Retax wegen unwirtschaftlicher Importabgabe

Zur wirtschaftlichen Versorgung sind alle Leistungs­erbringer der gesetzlichen Kranken­kassen verpflichtet. Dies ergibt sich im Grundsatz hauptsächlich aus dem § 12 SGB V, der als regelungs­bedürftiges Rahmenrecht in den Arzneimittel-Richtlinien des G-BA, dem Rahmen­vertrag zwischen Apotheken und GKV-Kassen und den Arzneimittel-Liefer­verträgen näher definiert wurde. Dennoch nehmen sich manche Kranken­kassen das Recht, auch ohne nähere konkretisierende Vertrags­vorschriften jede für sie unwirtschaftliche Versorgung zu retaxieren.

So auch in unserem heutigen Retaxfall:

Krankenkasse: BARMER
Verordnet:Inegy 10 mg/40 mg TAB 100 St. N3 EMRA 11022370 mit Aut-idem-Kreuz
Verordnungsdatum:29.01.19
Retaxiert am:15.08.19

Verordnet wurde mit Substitutionsverbot (Aut-idem-Kennzeichnung).
Ein vorrangiger Rabattvertrag bestand zum Abgabezeitpunkt zwar für Generika, diese konnten aber aufgrund des Aut-idem-Kreuzes nicht abgegeben werden. Die Apotheke gab auf dieses Rezept wie verordnet den Import ab.

Nach dem damals und aktuell gültigen vdek-Vertrag galt:

4 Abs. 8 vdek-Vertrag

Wenn zum Zeitpunkt der Vorlage der Verordnung das verordnete Importarzneimittel nicht lieferbar ist und ein anderes Importarzneimittel, das nicht teurer ist als das verordnete, nicht lieferbar ist, ist die Apotheke berechtigt, ein höherpreisiges Importarzneimittel oder das Originalarzneimittel abzugeben. Hierzu hat sie vor der Abgabe Rücksprache mit dem verordnenden Arzt zu halten, auf dem Verordnungsblatt die Rücksprache mit dem Arzt zu dokumentieren und das Sonderkennzeichen „Nichtverfügbarkeit“ (02567024) aufzudrucken. Auf Nachfrage hat die Apotheke die Nichtverfügbarkeit des verordneten Importarzneimittels nachzuweisen. Steht in diesen Fällen ein entsprechendes Rabattvertragspartnerpräparat zur Verfügung, so ist dieses bevorzugt abzugeben.

und

4 Abs. 12 vdek-Vertrag

Hat der Vertragsarzt ein Fertigarzneimittel unter seinem Produktnamen und/oder seiner Pharmazentralnummer unter Verwendung des aut-idem-Kreuzes verordnet, ist dies im Verhältnis von importiertem und Bezugsarzneimittel mangels arzneimittelrechtlicher Substitution unbeachtlich. Dies gilt nicht, wenn der Arzt vermerkt hat, dass aus medizinisch-therapeutischen Gründen kein Austausch erfolgen darf.

Daraus folgt, dass die Apotheke zum Austausch des verordneten Imports gegen das Original – trotz gesetztem Aut-idem-Kreuz – zwar berechtigt war, es bestand aber keine vertragliche Verpflichtung zum Austausch aus wirtschaftlichen Gründen.

Nun ist die Meinung der BARMER zwar verständlich, hier aus wirtschaftlichen Gründen auf die Nichtabgabe des verordneten Imports zu bestehen (da das Original im Vergleichs-VK tatsächlich günstiger war), aber hierzu enthält der vdek-Vertrag keine Verpflichtung.

Zudem war das mit Aut-idem-Verbot verordnete Importarzneimittel auch lieferbar und wurde entsprechend der ärztlichen Verordnung abgegeben. Da es sich um keine Abweichung von der ärztlichen Verordnung handelte, war auch keine Rücksprache oder Rezeptänderung bzw. Ergänzung erforderlich.

Auch der damals noch gültige Rahmenvertrag erlaubte in § 4 Abs. 4 ausdrücklich die Versorgung mit dem namentlich verordneten Arzneimittel:

„Kommt eine vorrangige Abgabe rabattbegünstigter Arzneimittel nach Absatz 2 nicht zustande, stehen unter den Voraussetzungen nach Absatz 1 die drei preisgünstigsten Arzneimittel und im Falle der Aut-idem-Ersetzung zusätzlich das namentlich verordnete Arzneimittel, soweit in den ergänzenden Verträgen nach § 129 Absatz 5 Satz 1 nichts anderes vereinbart ist, oder ein importiertes Arzneimittel nach Maßgabe des § 5 zur Auswahl; zählt das verordnete Arzneimittel zu den drei preisgünstigsten Arzneimitteln, darf das ersetzende Arzneimittel nicht teurer als das namentlich verordnete sein.“

Eine Berechtigung für die GKV-Kassen, immer die Abgabe des für sie preisgünstigsten Imports oder gar den Austausch gegen das Original zu verlangen – falls dieses für sie einmal preisgünstiger ist –, ist aus den vertraglichen Vorschriften nicht herauszulesen.

Dennoch wurde die versorgende Apotheke für die Abgabe der ärztlich gewünschten Arznei retaxiert:

Da der Austausch des verordneten und abgegebenen Inegy-Importes von EMRA 11022370 (220,15 Euro) gegen das Original 00761093 von MSD (203,29 Euro) günstiger gewesen wäre, wurde die Apotheke um den Differenzbetrag in Höhe von 16,86 Euro retaxiert. Als Begründung führte die BARMER an, dass die Apotheke einen unwirtschaftlichen Import abgegeben habe.

Nun ist unbestritten, dass es für die BARMER günstiger gewesen wäre, wenn die Apotheke zum damaligen Zeitpunkt gegen das Originalprodukt ausgetauscht hätte. Eine Verpflichtung dazu gab es jedoch genauso wenig wie eine Vereinbarung, dass die Krankenkasse hier zur Retaxation berechtigt gewesen wäre.
Zudem hatte der Arzt vielleicht durchaus auch einen Grund für den Versuch, seine Importverordnung gegen einen preisgünstigeren Austausch zu schützen.

Es wäre sicherer gewesen, dies durch den Zusatz „Kein Austausch aus medizinischen Gründen“ sicherzustellen, aber dennoch gab es keine vertragliche Verpflichtung für die Apotheke, den von der Kasse gewünschten Austausch durchzuführen.

Werden hier dieselben Maßstäbe angelegt, wie sie in anderen Fällen bei eigentlich sinnvollen, aber vertraglich nicht begründbaren Substitutionen gegen Apotheken angelegt werden, so ist diese Retaxation zurückzunehmen.

Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum

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