Rezeptbelieferung in Coronazeiten: Retax bei Arzneimittel der Substitutionsausschlussliste
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Auch in Coronazeiten müssen in der Apotheke die gesetzlichen und vertraglichen Abgaberegelungen mit zahlreichen Erleichterungen nach der SARS-CoV-2-AMVersVO eingehalten werden – das ist bekannt und soll natürlich auch die ordnungsgemäße Versorgung mit den richtigen Arzneimitteln gewährleisten.
Abweichungen davon werden durch die GKV per Retax geahndet – auch das ist bekannt. Daher sind Apotheken auch immer bemüht, die entsprechenden Vorgaben sorgfältig umzusetzen, gleichzeitig aber auch die Patienten zeitnah zu versorgen.
Der folgende Retaxfall zeigt, welchen Spagat Apotheken derzeit zwischen Bürokratie, Corona und Patientenversorgung tagtäglich machen müssen.
Der Fall:
Verordnet wurde am 11.08.20 „L-Thyrox HEXAL 25 µg 50 Tabl. N2 00811678“ zulasten der BAHN-BKK. Die Apotheke stellte fest, dass das Präparat nicht lieferbar war. Da der Wirkstoff zudem auf der Substitutionsausschlussliste steht, kam auch kein Austausch auf ein wirkstoffgleiches Präparat in Frage. Eine Nachfrage beim Hersteller bestätigte die Lieferprobleme, ein schriftlicher Nachweis darüber wurde der Apotheke ausgestellt.
Da es keine andere Abgabemöglichkeit für die Apotheke gab, versorgte sie den Patienten mit der 100er-Packung des verordneten Arzneimittels. Dies wurde auch per Sonder-PZN sowie handschriftlichem Vermerk „lt. Fa. Hexal 50 Tabl. bis auf Weiteres nicht lieferbar, Dauermed. 100 Tbl.“, abgezeichnet mit Datum und Kürzel, auf dem Rezept dokumentiert.
Dennoch erhielt die Apotheke im Nachgang eine Nullretax dieser Verordnung. Begründung:
„Falschabgabe, da verordnete Position nicht mit abgerechneter Position übereinstimmt (Substitutionsausschluss nach Anlage VII der AM-RL). Die Gesamtwirkstoffmenge ist überschritten.“
Welche Optionen hätte die Apotheke gehabt?
Doch welche Möglichkeiten hätte die Apotheke überhaupt gehabt, diese Verordnung „korrekt“ zu beliefern? Eine Variante wäre gewesen, das Rezept durch den Arzt ändern zu lassen. Für Ersatzkassen würde in solch einem Fall in Zeiten der Coronapandemie ausnahmsweise eine telefonische Rücksprache und die Änderung durch die Apotheke ausreichen. Dieser Vorgehensweise haben sich nicht alle Primärkassen angeschlossen, daher wäre in diesem Fall zu prüfen gewesen, was für die vorliegende BKK gilt.
Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, von der Teilmengenregelung der SARS-CoV-2-AMVersVO Gebrauch zu machen. Dazu hätte die Apotheke aus der 100er-Packung 50 Tabletten entnommen und den Preis der Packung voll abrechnen können. Die genaue Vorgehensweise ist in § 4 der Vereinbarung zur technischen Umsetzung der SARS-CoV-2-AMVersVO festgelegt:
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„Im Fall, dass die auf der Grundlage der ärztlichen Verordnung nach den Regelungen des Rahmenvertrages nach § 129 Abs. 2 SGB V auszuwählende Packungsgröße nicht lieferbar ist und entsprechend § 1 Absatz 3 Satz 4 Ziffer 3 und § 4 Absatz 3 SARS-CoV-2-AMVersVO eine Teilmenge abgegeben werden muss, gilt Folgendes:
- Bei der ersten Abgabe einer Teilmenge aus einer Arzneimittelpackung wird diese Packung unter Angabe der Pharmazentralnummer und des vollständigen Preises komplett abgerechnet und die entsprechende Zuzahlung erhoben. Die Apotheke trägt zusätzlich das Sonderkennzeichen 06461127 (Erstabgabe einer Teilmenge), im Feld ‚Faktor‘ den Wert ‚1‘ und im Feld ‚Taxe‘ den Betrag ‚0‘ auf.
- Bei weiteren Abgaben von Teilmengen aus dieser Packung ist die Pharmazentralnummer dieser Packung, im Feld ‚Faktor‘ der Wert ‚1‘ und im Feld ‚Taxe‘ der Betrag ‚0‘ aufzutragen. Zusätzlich ist das Sonderkennzeichen 06461133 (weitere Teilmengenabgabe) aufzutragen. Im Feld ‚Faktor‘ ist der Wert ‚1‘ anzugeben, im Feld ‚Taxe‘ ist der Betrag ‚690‘, entsprechend 5,80 Euro gemäß § 3 Abs. 6 AMPreisV zuzüglich Umsatzsteuer, anzugeben. Eine Zuzahlung ist zu erheben.“
Damit wäre es bei entsprechender Dokumentation nicht zu einer Retaxation gekommen, der bürokratische Aufwand für die Apotheke hätte sich jedoch bei beiden Vorgehensweisen nochmals erhöht.
Grundsätzlich ist die Krankenkasse hier mit ihrer Retax im Recht, da wie zuvor beschrieben die verordnete Gesamtmenge überschritten wurde. Dennoch lässt der Rahmenvertrag den Krankenkassen Spielraum beim Aussprechen einer Retax:
6 Zahlungs- und Lieferanspruch
„(1) Der durch Normverträge näher ausgestaltete gesetzliche Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht im Gegenzug für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Leistungspflicht mit Belieferung einer gültigen ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Verordnung in papiergebundener oder elektronischer Form. Der Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn […]
c) die Krankenkasse im Einzelfall entscheidet, die Apotheke trotz eines derartigen Verstoßes ganz oder teilweise zu vergüten […]“
Fazit
Die Apotheke hat in diesem Fall nicht leichtfertig gehandelt und versucht, den Patienten möglichst unkompliziert und schnell mit dem verordneten Mittel zu versorgen. Die Therapiesicherheit war nicht gefährdet, da es sich um eine Dauermedikation handelte. Ebenso handelte es sich nicht um eine unwirtschaftliche Abgabe. Dennoch müssen auch in solchen Fällen die Verträge berücksichtigt werden – das verdeutlicht diese Retax einmal mehr. Auch wenn Krankenkassen die Möglichkeit haben, die Apotheke trotzdem zu vergüten, wird dies leider in der Praxis erfahrungsgemäß wenn überhaupt nur äußerst selten vorkommen.
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