Rezeptdruck vertauscht: beide Verordnungen auf null retaxiert

Schon der alte Rahmenvertrag enthielt in § 3 Abs. 1 die Regelung, dass eine Kasse von einer Retaxation absehen kann, wenn es sich um einen formalen Fehler handelt:

3 Abs. 1 Zahlungs- und Lieferanspruch

„Der Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn […]

  • die Krankenkasse im Einzelfall entscheidet, die Apotheke trotz eines derartigen Verstoßes ganz oder teilweise zu vergüten,
  • es sich um einen unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden, insbesondere formalen Fehler handelt. […]“

Diese Möglichkeit der GKV-Kassen wurde auch in den neuen Rahmenvertag übernommen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe c).

Aus dem Kommentar des Deutschen Apothekerverbandes (DAV):

6 Absatz 1 Satz 2 Buchstabe c Einzelfallentscheidung der Kasse

„Diese Regelung eröffnet der Krankenkasse die Möglichkeit, im Einzelfall auch dann von einer Beanstandung abzusehen, obwohl sie dazu gemäß vertraglicher Vorgabe berechtigt wäre, d. h. wenn keine Ausnahme nach Satz 2 des Rahmenvertrags einschlägig ist.

Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass Krankenkassen sich in der Vergangenheit häufig auf ihre Aufsichtsbehörde berufen haben, welche es untersage, auf Retaxationen zu verzichten, wenn kein Vergütungsanspruch entstanden sei. Dem stünde das Gebot ordnungsgemäßer Mittelverwaltung entgegen. Dieser Einwand ist künftig nicht mehr möglich. Die Krankenkassen können gemäß der Regelung unter dem dritten Spiegelstrich in jedem denkbaren Fall frei über die Unterlassung einer Beanstandung entscheiden mit der Folge, dass in diesem Fall der Vergütungsanspruch der Apotheke bestehen bleibt.“

Diese Vertragsvereinbarung wurde nach unserer Erfahrung von den GKV-Kassen weder im alten noch im neuen seit 01.06.2019 gültigen Rahmenvertrag ohne Einspruchsverfahren angewandt.

So auch im heutigen Retaxfall, bei dem weder der Krankenkasse ein finanzieller noch dem Patienten ein therapeutischer Schaden entstanden ist.

Rezept 1:

Kostenträger: AOK Bayern (IK 108310400)
Verordnung vom:14.02.2019
Verordnung einer Rezepturanfertigung über „Carbomedac 500 mg als Infusionslsg. zubereitet“ nach ärztlicher Anweisung

Da zeitgleich zwei Verordnungen für dieselbe Patientin und dieselbe Krankenkasse aus demselben MVZ vorlagen, wurde die erste Verordnung irrtümlich mit der zweiten in der Bedruckung vertauscht.

Rezept 2:

Eigentlich ein typischer Formfehler ohne jeden wirtschaftlichen oder therapeutischen Schaden, aber die AOK Bayern zog es vor, nicht die Möglichkeit des damaligen § 3 Rahmenvertag anzuwenden, sondern beide Verordnungen auf null zu retaxieren:

Retax Rezept 1:

Retax Rezept 2:

Dies konnte die betroffene Apotheke nicht akzeptieren und legte mehrfach Einspruch ein:

Gleichwohl war die AOK Bayern nicht bereit, diese Einsprüche anzuerkennen. Sie weist vielmehr auf die Sorgfaltspflicht der Apotheken hin und lehnt jede nachträgliche Korrektur ab. Selbst das Argument, dass bei Rezepturen mit Sonder-PZN der dahinterstehende Wirkstoff bei der Rezeptkontrolle nicht mehr erkenntlich ist, wurde nicht akzeptiert.

Bleibt nur noch lobend zu erwähnen, dass nicht alle AOK-Geschäftsstellen diese Auffassung vertreten. In unserem Retax-Newsletter vom 02.05.2019 konnten wir berichten, dass eine andere AOK einem Einspruch in einem ähnlichen Fall stattgab. Die damals betroffene AOK Nordwest nahm sich trotz ihres „Massengeschäfts“ die Zeit, den Einspruch der Apotheke zu prüfen und diesem stattzugeben.

Eine für uns Apotheken schwer erträgliche unterschiedliche Behandlung zweier identischer Sachverhalte zweier AOK-Kassen, aber offenbar sieht hier keiner der Verhandlungsführer Handlungsbedarf.

Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum

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