Rezeptkorrekturen im Retax-Visier

Seit Juni 2016 haben die Spitzen­verbände der Apotheker und GKV-Kassen im neuen Rahmen­vertrag vereinbart, dass Form­retaxationen, die weder therapeutisch noch finanziell einen Nachteil dar­stellen, nicht mehr retaxiert werden sollen.

Diese Vereinbarung wurde auch wieder in den ab 1. Juli 2019 gültigen neuen Rahmen­vertrag über­nommen:

6 (1) Rahmenvertrag ab 1. Juli 2019

„Der Vergütungs­anspruch des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungs­gemäßer vertrags­ärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn […]

d) es sich um einen unbedeutenden, die Arznei­mittel­sicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden, insbesondere formalen Fehler handelt.“

Zudem hat jede GKV-Kasse nach wie vor das vertragliche Recht, auf eine Retaxation zu verzichten:

„Der Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn […]

c) die Krankenkasse im Einzelfall entscheidet, die Apotheke trotz eines derartigen Verstoßes ganz oder teilweise zu vergüten, […].“

Bleibt zu hoffen, dass diese Vertragsvereinbarung wenigstens diesmal mit Leben erfüllt wird, denn bisher konnten wir leider nicht feststellen, dass sie ihren Beitrag zur Entbürokratisierung geleistet hat. Ganz im Gegenteil: In regelmäßigen Abständen bemühen manche Mitgliedskassen ihres vertragschließenden Spitzenverbandes „Formfehler“, um Apotheken die Erstattung ihrer Versorgung zu verweigern. So auch im folgenden Fall:

Krankenkasse: AOK Hessen (IK 105313145)
Verordnung:Euthyrox 88 µg Eurimpharm TAB N3 100 St.
Abgabedatum:09.04.18

Zum Abgabezeitpunkt – und auch derzeit – war weder das verordnete noch ein anderes Importprodukt im Handel. Ein Austausch gegen ein Generikum kam aufgrund der Substitutionsverbotsliste ebenfalls nicht in Betracht. Somit blieb als einzige Abgabemöglichkeit nur die Abgabe des Erstanbieterpräparates der Firma Merck Serono GmbH.

Dieses hat die Apotheke auch mit Sonder-PZN und Begründung „kein Import im Handel“ auf der Verordnung vermerkt. Ein wirtschaftlicher oder therapeutischer Schaden war daher ausgeschlossen.

Dennoch wurde der Apotheke aufgrund einer nicht vertragsgemäß durchgeführten Rezeptkorrektur die Erstattung verweigert:

Der Grund für diese Retax war die „unzulässige Verwendung von Korrekturmitteln (Bsp. Tipp-Ex)“:

Falls in der Apotheke innerhalb des erlaubten Rahmens eine Verordnungs­korrektur durchgeführt werden muss, ist natürlich auch dieser Fall für die Apotheken in den „Technischen Anlagen zur Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittel­abrechnung gemäß § 300 SGB V“ seit 2012 genau geregelt:

300 SGB V

„Verwendung von Aufklebern: In den Fällen einer notwendigen Korrektur einer Fehlbe­druckung im so genannten Apothekenfeld (zum Apothekenfeld siehe „Verbindliches Muster“ im Anhang) […] kann die Apotheke das Apothekenfeld der Vorder­seite des Verordnungs­blattes mit einem Aufkleber-Etikett überdecken. Der Aufkleber ist von der Apotheke unten rechts über die Ecke des Aufklebers und gleichzeitig auf das Verordnungs­blatt gehend mit zu signieren (Handzeichen). Im Falle einer Verwendung nach Satz 1 Buchstabe b. wird der Aufkleber durch den Hash-Wert elektronisch signiert.“

Quelle: Anlage 2 der „Technischen Anlagen zur Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gemäß § 300 SGB V“

Dass die „technischen Anlagen“ auch Bestandteil unserer Arzneimittelversorgung sind, ist sowohl im Rahmenvertrag als auch in den regionalen Versorgungsverträgen erwähnt.

Da dort keine anderen Korrekturmittel als das vorgegebene Muster geregelt werden, wird das dort erwähnte Korrekturetikett als einzig zulässige Korrekturmöglichkeit angesehen:

Hinweis

Bitte beachten Sie die in der DAP Retax-Arbeitshilfe „Korrekturetiketten“ aufgeführten Voraussetzungen für die Verwendung dieses Korrekturaufklebers.

Dass diese Vereinbarung für die Apothekenpraxis keine große Hilfe ist, dürfte wohl jedem Praktiker klar sein, aber offenbar war es das Einzige, das man uns seit 2012 zugestanden hat.

Derzeit bleibt uns daher leider nur, die in der Arbeitshilfe genannten Voraussetzungen zu beachten und darauf zu hoffen, dass die Gespräche der LAV Hessen mit der AOK zu einer praktikableren Lösung führen.

Achtung

Falls Sie außerhalb des Taxfeldes Korrekturen vornehmen müssen und laut Vertrag auch dürfen, gilt immer der Grundsatz, dass kein Tipp-Ex oder andere Korrekturhilfen verwendet werden dürfen, die den ursprünglichen Eintrag für die Krankenkasse unlesbar machen. Der ursprüngliche Eintrag ist lediglich durchzustreichen und mit einer fallbezogenen handschriftlichen Bemerkung zu erläutern!

Dennoch empfiehlt es sich, auch in obigem Fall Einspruch einzulegen, falls Sie bereits von einer „Korrektur-Retax“ betroffen sind. So gehören Sie im Fall einer rückwirkenden Retax-Rücknahme zu denen, die eine Neuregelung noch nachträglich in Anspruch nehmen können.

Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum

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