Retaxationen zu Rezeptfälschungen nehmen zu!
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Wir hatten erst kürzlich über die Zunahme von Retaxationen zu Rezeptfälschungen berichtet. Einige Kolleginnen und Kollegen hatten sogar zu diesem Zeitpunkt bereits das DAP Forum kontaktiert. Über deren Retaxationen konnten wir allerdings noch nicht berichten, da die betroffenen Apotheken erst die Reaktionen der Retaxzentren auf die bereits laufenden Einsprüche abwarten wollten.
Da die gegenwärtig üblichen Vertragsvorgaben – ohne nähere Bestimmungen (!) – den Prüfstellen eine eigene Auslegung ermöglichen, zum Beispiel, wann ein Missbrauch, ein Fälschungsverdacht oder eine tatsächliche Fälschung vorliegen könnte, haben die Apotheken jedoch kaum Möglichkeiten, sich erfolgreich gegen derartige Retaxationen zu wehren.
Ein Beispiel:
3 (11) ALV Bayern
„Gefälschte Verordnungen oder Verordnungen auf missbräuchlich benutzten Verordnungsblättern dürfen nicht beliefert werden, wenn die Fälschung oder der Missbrauch bei Wahrung der erforderlichen Sorgfalt erkennbar war.“
Weder das Maß der erforderlichen Sorgfalt noch die Frage der „Erkennbarkeit“ von Fälschungen oder Missbrauch bei Anwendung dieser erforderlichen Sorgfalt im üblichen Apothekenbetrieb sind durch Kriterien für die retaxierten Apotheken „greifbar“. Daher wundert es nicht, wenn, wie in unserem ersten Retax-Beispiel, teilweise Rezeptaufdrucke als angebliche Fälschungskriterien angeführt werden, die sehr häufig in Apotheken auftauchen und eine Flut von Rückfragen und Versorgungsverzögerungen zur Folge haben. Dennoch wurde auch in diesem Fall der Einspruch der retaxierten Apotheke abgelehnt.
Es gibt aber auch Retaxationen, die sich auf bereits bekannte „Fälschungsindizien“ beziehen und deren Beachtung und eine entsprechende Rücksprache den betroffenen Apotheken mitunter sehr hohe Retaxsummen erspart hätten. Eines dieser Beispiele ist der vierstellige Eindruck des Geburtsjahres des angeblichen Patienten, der in den meisten Fällen nur zweistellig aufgedruckt wird.
Der Retaxfall:
Die Nichtbeachtung des vierstelligen Geburtsjahres führte letztlich unter anderem zu einem Abzug in Höhe von „schmerzhaften“ 4778,51 Euro:
Auf dieser Verordnung wurden von der Krankenkasse insbesondere die nachfolgenden „Fälschungsindizien“ beanstandet. Zudem weist sie darauf hin, dass alle beanstandeten Fälschungsmerkmale vom Apothekerverband der Apotheke bereits in einem Rundschreiben zu diesem Thema mitgeteilt wurden (Die Einwendungen der Apotheke in „kursiver“ Schrift darunter):
1. Die BSNR auf der Verordnung beginnt mit „40“, was laut Mitteilung der Krankenkasse auf eine Arztpraxis in Hessen (Frankfurt) hinweisen würde. Die Anschrift des Arztes ist jedoch mit einer Adresse außerhalb Hessens angegeben, nämlich Niedersachsen (Göttingen).
„Die von Ihnen als „Hauptmerkmal“ für eine Fälschung herangezogene BSNR kann von uns überhaupt nicht auf regionalen Bezug geprüft werden, da die Apothekensoftware die dazu notwendigen Voraussetzungen nicht bietet.“
2. Das Geburtsdatum des Patienten ist auf der beanstandeten Verordnung vierstellig angegeben.
Die Apotheke weist anhand von beigefügten Rezeptkopien nach, dass Geburtsdaten durchaus nicht immer zweistellig angegeben werden.
3. Die Schreibweise des Status und die Angabe der Versicherungsdauer ist inzwischen unüblich.
„[…] angeblich auf Fälschungen hindeutenden Merkmale wie Schreibweise des Geburtsjahres, des Status und der Angabe zur Gültigkeitsdauer der KV-Karte. Wie ich bereits ausführte, werden all diese Formalien von den Ärzten höchst „individuell“ gehandhabt und wir erhalten täglich mehrere Varianten.“
Die Einwände der Apotheke wurden jedoch nicht anerkannt und zudem handelt es sich bei Norditropin (Somatropin) um ein Medikament mit hohem Missbrauchspotential. Dies kann bereits auf eine Rezeptfälschung hinweisen.
In Verbindung mit den oben genannten Merkmalen hätte sich eine Fälschung zumindest vermuten lassen. Daher hätte die Belieferung dieser Verordnung vor der Versorgung gemäß § 17 ApBetrO mit dem Arzt abgeklärt werden müssen. Wenn dies – wie hier – angesichts der verspäteten Rezeptvorlage außerhalb der ärztlichen Dienstzeiten nicht möglich ist („noctu 22:23 Uhr“), muss notfalls leider auch eine Verzögerung der Versorgung in Kauf genommen werden:
Ich möchte hier aus verständlichen Gründen nicht nochmals alle bis dato bekannten Indizien nennen, die auf eine Fälschung hinweisen könnten. Folgende DAP Retax-Arbeitshilfe macht Apothekenteams mit den wichtigsten Fälschungsindizien vertraut:
Nicht akzeptabel sind jedoch Retaxformulierungen mit „Verdacht“ auf Missbrauch:
Die Prüfstellen sollten in jedem Retaxfall nachweisen müssen, dass es sich tatsächlich um eine missbräuchlich benutzte Verordnung gehandelt hat.
In einem Urteil des LSG Celle AZ L 1/4 KR 47/13 (S 16/KR 148/11 Sozialgericht Lüneburg) erinnerte das Gericht in einem anderen Fall die beteiligten Parteien:
„Rechte und Pflichten des Apothekers ergäben sich u. a. aus dem nach § 129 Abs. 1 SGB V abzuschließenden Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung."
„Die Beteiligten hätten es durch ihre Spitzenverbände in der Hand, die vertraglichen Abgabe- und Abrechnungsregeln zu ändern, denn sie könnten die Bedingungen des sie bindenden Vertragswerks im Rahmen des § 129 SGB V selbst gestalten."
Daran sollten wir uns in Zukunft erinnern, denn die Missbrauchsfälle werden immer professioneller und nehmen zu.
Bis wir hier greifbare „Fälschungsindizien“ haben – die natürlich nur den Fachkreisen zugänglich gemacht werden sollten – müssen wir auch „normale Rezepte“ besonders sorgfältig prüfen und nicht nur BtM-Verordnungen. Denn leider lassen sich – dank Internetbörsen – mittlerweile auch Medikamente zu Geld machen, die eigentlich kein Missbrauchspotenzial haben.
Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum
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