Retaxverbote gemäß ALBVVG und Rahmenvertrag – ein Überblick
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Mit dem ALBVVG, das die Apotheken nun seit 2 Wochen beschäftigt, wurden erstmals im SGB V Punkte vereinbart, in denen Retaxationen ausdrücklich nicht gestattet sind. Dies wird voraussichtlich eine große Erleichterung für Apotheken sein, vor allem, weil Retaxationen häufig erst viele Monate nach der Rezeptbelieferung eintreffen und bei ähnlichen „Wiederholungsfehlern“ bei Folgerezepten direkt noch mit weiteren retaxierten Rezepten zu rechnen war. Im Rahmenvertrag sind darüber hinaus schon seit 2019 verschiedene Punkte definiert, in denen der Apotheke trotz formaler Fehler eine Vergütung zusteht. Über diese Retaxverbote geben wir heute einen Überblick.
ALBVVG: neuer Absatz 4d in § 129 SGB V
Mit Absatz 4d werden seit Inkrafttreten des ALBVVG folgende Situationen genannt, in denen Retaxationen nun verboten sind:
- Die Dosierangabe fehlt auf der Verordnung.
- Das Ausstellungsdatum der Verordnung fehlt oder ist nicht lesbar.
- Die festgelegte Belieferungsfrist von Verordnungen wird um bis zu drei Tage überschritten (ausgenommen Entlassrezepte, BtM-Rezepte, T-Rezepte, Rezepte über oral einzunehmende Vitamin-A-Säure-Derivate für Frauen im gebärfähigen Alter).
- Die Abgabe des Arzneimittels erfolgt vor der Vorlage der ärztlichen Verordnung oder die Genehmigung fehlt bei Abgabe des Arzneimittels und wird erst nachträglich erteilt.
Im Folgesatz wird den bislang so einschneidenden Nullretaxationen Einhalt geboten, wenn Apotheken ohne Dokumentation von der Abgaberangfolge abweichen (Nichtabgabe eines Rabattarzneimittels oder eines preisgünstigen Arzneimittels ohne Begründung auf dem Rezept) oder Verfügbarkeitsanfragen nicht oder nicht vollständig durchgeführt wurden. Anstelle einer Nullretax wird die Abrechnung lediglich gekürzt, sodass die Apotheke zwar auf die Zuschläge laut AMPreisV verzichten muss, aber zumindest den EK erstattet bekommt. Dies stellt vor allem bei hochpreisigen Arzneimitteln eine deutliche Erleichterung dar.
Vereinbarungen in § 6 Rahmenvertrag
Im Rahmenvertrag gibt es bereits seit einigen Jahren Vereinbarungen, die vor allem Retaxationen aufgrund formaler Fehler einschränken sollen. Diese sind in § 6 („Zahlungs- und Lieferanspruch“) zu finden. So ist hier auch beispielsweise hinterlegt, dass Krankenkassen Apotheken im Einzelfall trotz eines Verstoßes ganz oder teilweise vergüten dürfen und dass ein Vergütungsanspruch auch dann besteht, wenn es sich um einen „unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden, insbesondere formalen Fehler handelt“.
Als Formfehler/unbedeutende Fehler, die bereits auf Grundlage des Rahmenvertrags nicht retaxiert werden dürfen, gelten demnach die unten aufgeführten Punkte. Dabei ist zu beachten, dass hier einige Punkte mit den Änderungen des ALBVVG hinfällig werden:
- Fehlerhafte Abkürzungen/Schreibfehler, wobei die Verordnung trotzdem unmissverständlich für die Apotheke ist
- Unleserliche Unterschrift (aber keine Paraphe/kein Kürzel)
- Unvollständige/Fehlerhafte Angaben nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 AMVV bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 3 bis 6 BtMVV, die nach Rücksprache mit dem Arzt korrigiert/ergänzt werden (dabei handelt es sich um die klassischen Formalien wie Arzt- und Patientenangaben sowie Angaben zum verordneten Mittel, die auf Rezepten erfüllt werden müssen)
➝ ALBVVG: Eine fehlende Dosierangabe bzw. ein fehlendes/unleserliches Ausstellungsdatum dürfen nicht retaxiert werden! - Fehlende/Unleserliche Arzt-Telefonnummer
- Unvollständige Arztdaten, wenn der Arzt trotzdem eindeutig erkennbar ist
- Fehlende Gebrauchsanweisung bei Rezepturen, die durch die Apotheke ergänzt wurde
- Wenn die Zuzahlung eingezogen wird, obwohl die Verordnung als gebührenfrei gekennzeichnet ist
- Wenn bei T-Rezepten die Kreuze zu den Sicherheitsvorgaben verrutscht, aber eindeutig zuzuordnen sind bzw. wenn diese Kreuze handschriftlich durch den Arzt gesetzt wurden
- Wenn bei BtM-Rezepten der Vermerk „i. V.“ fehlt, der Vertretungsfall aber durch die Unterschrift erkennbar ist
- Wenn ein verloren gegangenes Rezept erneut ausgestellt und abgerechnet wird
- Wenn ein Austausch zwischen Original und Import trotz gesetztem Aut-idem-Kreuz erfolgt
- Die Apotheke nimmt nur eine unvollständige Dokumentation auf dem Rezept hinsichtlich einer Abweichung von der Abgaberangfolge vor. Eine komplett fehlende Dokumentation kann im Beanstandungsverfahren nachgereicht werden.
➝ ALBVVG: In diesen Fällen ist keine Nullretax mehr erlaubt, sondern nur noch eine Kürzung auf den EK. Mit der Erlaubnis zur Korrektur kann die Apotheke aber Einspruch einlegen und die volle Vergütung erhalten. - Das Aut-idem-Kreuz ist handschriftlich gesetzt und die Apotheke gibt das verordnete Präparat ab.
- Die Apotheke gibt für eine nicht in § 8 geregelte Verordnung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten und unter Beachtung von Rabattverträgen bis zur verordneten Menge ab.
- Die Apotheke gibt ein vom Hersteller falsch normiertes Arzneimittel ab.
- Die Apotheke überschreitet die 28-Tages-Frist, dokumentiert aber ärztliche Rücksprache und Gründe für die Fristüberschreitung auf dem Rezept.
➝ ALBVVG: Eine Überschreitung um bis zu 3 Tage darf nicht geahndet werden (Ausnahmen dieser Regelungen hinsichtlich der Sonderrezepte beachten). - Die Apotheke gibt ein Arzneimittel anhand einer veralteten Krankenkassen-IK ab.
- Die Apotheke reicht eine Genehmigung nach.
➝ ALBVVG: Es sind keine Retaxationen aus diesem Grund gestattet.
Es zeigt sich, dass die neuen durch das ALBVVG vereinbarten Regelungen noch deutlich über die im Rahmenvertrag vorgesehenen Vereinbarungen hinausgehen und es damit zukünftig voraussichtlich zu weniger Retaxationen insgesamt und zu weniger einschneidenden Nullretaxationen kommen sollte. Dennoch sollten die gesetzlichen und vertraglichen Regelungen bei der Rezeptbelieferung natürlich weiterhin berücksichtigt und auf ordnungsgemäß ausgestellte Rezepte geachtet werden. Es wird auch weiterhin Retaxfallen geben, die – gemäß den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben zu Recht – zu einer Nullretax führen können (beispielsweise bei fehlender Arztunterschrift, falschem Austausch, falsch durchgeführten Rezeptkorrekturen usw.).
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