Achtung Retaxwelle: zunehmend Retaxierungen aufgrund fehlender Dosierung
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Aktuell erreichen uns immer mehr Berichte über Retaxierungen, die aufgrund fehlender Dosierung ausgesprochen werden. Dies ist mehr als ärgerlich, denn diese Vorgabe gilt nun schon seit dem 1. November 2020. Nachdem Ende September vergangenen Jahres die Friedenspflicht bezüglich der Dosierungsangabe für Ersatzkassen auslief, scheinen die Krankenkassen nun Ernst zu machen und die Rezepte dahingehend genau zu prüfen.
Hintergrund
Mit einer Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln, AMVV), die zum 1. November 2020 in Kraft trat, gehört die Dosierungsangabe bzw. ein Hinweis auf einen vorliegenden Medikationsplan zu den Angaben, die auf jedem Rezept über ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel vorzunehmen sind.
§ 2 Abs. 1 Punkt 7 der AMVV ist Folgendes zu entnehmen:
2 Abs. 1 Punkt 7 AMVV
„(1) Die Verschreibung muss enthalten: […]
die Dosierung; dies gilt nicht, wenn dem Patienten ein Medikationsplan, der das verschriebene Arzneimittel umfasst, oder eine entsprechende schriftliche Dosierungsanweisung einer verschreibenden Person vorliegt und wenn die verschreibende Person dies in der Verschreibung kenntlich gemacht hat oder wenn das verschriebene Arzneimittel unmittelbar an die verschreibende Person abgegeben wird […]“
Durch diese Vorgabe soll die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöht werden: Die Apotheke kann dem Patienten so die exakte Dosierung nochmals im Beratungsgespräch mitteilen oder diese beispielsweise auf der Arzneimittelpackung notieren. Sofern das Rezept nur einen Hinweis auf einen bereits vorliegenden Medikationsplan enthält, so ist zumindest sichergestellt, dass der Patient über seine Dosierung Bescheid weiß.
Vielfach bedienen sich Ärzte auch des Kürzels „Dj“ als Hinweis darauf, dass dem Patienten die Dosierung bekannt ist (schriftliche Dosierungsanweisung vorhanden: ja).
Nach nunmehr knapp anderthalb Jahren, in denen die Dosierungsangabe auf Rezepten Pflicht ist, sollte man eigentlich erwarten dürfen, dass Ärzte diese mehr oder weniger automatisch auf den von ihnen ausgestellten Rezepten aufbringen. Ebenso sollten Apotheken mittlerweile wie bei der Prüfung der übrigen Standard-Rezeptformalien wie Arztunterschrift und Ausstellungsdatum eine Routine auch hinsichtlich der Dosierung entwickelt haben.
Dennoch scheinen nach wie vor Rezepte ohne Dosierungsangabe in die Abrechnung zu gelangen und wenn dann eine Retax ins Haus flattert, stellt sich die Frage, ob hier noch eine Korrektur möglich ist.
Zunächst sei gesagt: Die Dosierung muss bis auf wenige Ausnahmen auf jedem Muster-16-Kassenrezept über ein Rx-Arzneimittel zu finden sein. Sie darf fehlen, wenn ein Arzneimittel zur direkten Verabreichung an den Arzt abgegeben wird oder wenn es sich um ein Rezept über Sprechstundenbedarf handelt. Wenn dem Patienten ein Medikationsplan oder eine schriftliche Dosierungsangabe ausgehändigt wurde, darf die exakte Dosierung ebenfalls fehlen, jedoch muss dann ein Hinweis auf diese Unterlagen auf dem Rezept vermerkt sein. Zudem gilt die Vorgabe streng genommen nur für verschreibungspflichtige Arzneimittel, denn darauf bezieht sich die AMVV. Jedoch ist die Dosierungsangabe natürlich im Hinblick auf die Therapiesicherheit auch bei OTC-Arzneimitteln, die auf Kassenrezept verordnet werden, empfehlenswert. Bei Rezepten über Rezepturen oder bei BtM-Rezepten gibt es analoge Vorgaben schon länger und auch hier ist bekannt, dass Fehler/Ungenauigkeiten in diesem Bereich leider häufig retaxiert werden.
Heilungsmöglichkeiten der Apotheke VOR der Abrechnung
Nach § 6 und § 6a der AMVV kann die Apotheke eine fehlende Dosierung im dringenden Fall auch ohne Rücksprache mit dem Arzt ergänzen. Ohne Arztrücksprache ist dies auch dann erlaubt, wenn der Hinweis auf einen vorliegenden Medikationsplan fehlt.
