Retax: Kasse verlangt „Compliance-Bedenken“ für alle Alternativmedikamente
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Leider ist es bei manchen GKV-Kassen immer noch nicht angekommen, dass allzu großzügige Retaxationen von Rahmenvertragsregelungen letztlich immer auch an ihre Versicherten weitergegeben werden müssen, wenn erneute Verordnungen verlangt werden.
Schon seit Inkrafttreten des letzten Rahmenvertrags (Mitte 2016) hätten die GKV-Kassen die Möglichkeit, selbst bei tatsächlichen „Formfehlern“ ohne wirtschaftlichen oder therapeutischen Nachteil gemäß § 3 auf Retaxationen zu verzichten. Wie bereits mehrfach beschrieben, wurde diese Vereinbarung auch in den aktuell gültigen § 6 Abs. 1 Rahmenvertrag übernommen.
Eigentlich wäre die Anwendung dieser Paragrafen meist entbehrlich, da es für viele Retaxationen ohnehin weder eine gesetzliche noch vertragliche Vorschrift gibt, die eine Retaxation legitimieren würde.
Dies ist auch bei dem nachfolgenden „Retaxpaket“ einer Hauptapotheke und deren Filiale durch die AOK Sachsen-Anhalt der Fall, welches uns von einem Mitglied des DAP Forums erreichte. Neben mehreren Retaxationen zu längst bekannten, aber offenbar immer noch nicht retaxsicher geregelten Problemen, wie
- fehlendes BtM-„A“ bei ärztlich gewollten Höchstmengenüberschreitungen und
- angeblich mehrfach vertriebenen Original-Medizinprodukten oder Original-Verbandstoffen, die kassenseits nicht als Importe gelten (Wirtschaftlichkeitsgebot),
wurden überwiegend Palexia-BtM-Verordnungen trotz Sonder-PZN und Begründung retaxiert. Hier nur jeweils ein Beispiel aus dem Retaxpaket, wobei die AOK Sachsen-Anhalt offenbar nach Belieben zwei Retaxbegründungen unterschied:
1. Die Kasse verlangt trotz Sonder-PZN und Begründung für alle möglichen Abgabealternativen den Nachweis:
2. Die Kasse retaxierte trotz Sonder-PZN und Begründung „Non-Compliance“ auf „Rabattvertrag nicht eingehalten“:
Insgesamt wurde die Apotheke diesbezüglich mit sieben BtM-Verordnungen um über 2.000 Euro retaxiert – teils mit der Begründung „Nichtabgabe Rabattarznei“, teils mit der Forderung der AOK, die Defektnachweise aller Rabattarzneimittel vom Hersteller nachzuliefern.
Es handelt sich um zwei identische Verordnungen in einem Retaxpaket, jedoch unterschiedlich begründet.
Besonders unverständlich wird dieses Vorgehen, wenn man zwei identische Verordnungen aus diesem Retaxpaket vergleicht, bei der einmal Grund 1 und einmal Grund 2 zur Begründung verwendet wurde:
Retaxgrund 1: Bei Non-Compliance des Patienten: „Rahmenvertrag nicht eingehalten“
Trotz Sonder-PZN, Stempelvermerk „(X) Pharmazeutische Bedenken“ und Vermerk „Non-Compliance des Patienten“ reklamiert die AOK Sachsen-Anhalt, dass ihr Rabattvertrag nicht eingehalten wurde.
Doch genau für diesen Zweck wurde dieses Vorgehen bei „Pharmazeutischen Bedenken“ zwischen den Vertragspartnern vereinbart! Was sollte die Apotheke denn sonst noch dokumentieren?
Retaxgrund 2:
Das gleiche Rezept, ebenfalls seitens der Apotheke mit allen Vorgaben und Vermerken versehen, aber hier werden plötzlich alle Defektmeldungen vom Hersteller im Einspruch verlangt. Damit gibt die Retaxstelle zu erkennen, dass bei Vorlage dieser gewünschten Nachweise die Retax zurückgenommen wird, obwohl dies eigentlich kein Gesetz oder Liefervertrag legitimiert:
Da einige dieser Verordnungen bereits in die Gültigkeit des neuen Rahmenvertrags (erste Version) fallen, bleibt zu betonen, dass weder der alte noch der neue Rahmenvertrag eine solche Retaxation legitimiert.
§ 3 (4) Rahmenvertrag alt:
§ 3 (3) Rahmenvertrag alt:
§ 3 (7) c Rahmenvertrag alt:
Die Apotheke hatte Vermerk und Sonderkennzeichen auf der Verordnung angebracht, aber es wurde nicht zur Kenntnis genommen.
Da es für diese BtM-Retaxationen ohnehin keine Legitimation gibt, wäre die Retaxstelle gut beraten, sich gesichtswahrend wenigstens auf § 3 des alten oder § 6 des neuen Rahmenvertrags zu berufen und diese Retaxationen zurückzunehmen, wenn sie eine juristische Auseinandersetzung vermeiden will.
Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum
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