Retaxationen als „Abschiedsgeschenk“ nach Apothekenschließung
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Formretaxationen kommen leider auch nach dem neuen Rahmenvertrag nach dem Schiedsvertrag vom Juni 2016 immer wieder vor.
Besonders übel ist es, wenn einer Apotheke, die aufgrund der gegenwärtigen Rahmenbedingungen ihre Apotheke aufgeben musste, zum „Abschied“ noch fünf Monate nach der Schließung Cannabis-Rezeptur-Retaxationen von bisher circa 3.000 Euro präsentiert werden.
Erschwerend kommt in diesem Fall hinzu, dass der Apothekerverband es zunächst ablehnte, die Interessen der Apotheke noch zu vertreten, da die Retaxationen erst nach Kündigung der Verbandsmitgliedschaft eintrafen. Stattdessen wurde der Rat gegeben, bei Apothekenschließung erst im Folgejahr zu kündigen.
Nachfolgend zwei Beispiele der gemeinsam erhaltenen AOK-Retaxationen:
Retaxbeispiel 1: Nach Ansicht der AOK zu hohe Rezepturabrechnung
Krankenkasse: | AOK Bayern (IK 108310400) |
Verordnung: | Dronabinol Tropfen 9,5 g NRF 22.8 |
Abgabedatum: | 28.09.17 |
Bei dieser Rezepturanfertigung wurde die laut Krankenkasse zu hohe Preisberechnung gekürzt.
Die Preisberechnung (nach Ansicht der Krankenkasse zu hohe Preisberechnung durch Verwendung eines für diesen Zweck eigens hergestellten Rezeptur-Herstellungs-Sets) ist jedoch nicht Gegenstand des heutigen Newsletters, da es – wie im Handelsrecht üblich – bei falschen Rechnungsstellungen natürlich auch einer Krankenkasse möglich sein muss, innerhalb der gesetzlichen Fristen des Handelsrechts zu reklamieren.
Zusätzlich wurden auch alle Verordnungen auf Null gekürzt, wenn ein „A“ zur Höchstmengenüberschreitung erforderlich gewesen wäre.
Krankenkasse: | AOK Bayern (IK 108310400) |
Verordnung: | Dronabinol Tropfen 25 mg/ml 50 ml NRF 22.8 |
Abgabedatum: | 13.10.17 |
Nun gibt es bei Dronabinol-Rezepturen durchaus Gründe, die gegen eine Nullretaxation wegen eines fehlenden Buchstaben „A“ sprechen:
- Im Gegensatz zu „normalen" BtM-Verordnungen ist jede Dronabinol-Verordnung vom Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) ausdrücklich auf ihre Verordnungs- und Erstattungsfähigkeit geprüft. Als Bestandteil einer erteilten Genehmigung werden auch die benötigte und geprüfte Einnahmehäufigkeit und die Einzeldosierung genannt.
Es macht daher keinen Sinn, den Apotheken – bei Einhaltung dieser Versorgungsauflagen – nachträglich wegen einer angeblichen Höchstmengenüberschreitung die Erstattung zu verweigern. - Keine Retaxation, wenn kein Schaden! So müsste die Kurzfassung in einer künftigen Rahmenvertragsvereinbarung lauten, denn alles andere führt nur dazu, den gegenwärtigen Retaxzustand durch immer neue Interpretationen beizubehalten.
Der Schlüsselsatz des neuen § 3 Rahmenvertrag lautet, dass der Vergütungsanspruch des Apothekers „trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann [entsteht], wenn es sich um einen unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit nicht wesentlich tangierenden, insbesondere formalen Fehler handelt.“
Nun mag man bei einer normalen BtM-Verordnung durchaus diskutieren, ob es sich bei einem ärztlicherseits fehlenden „A“ noch um einen „unbedeutenden Fehler“ handelt. Bei einer vom MDK ausführlich geprüften und genehmigten Dronabinol-Verordnung darf die Apotheke aber wohl davon ausgehen, dass ein fehlendes „A“ bei einer der Genehmigung entsprechenden Verordnung lediglich einen „Formfehler“ darstellt.
Diese Auffassung findet sich auch im Kommentar zum Rahmenvertrag § 3 wieder:
„Die Regelung ermöglicht es, in ergänzenden Verträgen nach § 129 Absatz 5 SGB V, über die im Rahmenvertrag nach § 129 Absatz 2 SGB V aufgeführten Ausschlüsse von Beanstandungen hinaus, das Entstehen des Vergütungsanspruchs der Apotheke vorzusehen. Auch Fehler, die in Satz 2 nicht explizit angesprochen werden, können demnach unbeachtlich sein.
Ein ergänzender Vertrag könnte etwa [...] vorsehen, dass Beanstandungen auch dann unterbleiben, wenn die Apotheke bei Abgabe eines Betäubungsmittels das Fehlen ärztlicher Angaben gemäß § 9 BtMVV übersieht. Zu denken wäre hier beispielsweise an die Buchstaben „A“ gemäß § 2 Absatz 2 Satz 2 oder „S“ gemäß § 5 Absatz 4 BtMVV."
- Die Apotheke hätte sogar nach § 3 (1) 3 des Rahmenvertrags die Möglichkeit, ein fehlendes „A" nach Rücksprache mit dem Arzt zu ergänzen. Dies muss jedoch vor der Abgabe geschehen.
- Zudem gefährdet in diesem Fall ein ärztlicherseits vergessenes „A“ weder die Arzneimittelsicherheit noch entsteht der Krankenkasse hierdurch ein wirtschaftlicher Schaden.
- Schließlich gibt es auch keine Verpflichtung für die Krankenkassen mehr, in jedem Fall zu retaxieren.
Auszug aus dem Kommentar zum Rahmenvertrag des DAV:
Spiegelstrich 3 Einzelfallentscheidung der Kasse
„Diese Regelung eröffnet der Krankenkasse die Möglichkeit, im Einzelfall auch dann von einer Beanstandung abzusehen, obwohl sie dazu gemäß vertraglicher Vorgabe berechtigt wäre, d. h. wenn keine Ausnahme nach Satz 2 des Rahmenvertrags gegeben ist. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass Krankenkassen sich in der Vergangenheit häufig auf ihre Aufsichtsbehörde berufen haben, welche es untersage, auf Retaxationen zu verzichten, wenn kein Vergütungsanspruch entstanden sei. Dem stünde das Gebot ordnungsgemäßer Mittelverwaltung entgegen. Dieser Einwand ist künftig nicht mehr möglich. Die Krankenkassen können gemäß der Regelung unter dem dritten Spiegelstrich in jedem denkbaren Fall frei über die Unterlassung einer Beanstandung entscheiden mit der Folge, dass in diesem Fall der Vergütungsanspruch der Apotheke bestehen bleibt.“
Fazit
- Die Krankenkasse hätte also genügend Möglichkeiten, zumindest bei den besonders geprüften und mit Auflagen versehenen Dronabinol-Verordnungen auf Retaxationen zu verzichten.
- Natürlich sollte – wie im Handelsrecht üblich – künftig auch im Apothekenbereich das Verursacherprinzip gelten.
- Zudem sollte auch eine klare Vereinbarung getroffen werden, dass nach Apothekenauflösungen nachträglich nur noch Retaxationen zugestellt werden dürfen, bei denen ein finanzieller Schaden entstanden ist und die somit rechnungsähnlich den Vorschriften im Handelsrecht entsprechen.
Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum
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