Nicht lieferbar: Wann ist eine Retax berechtigt?
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Mit Abschluss des neuen Rahmenvertrags zum Schiedsverfahren hatten wir zwar nicht die damals überwiegend herrschende Zuversicht geteilt, aber doch zumindest gehofft, dass „nun auch Krankenkassen, die bisher nicht für ihren moderaten Umgang mit Retaxationen bekannt waren, die Gelegenheit für ein neues Verhältnis zu den versorgenden Apotheken nutzen.“
Nach mehr als zwei Jahren hat sich leider gezeigt, dass manche Krankenkassen offensichtlich wenig Wert auf ein „neues Verhältnis zu den versorgenden Apotheken“ legen:
- Formfehler werden nicht als Formfehler, sondern als schwerwiegende Fehler angesehen, die die Arzneimitteltherapie gefährden.
- Jeder nicht exakt definierte Begriff des neuen Rahmenvertrags wird nach wie vor nach eigenen Vorstellungen – sprich Vorteilen – ausgelegt und meist unwidersprochen retaxiert.
- Ausführende und klärende Versorgungsverträge werden nur dann schnell und unbürokratisch erneuert oder ergänzt, wenn dies im Interesse der Krankenkassen liegt.
- Erneut werden BtM-Verordnungen retaxiert unter Anmaßung rechtlicher Befugnisse, die der Gesetzgeber nur seinen Behörden zugesteht.
Wir werden daher nicht müde, ständig derartige Fälle aufzuzeigen und zwar solange, bis diese endlich, dem gesetzlichen Auftrag entsprechend, therapie-, patienten- und versorgungsfreundlich gelöst werden.
Eines dieser Probleme ist die vereinbarte Dokumentation im Falle von Nichtlieferbarkeit eines Rabattarzneimittels und die Frage, wann eine Krankenkasse zu einer endgültigen Retaxation berechtigt ist.
Abb.-Hinweis: Leider ist das uns vorliegende Retaximage von schlechter Qualität, was angesichts der uns Apotheken zugestandenen Imagebriefmarken auf den Retaxunterlagen leider häufig der Fall ist.
Krankenkasse: | Barmer (IK 104080005) |
Verordnung: | Xeplion 150 mg Depot-Injektionssuspension i. e. Fertigspritze 1 St. |
Versorgungsdatum: | 09.08.17 |
Keines der zum Abgabezeitpunkt rabattierten Präparate war damals lieferbar, daher hat die Apotheke den Versicherten mit einem aut-idem-fähigen Alternativprodukt versorgt. Leider hat sie aber dabei versäumt, die Sonder-PZN und/oder einen Vermerk auf der Verordnung anzubringen.
Dies führte zu einer Retaxation, die durch den „neuen“ Paragrafen 3 Absatz 1 Punkt 7c zunächst zwar legitimiert war, jedoch durch die Apotheke im Beanstandungsverfahren (sprich Retaxverfahren) durch einen zu erbringenden „objektivierbaren Nachweis“ wieder aufgehoben werden kann:
3 Zahlungs- und Lieferanspruch
„(1) Der durch Normverträge näher ausgestaltete gesetzliche Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht im Gegenzug für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Leistungspflicht mit Belieferung einer gültigen ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Verordnung. Der Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn […]
- es sich um einen unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden, insbesondere formalen Fehler handelt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn […]
7. bezogen auf den Rahmenvertrag […]
c. die Apotheke in den Fällen des § 4 Absatz 2 Satz 2 (Nichtverfügbarkeit), des § 4 Absatz 3 Sätze 1 und 2 (Akutversorgung, Notdienst) sowie des § 4 Absatz 3 Satz 2 i. V. m. § 17 Absatz 5 ApBetrO (pharmazeutische Bedenken) dieses Vertrages
(1) entweder nur das vereinbarte Sonderkennzeichen oder
(2) nur einen Vermerk auf der Verordnung aufträgt oder
(3) im Fall, dass Vermerk und Sonderkennzeichen auf der Verordnung fehlen, einen objektivierbaren Nachweis im Beanstandungsverfahren erbringt; […].“
Eigentlich eine vernünftige Regelung, wenn einige Krankenkassen nicht eigene Vorstellungen von einem „objektivierbaren Nachweis“ hätten und
- die – im Sinne der Krankenkassen aussagekräftigen Nichtlieferbarkeitsnachweise – häufig nur schwer zu bekommen sind, da Großhandlungen oder Importeure stets nur die eigene Lieferunfähigkeit, nicht jedoch die des Erstanbieters oder anderer Rabattpartner nachweisen können. Letztere bestätigen allerdings ohnehin eher ungern schriftlich, dass sie ihre Rabattvertragslieferbarkeit nur lückenhaft erfüllen können.
- nachträglich beigebrachte Nichtlieferbarkeitsbescheinigungen ohnehin häufig nicht mehr anerkannt werden, wenn diese nicht bereits auf der abgerechneten Verordnung vermerkt wurden.
Solange der Begriff des „objektivierbaren Nachweises“ nicht zweifelsfrei vertraglich definiert ist, wird ein nachträglicher Nachweis bei manchen Krankenkassen im Beanstandungsverfahren leider meist erfolglos bleiben.
So auch im vorliegenden Fall, in dem die Apotheke Einspruch erhob:
Selbst die beigefügten Belege des Pharmagroßhandels konnten nachträglich nicht verhindern, dass der Einspruch abgelehnt wurde:
Nicht zutreffend ist jedoch die Mitteilung, dass ein Verstoß gegen die Abgabebestimmungen die Krankenkasse zu einer Null-Retaxation verpflichten würde, denn genau diese Verpflichtung wurde ihr durch den neuen Rahmenvertrag von 2016 ja abgenommen. Wenn man dieser Vereinbarung jedoch ein Urteil von 2013 entgegenhält, ist man offenbar auch wenig geneigt, die neue Vertragsvereinbarung anzuwenden.
Daher können wir – bis zur Vereinbarung einer belastbareren Vertragsregelung – nur raten, sicherheitshalber immer die Sonder-PZN und einen handschriftlichen Vermerk bereits bei der Abgabe der Verordnung anzubringen, auch wenn dies nicht in jedem Fall erforderlich wäre. Dass jedoch auch bei vorhandenem Vermerk mitunter über das Ziel hinausgeschossen wird, werden wir Ihnen nächste Woche zeigen.
Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum
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