6 und § 6a AMVV
„(6) Fehlt das Geburtsdatum der Person, für die das Arzneimittel bestimmt ist, oder fehlen Angaben nach Absatz 1 Nummer 2, nach Nummer 5, zur Gebrauchsanweisung nach Nummer 4a oder zur Dosierung nach Nummer 7, so kann der Apotheker, wenn ein dringender Fall vorliegt und eine Rücksprache mit der verschreibenden Person nicht möglich ist, die Verschreibung insoweit ergänzen.
(6a) Fehlt der Vorname der verschreibenden Person oder deren Telefonnummer zur Kontaktaufnahme oder der Hinweis in der Verschreibung auf einen Medikationsplan, der das verschriebene Arzneimittel umfasst, oder eine schriftliche Dosierungsanweisung nach Absatz 1 Nummer 7, so kann der Apotheker auch ohne Rücksprache mit der verschreibenden Person die Verschreibung insoweit ergänzen, wenn ihm diese Angaben zweifelsfrei bekannt sind.“
Sofern eine Arztrücksprache möglich ist, ist dies wie auch bei den anderen Heilungsmöglichkeiten nach § 6 Abs. 2c Rahmenvertrag sicher sinnvoll.
Wichtig ist, dies vor der Abrechnung zu erledigen, denn eine Korrektur im Nachhinein wird oft nicht anerkannt.
Lohnt ein Einspruch überhaupt?
Ob ein Einspruch erfolgversprechend ist, hängt immer von der jeweiligen Situation ab. Folgende Punkte können für einen Einspruch auf eine Dosierungsretax geprüft bzw. als Argumente in Erwägung gezogen werden, je nachdem, wie die individuelle Situation aussieht:
- Handelte es sich um ein SSB-Rezept? Dann ist keine Dosierungsangabe erforderlich.
- Handelte es sich um ein Arzneimittel, das durch den Arzt anzuwenden ist? Auch dann ist keine Dosierungsangabe erforderlich.
- Handelte es sich um ein OTC-Arzneimittel? Streng genommen gilt die AMVV nur für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Sofern die einzelnen Lieferverträge nichts Näheres festlegen, wäre hier die Angabe einer Dosierung nicht zwingend erforderlich (jedoch durchaus empfehlenswert).
- Lag nachweislich ein Medikationsplan vor und fehlte nur der Hinweis darauf? Ggf. kann dann nach § 6 Abs. 1d damit argumentiert werden, dass es sich nur um einen unbedeutenden, formalen Fehler handelte, der weder die Arzneimittelsicherheit noch die Wirtschaftlichkeit der Versorgung tangierte:
„§ 6 Zahlungs- und Lieferanspruch
(1) Der durch Normverträge näher ausgestaltete gesetzliche Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht im Gegenzug für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Leistungspflicht mit Belieferung einer gültigen ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Verordnung in papiergebundener oder elektronischer Form. Der Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn […]
d) es sich um einen unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden, insbesondere formalen Fehler handelt.“ - Letztlich liegt es auch immer im Ermessen einer Krankenkasse, zu entscheiden, ob eine Retaxierung im Einzelfall verhältnismäßig ist. Der Rahmenvertrag erlaubt der Krankenkasse nach § 6 Abs. 1c demnach sogar, im Einzelfall eine Apotheke trotz eines Verstoßes dennoch ganz oder teilweise zu vergüten. Ob dieses Argument dann zählt, wenn viele Rezepte ohne Dosierungsangabe zur Abrechnung eingereicht wurden, bleibt die Frage – wenn es sich jedoch wirklich nur um ein Versehen der Apotheke handelt, könnte dies dennoch zur Argumentation herangezogen werden:
„§ 6 Zahlungs- und Lieferanspruch
(1) Der durch Normverträge näher ausgestaltete gesetzliche Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht im Gegenzug für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Leistungspflicht mit Belieferung einer gültigen ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Verordnung in papiergebundener oder elektronischer Form. Der Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn […]
c) die Krankenkasse im Einzelfall entscheidet, die Apotheke trotz eines derartigen Verstoßes ganz oder teilweise zu vergüten […]“
Fazit
Bei den derzeit anfallenden Retaxationen aufgrund von fehlenden Dosierungsangaben hätte eine sorgfältige Rezeptprüfung den Apotheken möglicherweise viel Ärger ersparen können. Darum sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Dosierungsangabe bzw. ein Hinweis auf einen vorliegenden Medikationsplan bei Rx-Arzneimitteln gemäß AMVV eine Pflichtangabe ist, die nun nach Auslaufen der Friedenspflicht auch retaxiert wird.
Daher ist eine sorgfältige Routine bei der Rezeptprüfung natürlich weiterhin empfehlenswert – nicht nur bei hochpreisigen, sondern bei allen Rezepten!
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