Retax weil Patient stationär aufgenommen wurde

Dem gesetzlichen Auftrag entsprechend hatten die Spitzenverbände der GKV-Kassen und der Apothekerschaft zum 1. Juni 2016 einen neuen Rahmenvertag vereinbart, der zu einer künftig entbürokratisierten, problemloseren Patientenversorgung mit weniger Form-Retaxationen führen sollte. Wer auf Apotheker- und Patientenseite gehofft hatte, dass dieses Ziel auch durch ein entsprechend gemäßigtes Retaxverhalten realisiert würde, muss leider zur Kenntnis nehmen, dass dies von manchen Krankenkassen nicht umgesetzt wurde. Betrachtet man die Retaxationen der letzten 10 Monate, so hat man leider den Eindruck, dass nur die Retaxfälle zurückgingen, die im Rahmenvertrag ausdrücklich und interpretationssicher erwähnt werden. Alles was dort – vorbehaltlich einer künftigen regionalen Regelung – noch nicht schriftlich festgehalten wurde, wird selbst dann nicht anerkannt, wenn es sich nur um Formfehler ohne wirtschaftlichen oder arzneilichen Nachteil handelt, weil es sich aus Sicht der Kassen nicht „nicht um einen Ausnahmetatbestand nach § 3 Rahmenvertrag handelt“.

Weil einige der bisherigen Retaxmöglichkeiten durch den neuen Rahmenvertrag etwas reduziert wurden, sind manche Rezeptprüfstellen offenbar auf der Suche nach neuen Retaxmöglichkeiten. Wie das folgende Beispiel zeigt, scheut man dabei auch nicht davor zurück, Sachverhalte zu retaxieren, die hellseherische Fähigkeiten erfordern würden, da sie den Apotheken nicht bekannt sind und von diesen weder beeinflusst noch kontrolliert werden können.

Versorgt wurde ein Versicherter der IKK classic Ludwigsburg (IK 108001963) vertragsgemäß und unverzüglich am Tag der Verordnung (18. Februar 2016) mit folgenden Arzneimitteln: 

 Omeprazol Ratio 40 mg 30 St.  PZN 02559929 
 Penhexal 1,5 Mega N1  PZN 08541391 
 Noxafil 100 mg 24 St. MSD   PZN 08764872

Dennoch wurde der Apotheke diese Versorgung erstaunlicherweise nicht bezahlt, weil die Rezeptprüfstelle angeblich „Fehler festgestellt“ hatte:

Da die Retaxationsschreiben als Massenvordrucke nach wie vor keine individuellen Begründungen enthalten, musste die Apotheke diese der kaum lesbaren Imagekopie entnehmen.

Die Apotheke soll nach Meinung der IKK classic hier auf die Erstattung ihrer unverzüglichen und auch noch ca. 4 Wochen vorfinanzierten Versorgung in Höhe von 1146 Euro verzichten, weil der Patient offenbar unmittelbar nach der Rezeptversorgung ins Krankenhaus aufgenommen werden musste: „Abgabe während stationärer Behandlung (Vollabsetzung)“!

Gäbe es eine Top-Liste unbegründeter Retaxationen, würde diese Retax zweifellos einen Spitzenplatz belegen!

Die Apotheke hat eine „ordnungsgemäße Verordnung“ erhalten, diese vertragsgemäß und unverzüglich gemäß ihrem gesetzlichen Kontrahierungsgebot versorgt – und dennoch verweigert die Krankenkasse ihr die Erstattung, weil der Patient offenbar noch am gleichen Tag stationär aufgenommen werden musste. Wenn jemand von dieser stationären Einweisung Kenntnis hatte, dann nur der einweisende Arzt, nicht aber die retaxierte Apotheke! Zudem gibt es in der Apothekenpraxis auch Fälle, bei denen der Patient seine Medikation mit ins Krankenhaus bringen soll.

Für dieses Vorgehen gibt es keine gesetzliche oder vertragliche Grundlage! Oder sollen die Apotheken künftig bei jeder ordnungsgemäßen IKK-classic-Verordnung vor der Abgabe durch Rundrufe bei Ärzten, Sanitätsdiensten und umliegenden Kliniken überprüfen, ob der Versicherte der IKK classic bereits stationär aufgenommen wurde oder eine Aufnahme bis 24:00 Uhr des Rezeptvorlagetages geplant ist?

Wäre dieses Retaxverhalten rechtlich oder vertraglich legitimiert, wäre dies das Ende jeder Rezeptversorgung, da jede Krankenkasse jeder Versorgung die Erstattung verweigern könnte, indem sie – noch dazu ohne jeden Nachweis – folgende Behauptung aufstellte: „Abgabe während stationärer Behandlung (Vollabsetzung)“!

Hier ist die Rezeptprüfung der IKK classic weit über das Ziel hinausgeschossen und daher ist diese Retaxation unverzüglich zurückzunehmen. Wir werden notfalls nochmals über den Fortgang dieser unerfreulichen Angelegenheit berichten.

DAP – Retaxforum – Dieter Drinhaus

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