Retax: Original mit Kreuz verordnet, Import rabattiert
Hinweis
Es handelt sich bei dem Inhalt dieser Seite um eine frühere Veröffentlichung. Bitte beachten Sie, dass die Aussagen gegebenenfalls nicht mehr der aktuellen Rechts- und Vertragslage entsprechen.
Bei Fragen hilft Ihnen das DAP-Team auch gerne persönlich weiter – schreiben Sie einfach eine E-Mail an insonderfo@anderesdeutschesapothekenportal.de.
Rezepte, auf denen ein Arzt ein Originalarzneimittel mit Aut-idem-Kreuz verordnet, kommen in Apotheken regelmäßig vor. Hier lauert jedoch nach wie vor eine Retaxfalle, wenn die vertraglichen Regelungen nicht konsequent durch die Apotheke umgesetzt werden. Denn die Erfahrung zeigt, dass die Krankenkassen hier mit ihren Retaxationen leider umso konsequenter sind.
So auch in folgendem Fall, der dem DeutschenApothekenPortal geschildert wurde. Verordnet war zulasten der Novitas BKK (IK 104491707) „1x Enbrel 50 mg Fertigspritze ILO 12 Stück PZN: 04492425“ mit Aut-idem-Kreuz. Die Apotheke folgte der Verordnung des Arztes und gab das verordnete Original ab. Allerdings gab es zum Abgabezeitpunkt rabattierte Enbrel-Importe. Die Folge war eine Retaxation dieser Verordnungszeile auf 0.
Dies ist nur ein Beispiel von vielen, daher möchten wir die Sachlage noch einmal näher beleuchten.
Was steht in den Verträgen?
Ein Aut-idem-Kreuz verhindert einen Austausch eines verordneten Arzneimittels gegen ein wirkstoffgleiches Arzneimittel. Dennoch bleibt ein Austausch zwischen Original (Referenzarzneimittel) und zugehörigen Importarzneimitteln erlaubt.
Dies ist in § 9 Abs. 1 Rahmenvertrag definiert:
9 Abs. 1 Auswahlbereich
„Hat der Vertragsarzt
a) ein Fertigarzneimittel verordnet, zu dem es außer dem Importarzneimittel keine Auswahlmöglichkeit gibt oder
b) die Ersetzung eines unter seinem Produktnamen verordneten Fertigarzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel ausgeschlossen (= gesetztes Aut-idem-Kreuz) oder
c) ein Fertigarzneimittel verordnet, das von der Substitutions-Ausschlussliste nach § 129 Absatz 1a Satz 2 SGB V (Arzneimittel-Richtlinie Anlage VII Teil B) erfasst ist oder
d) ein biotechnologisch hergestelltes Fertigarzneimittel verordnet, das nicht von der Anlage 1 dieses Rahmenvertrages erfasst ist, hat die Apotheke nach Maßgabe des § 11 eine Auswahl gemäß den folgenden Sätzen zu treffen (solitärer Markt):
1. Bei Verordnung eines Referenzarzneimittels umfasst der Auswahlbereich dieses Fertigarzneimittel sowie dessen Importarzneimittel.
2. Bei Verordnung eines Importarzneimittels umfasst der Auswahlbereich das Referenzarzneimittel sowie dessen Importarzneimittel.
3. Bei Verordnung eines Betäubungsmittels sind zusätzlich zum Auswahlbereich die Voraussetzungen nach Absatz 3 Buchstabe f) zu beachten.
Ist eine vorrangige Abgabe rabattbegünstigter Fertigarzneimittel nach § 11 nicht möglich, richtet sich die Abgabe nach § 13 (importrelevanter Markt).“
Gleichzeitig ist hier auch definiert, dass Rabattverträge zu beachten sind. Nur wenn keine Rabattverträge vorrangig zu beachten sind, erfolgt die Abgabe unabhängig von den Rabattverträgen im importrelevanten Markt.
Die Grundlage für diese Sachlage ist, dass das Original und seine zugehörigen Importe als identische Präparate gelten. Dies ist ebenfalls im Rahmenvertrag fixiert und in § 2 Abs. 7 zu finden.
2 Abs. 7 Importarzneimittel
„Importarzneimittel im Sinne dieses Rahmenvertrages sind Parallel- oder Reimportfertigarzneimittel,
- die nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) unter Bezugnahme auf ein deutsches Referenzarzneimittel zugelassen sind oder bei EU-Zulassungen sich im Parallelvertrieb zu diesem oder einem namensverschiedenen, aber ansonsten mit diesem identischen Referenzarzneimittel desselben Zulassungsinhabers befinden und
- die nach § 131 Absatz 4 SGB V gemeldet und entsprechend in den Preis- und Produktinformationen gemäß diesem Rahmenvertrag angegeben sind und
- die mit dem Referenzarzneimittel im Wesentlichen identisch sind.
