Retaxfalle Ozempic-Verordnung

Ozempic-Verordnungen sorgen schon seit längerem für Wirbel in Apotheken – auf der einen Seite wird die Versorgung der Betroffenen durch Lieferengpässe erschwert, auf der anderen Seite öffnet der Hype um dieses Arzneimittel Rezeptfälschungen Tür und Tor. So ist es nicht verwunderlich, dass Apotheken in nicht wenigen Fällen Retaxationen beklagen, weil sie gefälschte Rezepte nicht erkannt haben/nicht erkennen konnten.

Keine Belieferung gefälschter Rezepte

Dass gefälschte Rezepte nicht beliefert werden dürfen, ist im Rahmenvertrag und auch in den Arzneilieferverträgen der Krankenkassen vereinbart. In § 7 Abs. 7 Rahmenvertrag lautet die Formulierung wie folgt:

7 Abs. 7 Rahmenvertrag

Gefälschte Verordnungen sowie Verordnungen auf missbräuchlich benutzten Arzneiverordnungsblättern oder missbräuchlich genutzte elektronische Verordnungen dürfen nicht beliefert werden, es sei denn, die Fälschung oder der Missbrauch waren bei Wahrung der erforderlichen Sorgfalt für die Apothekerin / den Apotheker nicht erkennbar.

Nun ist die Definition, was man als Fälschung hätte erkennen können, nicht klar umrissen und gefälschte Rezepte sehen oft täuschend echt aus. Hinweise auf eine Fälschung können sich anhand der Verordnung ergeben: So gibt es typische Arzneimittelgruppen wie Narkotika (Diazepam, Bromazepam, Z-Substanzen), Anabolika (Testosteron, Tamoxifen, Anastrozol), Psychopharmaka (Amitriptylin, Citalopram, Fluoxetin) oder starke Schmerzmittel, aber auch für Arzneimittel wie Ozempic ist bekannt, dass Rezeptfälschungen keine Seltenheit sind.

Neben dem Arzneimittel können Auffälligkeiten bei der einlösenden Person (in Eile, fahrig, unsicher) oder der Einlösezeitpunkt (stressige Stoßzeiten, ärztliche Rücksprache ist nicht möglich, also beispielsweise abends oder am Wochenende) Hinweise auf eine Fälschung geben.

Auch das Rezeptformular ist genau unter die Lupe zu nehmen: Fühlt sich das Papier anders an, gibt es weitere Auffälligkeiten? Möglicherweise gibt es Unstimmigkeiten bei den Patientendaten oder Arztpraxis und Wohnort des Einlösenden sind auffällig weit voneinander entfernt. Auch nicht übereinstimmende Angaben bei BSNR und LANR können auf eine Fälschung hindeuten.

Hinweise der AOK Nordost

Die AOK Nordost gab in einer Pressemitteilung Hinweise auf weitere potenzielle Fälschungsmerkmale:* „Den meisten Fälschungen ist gemein, dass die Diagnose explizit genannt wird, obwohl dies bei Arzneimittelverordnungen nicht vorgesehen ist. Außerdem wird entweder eine falsche oder gar keine Dosierung angegeben. Das Schriftbild auf den Rezepten ist oftmals nicht einheitlich. In vielen Fällen liegen Wohnort der Versicherten und Standort der verordnenden Arztpraxen sehr weit von den einlösenden Apotheken entfernt.“

Was muss die Apotheke erkennen?

Eine Apotheke berichtete uns kürzlich von zwei Ozempic-Retaxationen, bei denen leider die oben genannten Merkmale beinahe gänzlich zutrafen: Die Angabe des Kostenträgers war etwas größer als die Schriftart der restlichen Verordnung, als Diagnose war „Diabetes Mellitus Typ 2“ angegeben und als Dosierung war „>> 1 – 0 – 0 <<“ vermerkt. Die Rezepte wurden mehr als 100 Kilometer entfernt von den jeweils angegebenen Arztpraxen eingelöst. Eingelöst wurden beide Rezepte an einem Mittwoch.

Hinsichtlich der Diagnose sei an dieser Stelle erwähnt, dass diese bei Ozempic-Verordnungen auf Privatrezept nach den Hinweisen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aufgetragen werden muss, um die Versorgung von Menschen mit Typ-2-Diabetes abzusichern und Off-Label-Use (zur Gewichtsreduktion bei Nicht-Diabetikerinnen und -Diabetikern) zu verhindern. Wird eine Verordnung auf GKV-Rezept ausgestellt, ist die Angabe einer Diagnose nicht vorgesehen.

Die Krankenkasse retaxierte beide Rezepte mit der Begründung „Erkennbar gefälschte Verordnung“ auf null. Ein Einspruch der Apotheke wurde zurückgewiesen und es wurde zudem darauf hingewiesen, dass auch die Vorlage der Verordnungen als Papierrezept (und nicht wie eigentlich erforderlich als E-Rezept) einen Fälschungsverdacht hätte erhärten können. Zumindest das letzte Argument sollte nicht zu sehr ins Gewicht fallen, denn bekanntermaßen werden weiterhin viele Papierrezepte ausgestellt – darauf hat die Apotheke keinen Einfluss. Auch die weite Entfernung zwischen Praxis und Einlöseort war für die Apotheke plausibel, denn gerade im Großraum rund um eine Großstadt sind weite Wege keine Seltenheit.

Insgesamt ist festzuhalten, dass die Kürzung der Krankenkasse in diesem Fall wohl zu Recht erfolgte, auch wenn die Fälschungsindizien im Einzelnen für die Apotheke schwer erkennbar sind – vor allem im hektischen Betrieb des Apothekenalltags. Allerdings zeigt dieser Fall, dass Apotheken bei Ozempic-Verordnungen offensichtlich besser einmal zu viel in der angegebenen Arztpraxis nachhaken als einmal zu wenig, vor allem bei Nicht-Stammkundinnen und -kunden.

* Pressemitteilung der AOK Nordost „AOK Nordost warnt vor Rezeptfälschungen“ vom 07.05.2024, https://www.aok.de/pp/nordost/pm/rezeptfaelschungen/

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