Retax wegen unklarer Fresubin-Verordnung
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Leider kommt es auch in Corona-Zeiten immer wieder vor, dass Krankenkassen bzw. deren Rezeptprüfstellen selbst Verordnungen für ihre schwerkranken Patienten retaxieren, wenn nicht alle Formalien bei deren Versorgung beachtet wurden.
Ein solches Beispiel wurde mir kürzlich zugesandt:
Der retaxierten Apotheke wurde gleich in zwei Fällen die Erstattung ihrer Ernährungsversorgung eines schwerkranken Patienten nicht vergütet, weil die Verordnung formal nicht eindeutig war.
Verordnung 1 vom 06.07.20:
Krankenkasse: | BKK exklusiv (IK 102122557) |
Verordnet: | Fresubin Vanille 24 x 200 ml Diagnose: Gewichtsabnahme bei seniler Schluckstörung |
Verordnungs- und Versorgungsdatum:: | 06.07.20 |
Da die benötigte Trinknahrung in der Apotheke für den Patienten vorrätig war, konnte dieser auch unverzüglich am Tag der Verordnung versorgt werden.
Weil das benötigte Präparat der Apotheke bekannt war, ist vermutlich nicht aufgefallen, dass es mehrere Fresubin-Präparate gibt, auf die die ärztliche Verordnung „Fresubin Vanille 24 x 200 ml“ zutreffen würde.
Aber Computer-Prüfprogramme der Rezeptprüfung bemerkten dies und verweigerten der Apotheke die Vergütung ihrer Versorgung:
Nullretax Verordnung 1
Einschließlich der bereits an die Krankenkasse bezahlten Rezeptgebühr: 100,44 Euro
Verordnung 2 vom 13.07.20:
Krankenkasse: | BKK exklusiv (IK 102122557) |
Verordnet: | Fresubin Vanille 24 x 200 ml Diagnose: Gewichtsabnahme bei seniler Schluckstörung |
Verordnungs- und Versorgungsdatum: | 13.07.20 |
Ähnlich wie bei der ersten Verordnung wurde auch diese Versorgung von der BKK exklusiv nicht erstattet. Da diese Versorgung auch noch im Botendienst zugestellt wurde, hat die Rezeptprüfung auch noch die Vergütung für die Zustellung abgezogen, da diese nach § 4 Abs. 1 SARS-CoV-2 Arzneimittelversorgungsverordnung nur für Arzneimittel und nicht für Diätetika berechnet werden darf:
Inklusive der ebenfalls bereits abgeführten Rezeptgebühr in Höhe von 10 Euro ergab sich eine Nullretax in Höhe von 106,24 Euro.
Nun mag die Krankenkasse hier formal im Recht sein, aber wenn weder der Patient noch sein Arzt noch die Angehörigen oder ein Pflegedienst die Versorgung der Apotheke beanstandeten, sollte auch die Rezeptprüfung der Krankenkasse hier kein lukratives Haar in der Suppe suchen und stattdessen von der Möglichkeit des § 6 Abs. 1 Rahmenvertrag Gebrauch machen, auf eine Retax im Sinne des Versicherten zu verzichten.
Für den Fall, dass die Rezeptprüfstelle nicht von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, sollte sich die retaxierte Apotheke in ihrem Einspruch auf ein Sozialgerichtsurteil berufen:
Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 25. Februar 2020, Az.: S 6 KR 251/18.
Da im aktuellen Fall der BKK kein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, der Patient keinen therapeutischen Nachteil hatte und durch die bisherige bekannte Versorgung Gründe vorliegen, um von den Möglichkeiten des § 6 Abs. 1 Rahmenvertrag Gebrauch zu machen, sollte die betroffene Apotheke die Möglichkeit nutzen, die ihr das obige Urteil einräumt.
Das Gericht hielt es für erforderlich, dass die Krankenkasse neben der eigentlichen Ablehnung immer auch eine separate Ermessensentscheidung zu treffen hat, wenn die einspruchserhebende Apotheke dies beantragt hat.
(Nähere Infos können Sie einem Artikel der DAZ vom 19.05.20 entnehmen.)
Bei jedem Einspruch sollte daher die retaxierte Apotheke nicht „nur“ auf einen unbedeutenden Formfehler abstellen, sondern hilfsweise auch – entsprechend dem aktuellen SG-Urteil – auf eine weitere begründete Ermessensentscheidung bei Verweigerung des vertraglich möglichen Retaxverzichtes bestehen.
Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum
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