Retaxfalle Notdienst: Wie können Apotheken im Notdienst Akutfälle retaxsicher versorgen?
Im Notdienst müssen akut Erkrankte oft eine Odyssee auf sich nehmen, um zunächst die behandelnde Notfallpraxis und anschließend die diensthabende Apotheke aufzusuchen. Ist dann das verordnete Arzneimittel nicht vorrätig oder aufgrund der weiterhin andauernden Lieferengpässe gar nicht verfügbar, kann dies die Approbierten vor Herausforderungen stellen – denn die Vorgaben des Rahmenvertrags gelten auch im Notdienst. Eine Rücksprache mit der Ärztin oder dem Arzt ist erfahrungsgemäß schwierig bis unmöglich und selbst dann, wenn diese letztlich erfolgreich ist und sogar ein neues Rezept bestellt werden kann, muss schließlich darauf geachtet werden, dass das Rezept auch wirklich an die Apotheke gesendet wird (wobei sich hier vielleicht wirklich Erleichterungen durch E-Rezepte ergeben könnten).
Zu diesem Thema werden oft Anfragen an das DAP-Team gestellt, von denen wir Ihnen nachfolgend ein paar Beispiele vorstellen und Lösungsansätze geben möchten.
Fall 1: Austausch von Augensalben
In einem Fall war Dexa Gentamicin Augensalbe verordnet, die bereits seit längerer Zeit nicht lieferbar war. Eine Rücksprache über die bekannte Nummer 116117 mit dem verordnenden Augenarzt ergab nach über einer Stunde, dass Isopto Max Augensalbe abzugeben sei. Wie muss die Apotheke nun vorgehen?
Nach ALBVVG dürfen Apotheken bei einer Nichtverfügbarkeit und wenn nach der Abgaberangfolge des Rahmenvertrags kein abgabefähiges Arzneimittel gefunden wurde, ohne ärztliche Rücksprache in folgenden Punkten von der Verordnung abweichen, sofern die Wirkstärke nicht überschritten wird:
129 Abs. 2a SGB V
„[…] 1. die Packungsgröße, auch mit einer Überschreitung der nach der Packungsgrößenverordnung maßgeblichen Messzahl, 2. die Packungsanzahl, 3. die Abgabe von Teilmengen aus der Packung eines Fertigarzneimittels, soweit die verordnete Packungsgröße nicht lieferbar ist, und 4. die Wirkstärke, sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen.“
Ein Aut-simile-Austausch ist in der Regel nicht mehr möglich, es sei denn, regionale Lieferverträge sehen dies weiterhin vor. Die Apotheke bräuchte hier also ein neues Rezept.
Fall 2: Austausch bei Antibiotikasäften
Verordnet war ein InfectoCef Saft für ein Kind. Abgegeben wurde nach Rücksprache mit Dosisanpassung InfectoBicillin Saft. Wie ist hier vorzugehen?
InfectoCef Saft ist ein Arzneimittel, das auf der Dringlichkeitsliste für Kinderarzneimittel zu finden ist. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wurde mit dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) beauftragt, eine Liste von Arzneimitteln unter Berücksichtigung altersgerechter Darreichungsformen und Wirkstärken zu erstellen, die insbesondere zur Behandlung von Kindern bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres notwendig sind – die sogenannte Dringlichkeitsliste. Diese Liste führt Kinderarzneimittel, bei denen sich in der aktuellen und kommenden Infektsaison eine angespannte Versorgungssituation abzeichnet.
Für diese Kinderarzneimittel hat die Apotheke weitere Austauschbefugnisse bekommen, die von einem Aut-simile-Austausch bis hin zur Rezepturherstellung reichen, ohne dass eine Rücksprache mit der Arztpraxis oder ein neues Rezept erforderlich sind.
Für Rezepte, bei denen auf Basis der Dringlichkeitsliste von den erleichterten Austauschmöglichkeiten Gebrauch gemacht wird, muss bei einem Muster-16-Rezept in der betreffenden Abrechnungszeile im Feld „Arzneimittelkennzeichen“ die Pharmazentralnummer des abgegebenen Fertigarzneimittels angegeben werden. Das Sonderkennzeichen 02567024 mit dem Wert „0“ im Feld „Taxe“ ist ebenfalls aufzudrucken. Um den Austausch kenntlich zu machen, ist auf dem Muster-16-Rezept überdies das Kürzel „DL“ (für Dringlichkeitsliste) handschriftlich aufzutragen. Im vorliegenden Fall war also ein Austausch auch ohne Arztrücksprache erlaubt, die Apotheke hat dies nur auf dem Rezept entsprechend zu dokumentieren.
Fall 3: Abgabe einer abweichenden Menge und Stärke
In einem weiteren Beispiel war Clarithromycin 250 mg, 20 Stück, Dos.: 2 x 1 Tbl. verordnet. Die Frage ist, ob hier auch die Abgabe von Clarithromycin 500 mg zu 14 St. möglich wäre (mit einer Dosierung von 2 x 0,5 Tabletten).
Wie oben bereits erwähnt, können Apotheken bei einer Nichtverfügbarkeit auch im Akutfall/Notdienst von der ärztlichen Verordnung in den oben genannten Fällen abweichen, auch ohne Rücksprache zu halten, das heißt, die Abgabe einer anderen Stärke und Menge ist grundsätzlich möglich. Allerdings darf die verordnete Menge nicht überschritten werden. Die Apotheke dürfte demnach maximal 10 Tabletten der Stärke 500 mg abgeben, andernfalls wäre auch hier ein neues Rezept erforderlich.
Es zeigt sich, dass Apotheken oft vor teils unlösbaren Problemen stehen, die die Patientenversorgung erschweren, verzögern oder im schlimmsten Fall gänzlich unmöglich machen, ohne ein Retaxrisiko einzugehen. Hier wären – sofern regionale Lieferverträge dahingehend keine weiteren Erleichterungen für den Notdienst vorsehen – Nachbesserungen wünschenswert, vor allem im Hinblick auf die weiterhin bestehenden Lieferengpässe.
Haben Sie schon einmal eine Retax auf ein Rezept aus dem Notdienst bekommen? Teilen Sie uns dies gerne unter abgabeprobleme@extradeutschesapothekenportal.de mit.
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