Retax in Corona­zeiten: AM auf Substitutions­ausschluss­liste

Patienten während der Corona-Pandemie unbürokratisch mit Arzneimitteln zu versorgen funktioniert nur, wenn sich auch alle GKV-Kassen an die SARS-CoV-2-AMVersVO halten und nicht selbst in Pandemiezeiten nur ihren eigenen finanziellen Vorteil suchen.

Die SARS-CoV-2-AMVersVO erlaubt während der Corona-Pandemie zahlreiche Ausnahmen von gesetzlichen und vertraglichen Versorgungsvorschriften. Leider wird auch die Bereitschaft zur unbürokratischen Hilfe der Apotheken einen erheblichen Dämpfer erleiden, wenn einige Krankenkassen ihren Beitrag nicht leisten.

Kein Verständnis können Krankenkassen bzw. deren Rezeptprüfungsdienstleister erwarten, wenn sie eine Rezeptbelieferung retaxieren, die unabhängig von Corona die Arzneimittelsicherheit ohnehin nicht gefährden würde – wie im nachfolgenden Fall:

Retax:

Krankenkasse: AOK Sachsen-Anhalt (IK 101097008)
Verordnet in Zeile 1:L-Thyrox Hexal 125 TAB 100 St. N3 PZN 0811773
Verordnungs- und Abgabedatum:08.04.20

Da verordnete Arzneien mitunter nicht immer unverzüglich zu beschaffen sind, hat die Apotheke unter Angabe der Sonder-PZN 02567024, schriftlicher Begründung „nicht lieferbar“, Stempelaufdruck Akutversorgung“ mit Zusatz Corona“ und Unterschrift den Patienten statt mit der verordneten 100er-Packung mit der 98er-Packung des verordneten Herstellers Hexal versorgt.

Beide Packungen von Hexal tragen die Arzneiform „Tabl.“ und die N3-Bezeichnung.
Es besteht kein vorrangiger Rabattvertrag.
Es ist somit kein pharmazeutischer Grund ersichtlich, der dieser Akutversorgung in Coronazeiten bei der erfolgten Begründung widersprechen sollte:

Nun ist die Rezeptprüfung der AOK Sachsen-Anhalt offenbar der Meinung, dass dies bei Arzneimitteln der Substitutions­aus­schluss­liste generell ein die Arznei­mittel­sicherheit gefährdender Verstoß sei, der nur durch eine Null­retaxation zu „heilen“ ist:

Fakt ist:
Seit April 2014 hat der G-BA zudem die Aufgabe, Arzneimittel zu bestimmen, deren Ersetzung durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel ausgeschlossen ist (sog. Substitutionsausschlussliste; Teil B der Anlage VII).

Teil B der Anlage VII

„Von der Ersetzung durch ein wirkstoff­gleiches Arznei­mittel ausge­schlossene Arznei­mittel gemäß § 129 Absatz 1a Satz 2 SGB V Arznei­mittel, die einen in der Anlage gelisteten Wirkstoff in einer der aufge­führten Darreichungs­formen enthalten, dürfen nicht gemäß § 129 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1b SGB V in Verbindung mit dem Rahmen­vertrag nach § 129 Absatz 2 SGB V durch ein wirkstoff­gleiches Arznei­mittel ersetzt werden.“

In Teil B der Anlage VII ist L-Thyroxin zwar gelistet, aber in unserem Fall handelt es sich nicht um wirkstoff­gleiche Arzneimittel, sondern um wirkstoff­­identische Arznei­mittel des gleichen Herstellers (Hexal AG), lediglich in der Verpackung als Kalender­packung.
Dies ist auch der Grund, weshalb Arznei­­mittel der Anlage auch gegen Importe ausgetauscht werden dürfen und bei vorrangigem Import-Rabatt­­vertrag sogar müssen, da diese als wirkstoff­­identisch gelten.

Diese Versorgung – die in keiner Weise die Arznei­mittel­­sicherheit gefährdet – in Corona­­zeiten zu retaxieren, gefährdet lediglich die Bereitschaft der Apotheken, sich in diesen Zeiten bei Verfügbarkeits­problemen an der schnellen Versorgung der Patienten zu beteiligen und diesen zusätzliche Wege zu ersparen.

Daher bleibt zu hoffen, dass sich jetzt auch die AOK Sachsen-Anhalt auf die Verlaut­barungen des BMG besinnt, ihren Beitrag in diesen schwierigen Zeiten leistet und diese Retaxationen – die Apotheke hat gleich zwei Retaxationen zu diesem Problem erhalten – zurücknimmt.

Die wichtigsten Regelungen des BMG sind:

„[…] Apotheken erhalten mehr Möglichkeiten, verordnete Arzneimittel bei Nicht-Verfügbarkeit auszutauschen, damit Patientinnen und Patienten ohne zusätzliche Arztkontakte auch bei Lieferengpässen unbürokratisch mit den notwendigen Arzneimitteln versorgt werden. Auch die Abgabe von Teilmengen einer Packung wird erlaubt und hinsichtlich der Vergütung geregelt.

Der erleichterte Austausch verordneter Arzneimittel kann von den Krankenkassen bei den Abrechnungen mit den Apotheken nicht beanstandet werden. […]“

Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum

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