Retaxfalle Jumbopackung

Die meisten Arznei­mittel sind auf Basis der enthaltenen Menge in der Packungs­größen­ver­ordnung einem definierten N-Bereich zugeordnet. Fällt die Menge nicht in einen Norm­bereich, so wird auch kein N-Kenn­zeichen ver­geben. Werden Arznei­mittel ohne N-Kenn­zeichen für Versicherte zulasten einer GKV ver­ordnet, so sollte in der Apotheke erhöhte Auf­merk­sam­keit herrschen: Solange die Menge zwischen zwei N-Bereichen oder unter­halb des N1-Bereiches liegt, ergibt sich kein Problem und die nach Stück­zahl ver­ordnete Menge ist abgabe­fähig. Wurde jedoch eine Packung ver­ordnet, deren Menge oberhalb des Nmax-Bereiches liegt, handelt es sich um eine Jumbo­packung. Diese dürfen nicht zulasten der GKV abge­geben werden.

Retax einer Jumbopackung

Wird eine Jumbo­packung zulasten der GKV abge­rechnet, so ist in der Regel eine Retax die Folge. Dies musste auch eine Apo­theke erfahren, die auf eine Ver­ordnung über „Ginoring 0,120 mg/0,015 mg pro 24 h vaginales WFS 6 St.“ das aut-idem-konforme Präparat „Cyclelle 120 µg/15 µg pro 24 Stunden Vaginal­ring 6 Stück“ abgab. Diese Packungs­größe trägt keine Normierung, als N3-Packung ist eine Packung mit 3 Stück im Handel. Nach der Ein­ordnung in die Packungs­größen­ver­ordnung ist die 6er-Packung eine Jumbo­packung.

Es folgte eine Retax mit Verweis auf § 31 Abs. 4 SGB V, der die Abgabe von Jumbo­packungen auf Kosten der GKV aus­schließt:

31 Abs. 4 SGB V

„Das Nähere zu therapie­gerechten und wirtschaft­lichen Packungs­größen bestimmt das Bundes­ministerium für Gesund­heit durch Rechts­ver­ordnung ohne Zu­stimmung des Bundes­rates. Ein Fertig­arznei­mittel, dessen Packungs­größe die größte der auf Grund der Ver­ordnung nach Satz 1 bestimmte Packungs­größe über­steigt, ist nicht Gegen­stand der Ver­sorgung nach Absatz 1 und darf nicht zu Lasten der gesetz­lichen Kranken­ver­sicherung abge­geben werden.“

Das Verbot zur Abgabe von Jumbo­packungen ist zusätz­lich auch in § 8 Abs. 2 Rahmen­vertrag ver­ankert:

8 Abs. 2 Rahmenvertrag

„Ein Fertig­arznei­mittel, dessen Packungs­größe die größte der auf Grund der Ver­ordnung nach § 31 Absatz 4 Satz 1 SGB V bestimmte Packungs­größe über­steigt, ist nicht Gegen­stand der Ver­sorgung nach § 31 Absatz 1 SGB V und darf nicht zu Lasten der gesetz­lichen Kranken­ver­sicherung abge­geben werden.“

An dieser Retaxation ist daher nicht mehr zu rütteln, aber die Apo­theke fragt sich, wie zukünftig mit ähnlichen Ver­ordnungen umzu­gehen ist.

Regelfall: neue Verordnung erforderlich

Im Regel­fall ist eine neue Ver­ordnung erforder­lich. Ein Stückeln mit mehreren kleineren Packungen oder das Kürzen auf die Menge des Nmax-Bereiches (im vor­liegenden Fall auf eine N3) sowie eine Rezept­änderung durch die Apotheke nach ärztlicher Rück­sprache sind ver­traglich nicht vorge­sehen, wenn eine Jumbo­packung ver­ordnet wurde.

Eine Aus­nahme besteht aller­dings für den Akut­fall oder den Not­dienst, wenn keine ärztliche Rück­sprache möglich ist. Dann sieht der Rahmen­vertrag in § 17 Folgendes vor:

17 Rahmenvertrag

„Macht ein dringender Fall die unver­zügliche Abgabe eines Fertig­arznei­mittels erforderlich und ist eine Rück­sprache mit dem verordnenden Arzt nicht möglich, gilt: […]

7. Überschreitet die nach Stück­zahl ver­ordnete Menge die größte für das Fertig­arznei­mittel fest­gelegte Mess­zahl, ist nur die nach der geltenden PackungsV aufgrund der Mess­zahl bestimmte größte Packung, ein Viel­faches dieser Packung, jedoch nicht mehr als die verordnete Menge abzu­geben oder die der verordneten Menge nächst­liegende kleinere vorrätige Packungs­größe. § 8 Absatz 1 gilt.“

Ist im dringenden Fall also eine Jumbo­packung zulasten einer GKV ver­ordnet, darf eine Packung, die dem größten definierten Norm­bereich entspricht, oder ein Vielfaches dieser Packung abge­geben werden, jedoch nicht mehr als die verordnete Menge. Alternativ kann die der verordneten Menge nächst­liegende kleinere vorrätige Packungs­größe abge­geben werden.

Teilweise können in Regional­liefer­verträgen weiter­gehende Regelungen dazu vereinbart sein, dies sollten Apotheken jeweils prüfen.

Um Retaxationen zu vermeiden, sollten Individual­verordnungen über Jumbo­packungen nicht auf GKV-Kosten abge­rechnet werden.

Ausnahmen bestätigen die Regel

In Ausnahme­fällen kann es jedoch vor­kommen, dass Jumbo­packungen abgerechnet werden können: Zum einen wurde mit dem ALBVVG im Hinblick auf die anhaltenden Liefer­eng­pässe festgelegt, dass Apotheken bei Nicht­verfügbarkeit „von der Packungs­größe, auch mit einer Überschreitung der nach Packungs­größen­ver­ordnung maß­geblichen Mess­zahl“, von der ärztlichen Ver­ordnung ab­weichen dürfen. Wären also im vor­liegenden Fall zwei Packungen einer N3 ver­ordnet gewesen und weder diese noch die Aut-idem-Alternativen liefer­bar, so hätte die Apotheke auf Basis von § 129 Abs. 2a SGB V die Jumbo­packung mit ent­sprechender Dokumentation abrechnen dürfen.

Eine weitere Ausnahme stellt der Sprech­stunden­bedarf dar. Da in diesem Bereich der Rahmen­vertrag nicht wirk­sam ist und das allgemeine Wirtschaftlich­keits­gebot gilt, sehen die Sprech­stunden­bedarfs­ver­ordnungen in der Regel vor, dass aus wirtschaft­lichen Gründen auch Jumbo­packungen verordnet und abge­rechnet werden können.

In allen anderen Fällen – also vor allem bei Individual­ver­ordnungen auf Muster-16-Rezepten – stellt die Abgabe und Ab­rechnung einer Jumbo­packung einen Retax­grund dar.

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