Unwesentliche Abweichungen zum Referenzarzneimittel können den Produktnamen, eine therapeutisch vergleichbare Darreichungsform oder eine nach Menge verschiedene, aber in den gleichen N-Bereich fallende Menge betreffen. Die zugelassenen Anwendungsgebiete des Importarzneimittels entsprechen denen des Referenzarzneimittels. lmportarzneimittel und ihre Referenzarzneimittel bzw. die entsprechenden Importarzneimittel untereinander gelten als identische Arzneimittel. Importarzneimittel, deren für den Versicherten maßgeblicher Abgabepreis abzüglich der gesetzlichen Rabatte höher als der für den Versicherten maßgebliche Abgabepreis des Referenzarzneimittels abzüglich dessen gesetzlicher Rabatte liegt, gelten als unwirtschaftlich.“
Wie kann der Arzt seinem Willen Gewicht verleihen?
Das Aut-idem-Kreuz ist dennoch ein gewichtiges Werkzeug des Arztes, seiner Therapiehoheit nachzukommen und somit seinen Willen auszudrücken, dass ein Austausch nicht erwünscht ist. Im Verhältnis Original/Import ist dies mit der oben vorgestellten Vertragslage schwierig bis unmöglich, wenn den Apotheken eine Retax droht, sofern sie dem Arztwillen folgen. Aufgrund dieser Sachlage gab es in der Vergangenheit schon verschiedene Einzelfallurteile, allerdings wurde noch keine höchstrichterliche Entscheidung gefällt.
Zumindest bei Ersatzkassen kann der Arzt einen Austausch zwischen Original und Import durch Setzen des Aut-idem-Kreuzes und einem zusätzlichen Vermerk verbieten. Dafür ist folgende Regelung in § 5 Abs. 9 des Arzneiversorgungsvertrags der Ersatzkassen zu finden:
5 Abs. 9 Arzneiversorgungsvertrag
„Hat der Vertragsarzt ein Fertigarzneimittel unter seinem Produktnamen und/oder seiner Pharmazentralnummer unter Verwendung des Aut-idem-Kreuzes verordnet, ist dies im Verhältnis von importiertem und Bezugsarzneimittel mangels arzneimittelrechtlicher Substitution unbeachtlich. Dies gilt nicht, wenn der Arzt zusätzlich zum Aut-idem-Kreuz auf der Verordnung vermerkt hat, dass aus medizinisch-therapeutischen Gründen die Abgabe des verordneten Arzneimittels erfolgen soll.“
Diese Regelung gilt, wie beschrieben, nur für Ersatzkassen. Sofern Primärkassen in ihren Lieferverträgen keine entsprechende Vereinbarung getroffen haben, müssen Apotheken bei diesen Krankenkassen einen Austausch vornehmen – oder diesen, sofern es Bedenken gegen den Austausch gibt, durch Anwendung Pharmazeutischer Bedenken und der dafür notwendigen Dokumentation (Sonder-PZN plus passender Faktor, handschriftliche Begründung abgezeichnet mit Datum und Kürzel) unterbinden.
Fazit: Augen auf beim Aut-idem-Kreuz!
Der Arzt hat zumindest bei Primärkassen bei den aktuell geltenden Regeln damit leider keine abschließende „Therapiehoheit“, was den Austausch zwischen Original und Import angeht. Hier ist ein Aut-idem-Kreuz nicht ausreichend und ob ein zusätzlicher Vermerk ausreicht, hängt vom jeweiligen Liefervertrag ab.
Daher sollten Apotheken bei solchen Verordnungen die Rabattvertragslage sorgfältig prüfen und bei Nichtabgabe eines Rabattvertragsartikels eine entsprechende Dokumentation auf dem Rezept anbringen. Ansonsten ist leider – das zeigt auch die eingangs vorgestellte Retax – mit einer Beanstandung durch die Krankenkasse zu rechnen.
Neuen Kommentar schreiben
Sie müssen angemeldet sein, um die Kommentarfunktion nutzen zu können.
Benutzeranmeldung
Geben Sie Ihren Benutzernamen und Ihr Passwort ein, um sich an der Website anzumelden
DAP Newsletter
Immer aktuell informiert mit dem DAP Newsletter: zur Newsletter-Anmeldung