Nichtlieferbarkeit: Einige Kassen akzeptieren nur Nachweis vom Hersteller

Derzeit wird medial patientenfreundlich auf die zahlreichen Corona-Versorgungserleichterungen hingewiesen.
Schwer zu glauben, dass diese vertraglich noch nicht fixierten Ausnahmegenehmigungen nicht kurz vor Ende der vertraglichen Retaxfristen nicht ebenfalls zu einer Retaxwelle führen und letztlich wieder auf dem Rücken der Vor-Ort-Apotheken ausgetragen werden.

Schon bei Erstfassung des Rahmenvertrags Mitte 2016 wurde die Hoffnung geweckt, dass damit viele Retaxprobleme der Apotheken ein Ende finden würden, doch diese Hoffnungen erwiesen sich als Trugschluss.
Auch derzeit, wo die Apothekenteams sich aufopfernd bemühen, die Versorgung der Patienten durch zahlreiche Sonderdienstleistungen sicherzustellen, müssen sich die Apotheken weiterhin mit Retaxationen beschäftigen, die ihnen wertvolle Zeit rauben.

Eines dieser Retaxprobleme erfreut sich bei einigen GKV-Kassen großer Beliebtheit: der Nachweis der Nichtverfügbarkeit oder Nichtlieferbarkeit von Arzneimitteln.

Obwohl das DeutscheApothekenPortal schon mehrfach über diese Retaxationen berichten musste und die Versorgung bei Nichtlieferbarkeit eigentlich rahmenvertraglich für die GKV-Kassen klar geregelt ist, muss das DAP im Forum und in Zuschriften leider immer wieder davon erfahren.

Selbst wenn Einsprüche der Apotheken durch Nachweise der Lieferprobleme belegt werden, werden diese abgelehnt, weil einige Rezeptdienstleister und deren auftraggebende Krankenkassen andere Vorstellungen von den erforderlichen Nachweisen haben, die häufig nicht den Rahmenvertragsbedingungen entsprechen, die ihre Vertreter vereinbart haben.

Der nachfolgende Fall wurde erst kürzlich erneut im DAP Forum unter den Kollegen diskutiert:

Es ging um mehrere gleichlautende Palexia-Verordnungen, von denen nur eine beispielhaft herausgegriffen werden soll:

Krankenkasse: AOK Sachsen-Anhalt (IK 101097008)
Verordnung:Palexia Ret 100 mg RET N3 06809062
mit Aut-idem-Kreuz
Verordnungsdatum:08.05.19

Da das Rabattarzneimittel der AOK Sachsen-Anhalt (in diesem Fall ein Import zu Palexia) zum Verordnungszeitpunkt nicht lieferbar war, nahm die Apotheke mit der Arztpraxis Kontakt auf und gab wie vom Arzt gewünscht das verordnete Original ab.

Die Verordnung wurde wie vertraglich vereinbart mit der Sonder-PZN und dem Faktor 2 sowie den zusätzlichen Vermerken „Rabattarzneimittel nicht lieferbar“, „lt. Rücksprache Belieferung wie verordnet“ versehen und unterschrieben.

Dennoch wurden diese und drei weitere gleichlautende und gleich behandelte Palexia-Verordnungen auf null retaxiert:

Als Begründung wurde vom Rezeptprüfungsdienstleister angegeben, dass man eine Defektmeldung vom Hersteller erwarte:

Diese Begründung entspricht jedoch nicht den Vereinbarungen im Rahmenvertrag (§ 4), denn dieser spricht eindeutig von einem Defektnachweis nach Wahl – entweder vom Hersteller (hier Importeur) oder vom Großhändler:

4 Auswahl preisgünstiger Arzneimittel (nach altem Rahmen­vertrag)

(2) Die Apotheke hat vorrangig ein wirkstoffgleiches Fertigarzneimittel abzugeben, für das ein Rabattvertrag nach § 130a Absatz 8 SGB V („rabattbegünstigtes Arzneimittel“) besteht, […]

Dass ein rabattbegünstigtes Arzneimittel zum Zeitpunkt der Vorlage der Verordnung vom pharmazeutischen Unternehmer nicht geliefert werden konnte, hat die Apotheke nachzuweisen.

Der Nachweis kann durch Vorlage einer Erklärung des pharmazeutischen Unternehmers oder des Großhändlers geführt werden. Sofern die Apotheke das rabattbegünstigte Arzneimittel mangels Verfügbarkeit nicht abgibt, hat sie auf dem Verordnungsblatt das zwischen den Vertragspartnern vereinbarte Sonderkennzeichen anzugeben; […]

Daher hat die betroffene Apotheke Einspruch gegen die vier Palexia-Retaxationen eingelegt:

Und obwohl alle Nichtlieferbarkeitsbestätigungen der Großhandlungen vorliegen, wurde der Einspruch wider Erwarten abgelehnt, wie unser Forumsmitglied seinen Kollegen mitteilt:

Update: Alle Widersprüche abgelehnt

Begründung: „Ist das rabattbegünstigte AM zum Zeitpunkt der Abgabe nicht lieferbar, so ist dieser Defekt im Bereich Original/Import in Form eines Herstellernachweises über die Nichtlieferfähigkeit des Rabattpartners zu erbringen. Der Nachweis, dass das Präparat vom Großhandel nicht lieferbar war, ist nicht ausreichend, da dies keine Bestätigung der Nichtlieferfähigkeit des Herstellers darstellt.“

Dass die Nichtlieferbarkeit von Arzneimitteln vom Hersteller (hier Importeur) meist nicht bestätigt wird, sondern allenfalls „temporäre Lieferprobleme“, ist allen Apotheken bekannt. Daher wurde diese Entweder-oder-Regelung im Rahmenvertrag vereinbart.

In diesem Zusammenhang muss sich eine Apotheke auf die GKV-Vereinbarungen im Rahmenvertrag verlassen können. Es ist weder akzeptabel, dass diese von einzelnen Kassen abweichend interpretiert werden, noch, dass zu diesem wichtigen Thema ggf. von Regionalkassen abweichende Vereinbarungen getroffen werden.

Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum

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