AMPreisV unterscheidet nicht zwischen gängigen Stoffen wie denen in den oben genannten Rezepturen, die vermutlich in allen Apotheken vorrätig sind und regelmäßig für Rezepturen für verschiedene Personen verarbeitet werden, und Stoffen/Fertigarzneimitteln, die nur vereinzelt vorkommen.
Alle Seiten haben nun den erhöhten Aufwand: einerseits Apotheken, die unsicher sind, wie sie die Preise berechnen, sich auf die eigentlich eindeutigen Vorgaben der AMPreisV stützen und basierend auf den Preisen der erforderlichen (= ganzen) Packungen abrechnen. Auf der anderen Seite stehen die Krankenkassen mit ihrer davon abweichenden Meinung, die in der Folge Retaxationen aussprechen. Nun wollen diese Retaxationen geprüft werden, die Apotheken werden mit Unterstützung der Verbände und den nun auch verfügbaren Musterschreiben für einen Einspruch dagegen vorgehen, und anschließend bedeutet es auch aufseiten der Kassen wieder Aufwand. Erschwerend kommt hinzu, dass nach einer Retaxation womöglich ein ganzer Rattenschwanz folgen wird, wenn Standardrezepturen in Apotheken häufig hergestellt werden und die Retaxationen wie so oft sehr zeitverzögert eintreffen. Hier müssen Apotheken also rückwirkend mit hohen Einschnitten rechnen – bzw. Krankenkassen mit hohen Zahlungen, falls Gerichte zukünftig erneut im Sinne der Apotheken urteilen.
Wünschenswert wäre doch, wenn eine neue Hilfstaxe mit an die aktuelle Situation angepassten Preisen erarbeitet würde – das gäbe allen Seiten Sicherheit und es käme zumindest bei diesem Thema wieder etwas Ruhe in die Rezepturherstellung.
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