Retax beim E-Rezept – trotz Friedenspflicht!
Ende vergangener Woche wurde bekannt, dass sich der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband e. V. hinsichtlich einer Friedenspflicht für E-Rezepte geeinigt haben, die bundesweit für alle gesetzlichen Krankenkassen gilt. Zuvor gab es diesbezüglich eher einen Flickenteppich aus regionalen Regelungen. Die Friedenspflicht gilt rückwirkend zum 01.01.2024 bis vorerst 31.12.2024, kann aber so lange verlängert werden, bis nur noch formal fehlerfreie und vollständige E-Rezepte in die Apotheke gelangen.
Nun muss aber dazugesagt werden, dass die Friedenspflicht nur für definierte Punkte gilt, die Formalien betreffen, und dass es kein allgemeines Retaxverbot gibt. Die fraglichen Punkte umfassen Folgendes:
- Die Angabe Arzt/Ärztin ist ausreichend, da aus der LANR die Facharztgruppe ersichtlich ist.
- Ist eine PZN angegeben, so ist dies – falls weitere Angaben wie zum Beispiel zu Darreichungsform, Wirkstärke, Packungsgröße oder Menge fehlen – ausreichend für eine eindeutige Verordnung.
- Eine fehlende Telefonnummer darf ebenfalls nicht retaxiert werden, wenn die verschreibende Person der Apotheke bekannt ist. Die Apotheke ist nicht verpflichtet, eine angegebene Telefonnummer auf Richtigkeit zu prüfen oder eine fehlende Nummer nachzutragen.
- Außerdem hat die Apotheke keine Prüfpflicht auf Richtigkeit bei folgenden von ärztlicher Seite anzugebenden Verordnungsinhalten: Anschrift der ärztlichen Praxis, Arztnummer, BSNR/Standortkennzeichen, Angaben zum Versichertenstatus.
Darüber hinaus haben sich die Krankenkassen allgemein auch zu einem „Gebot des Augenmaßes“ bekannt, und in jedem individuellen Fall hat die Krankenkasse einen Ermessensspielraum.
„Gebot des Augenmaßes“, aber trotzdem Retax?
Das „Gebot des Augenmaßes“ hält Krankenkassen aber offenbar nicht davon ab, Apotheken aus rein formalen Gründen zu retaxieren. Dazu schickte eine Apotheke eine E-Rezept-Retax einer BKK an das DAP-Team. Im vorliegenden Fall war Ramipril Hexal Plus Amlod. 5/5 zu 98 Stück (PZN 09635102) mit Aut-idem-Kreuz verordnet. Diese N3-Packung war allerdings nicht lieferbar und daher gab die Apotheke in Einklang mit den erweiterten Abgabemöglichkeiten bei Nichtverfügbarkeit nach SGB V zwei Packungen zu 28 Stück ab. Dies wurde in der Apotheken-EDV mittels einer „Dokumentation zum E-Rezept“ im Abgabedatensatz dokumentiert.
Allerdings wurde das E-Rezept im Nachgang retaxiert, mit der Begründung „Abgabe hätte mit qualifizierter Signatur (HBA) signiert werden müssen“. Dies ist zwar in § 14 Abs. 1 Rahmenvertrag auch so vereinbart:
14 Abs. 1 Rahmenvertrag
„[…] Sofern die Apotheke kein rabattbegünstigtes bzw. kein preisgünstiges Fertigarzneimittel wegen Nicht-Verfügbarkeit abgibt, hat sie bei papiergebundenen Verordnungen auf dem Arzneiverordnungsblatt das zwischen den Vertragspartnern vereinbarte Sonderkennzeichen anzugeben. Bei der elektronischen Verordnung ist in diesem Fall das entsprechende Kennzeichen im elektronischen Abgabedatensatz anzugeben und mittels elektronischer Signatur zu signieren.“
Allerdings ist doch eine fehlende Signatur bei einer ansonsten vorhandenen Dokumentation auf dem Rezept als formaler Fehler zu werten.
Dass hier ein E-Rezept aus rein formalen Gründen retaxiert wird, spricht nicht dafür, dass die Krankenkasse den Sachverhalt mit dem „Gebot des Augenmaßes“ betrachtet hat. Es waren in diesem Fall weder die Wirtschaftlichkeit der Versorgung noch die Arzneimittelsicherheit beeinträchtigt – die Versorgung erfolgte nach den Vorgaben des SGB V mit einer abweichenden Packungsgröße. Auch die Dokumentation wurde vorgenommen, jedoch zeigen sich hier auch die Tücken der Apotheken-EDV, die dafür offenbar einerseits die Dokumentation mittels Abgabeschlüssel UND qualifizierter Signatur und andererseits eine reine „Dokumentation“ ohne Signatur zulässt. Hier wäre eine für die Apotheke weniger fehleranfällige Lösung wünschenswert.
Die Apotheke sollte daher Einspruch einlegen und dafür folgende Punkte aus dem Rahmenvertrag vorbringen:
6 Abs. 1 Rahmenvertrag
„[…] Der Vergütungsanspruch der Apothekerin / des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn […]
d) es sich um einen unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden, insbesondere formalen Fehler handelt.“
Als unbedeutender Fehler ist auch eine nicht vollständige Dokumentation zu werten, wie aus § 6 Abs. 2 hervorgeht:
6 Abs. 2 Rahmenvertrag
„Um einen unbedeutenden Fehler im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 Buchstabe d) handelt es sich insbesondere:
[…] g) Wenn bezogen auf den Rahmenvertrag
g3) die Apotheke in den Fällen des § 14 Absatz 1 (Nichtverfügbarkeit), des § 14 Absatz 2 (Akutversorgung, Notdienst) sowie des § 14 Absatz 3 i.V.m. § 17 Absatz 5 ApBetrO (‚pharmazeutische Bedenken‘) dieses Rahmenvertrages
- entweder nur das vereinbarte Sonderkennzeichen oder
- nur einen Vermerk auf der papiergebundenen Verordnung aufträgt oder
- im Fall, dass Vermerk und Sonderkennzeichen auf der papiergebundenen Verordnung fehlen, einen objektivierbaren Nachweis im Beanstandungsverfahren erbringt […]“
Der vorliegende Fall bei der Dokumentation im Abgabedatensatz des E-Rezeptes ist hier noch nicht klar aufgegriffen, aber eindeutig ist daraus abzulesen, dass eine unvollständige Dokumentation keine Retax nach sich ziehen darf. Selbst eine komplett fehlende Dokumentation darf demnach (bei einem Papierrezept) anhand objektivierbarer Nachweise im Beanstandungsverfahren nachgereicht werden.
Daher ist diese Retax zurückzunehmen – im Hinblick auf das Gebot des Augenmaßes sowie auf Basis der im Rahmenvertrag schon für Papierrezepte eindeutig formulierten Retaxeinschränkungen für formale Fehler.
Es bleibt zu hoffen, dass solche Retaxationen nun keinen regelhaften Einzug in Apotheken finden, denn es wäre ein neuer gewaltiger Einschnitt bei der Umsetzung des E-Rezeptes, wenn Apotheken aufgrund solcher formaler Fehler um die Vergütung ihrer Leistung bangen müssten.
Falls Ihnen auch schon eine E-Rezept-Retax untergekommen ist, senden Sie diese gerne (mit anonymisierten Daten) an abgabeprobleme@extradeutschesapothekenportal.de. Vielleicht können wir auch darüber an dieser Stelle berichten, um Ihre Kolleginnen und Kollegen zu diesem Thema auf dem Laufenden zu halten.
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