Retaxfalle Sprechstundenbedarf: Apotheke nachträglich in der Nachweispflicht?
Für die Belieferung von SSB-Rezepten gelten abseits des für normale Rezepte geltenden Rahmenvertrags eigene Grundsätze. Diese sind einerseits in den Sprechstundenbedarfsvereinbarungen der einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen und andererseits in den regionalen Lieferverträgen der Krankenkassen geregelt.
Nun wurde uns von einer Retax berichtet, bei der eine Prüfstelle aus dem Bereich Nordrhein beim Sprechstundenbedarf Rezepte moniert, deren Belieferung bereits knapp 4 Jahre (!) zurückliegt.
Doppelabrechnung ohne erbrachte Leistung unterstellt
In dem Schreiben an die Apotheke wurde moniert, dass die Apotheke im 3. Quartal 2020 zwei mit identischem Datum über identische BtM ausgestellte BtM-Rezepte abgerechnet hatte. Es wird seitens der Prüfstelle eine „Doppelabrechnung und somit eine Abrechnung einer nicht erbrachten Leistung“ angenommen und die Apotheke wird nun nach knapp 4 Jahren dazu verpflichtet, einen objektivierbaren Nachweis zu erbringen, dass die verordneten BtM zum damaligen Zeitpunkt auch tatsächlich an die Arztpraxis abgegeben wurden. Sollte die Apotheke dem nicht nachkommen, wird die kommende Abrechnung um den entsprechenden Betrag gekürzt.
Als rechtliche Grundlage wird in dem Schreiben an die Apotheke § 45 SGB I angeführt, in dem es um die Verjährung von Sozialleistungen geht:
45 Verjährung
„(1) Ansprüche auf Sozialleistungen verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind.
(2) Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß.
(3) Die Verjährung wird auch durch schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung oder durch Erhebung eines Widerspruchs gehemmt. Die Hemmung endet sechs Monate nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag oder den Widerspruch.“
Apotheke in der Nachweispflicht?
Obwohl der Vorgang nun schon so lange zurückliegt, hat die Apotheke versucht, die Belieferung nachträglich nachzuweisen. Allerdings sind die Lieferscheine nicht aussagekräftig genug, da die Apotheke die entsprechenden BtM immer an Lager hat, weil die anfordernde Praxis regelmäßig größere Mengen davon benötigt. Auch die BtM-Dokumentation kann auf Basis der rechtlichen Grundlage in der BtMVV nach drei Jahren vernichtet werden, daher konnten auch daraus keine Belege mehr gezogen werden.
Es bleibt die Frage, ob die Krankenkasse hier überhaupt nach so langer Zeit noch Beanstandungen aussprechen darf, denn diesbezüglich wird im entsprechenden Arzneiliefervertrag eindeutig eine kürzere Frist festgelegt:
Arzneiliefervertrag
„(1) Beanstandungen von abgerechneten Verordnungen müssen von den Krankenkassen oder den Rezeptprüfstellen gegenüber den Apotheken oder den Rechenzentren nach Anlage 4 innerhalb von 10 Monaten (12 Monaten beim Sprechstundenbedarf) nach Schluss des Quartals geltend gemacht werden, in dem die Datenträger und Verordnungen eingegangen sowie die Images bereitgestellt worden sind. […]“
Zwar wird eingeschränkt, dass die Frist unter Umständen nicht gilt, jedoch sollte die Apotheke davon ausgehen dürfen, dass diese Frist bindend ist – ansonsten würde ja über jeder Rezeptbelieferung im Sprechstundenbedarf noch nach Jahren das Damoklesschwert der Rechnungskürzung schweben.
Apotheke sollte Einspruch einlegen
Daher sollte die Apotheke nach unserer Einschätzung mit Hinweis auf diesen Abschnitt im regionalen Liefervertrag Einspruch einlegen und zudem darauf hinweisen, dass es gerade bei BtM-Rezepten gar nicht zu unbeabsichtigten „Duplikaten“ kommen kann, denn jedes BtM-Rezept trägt seine eigene BtM-Nummer. Dies ist auch im vorliegenden Fall eindeutig auf den Rezepten erkennbar: Es handelte sich um zwei eigenständige, anhand der BtM-Nummer voneinander zu unterscheidende BtM-Rezepte und nicht um „Dubletten“.
Wir hoffen, dass der Einspruch der Apotheke Erfolg hat und Apotheken nicht zukünftig in verspätete Nachweispflicht genommen werden, um lange zurückliegende, ordnungsgemäß abgelaufene Versorgungen nachträglich nachzuweisen! Falls Ihnen ähnliche Retaxationen zugestellt wurden, können Sie diese gerne an abgabeprobleme@extradeutschesapothekenportal.de senden – dann lässt sich auch erkennen, ob diese Art von Kürzung aktuell Schule macht.
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