Nullretax! Grund: Arzt verweigerte die namentliche Verordnung eines Biologicals

Was macht eine Apotheke, wenn ihr ein Arzt trotz mehrmaliger Bitte die erforderliche namentliche Verordnung eines Biologikums verweigert?

Der Patientin die Versorgung verweigern?
Ihr raten, sich eine andere Arztpraxis zu suchen?
Das Problem der nächsten Apotheke überlassen?

Diese „Lösungen“ schienen der betroffenen Apotheke nicht zu verantworten zu sein und da die Patientin zuvor bereits achtmal von der Apotheke mit dem Präparat Humira® des Erstanbieters – bei bis dato namentlicher Verordnung – versorgt wurde, nahm sie das Risiko auf sich, die Patientin auch in diesem Fall mit dem rabattierten Referenzarzneimittel Humira® zu versorgen.

Es kam, wie es zu befürchten war: Der versorgenden Apotheke wurde die Erstattung ihrer Versorgung verweigert. Da dieser Fall einige rechtlich fragwürdige Vorgehensweisen aufweist und u. U. noch vor Gericht geklärt werden muss, werden wir hier auf eine Abbildung der betroffenen Verordnung verzichten.

Hier die Daten der Verordnung:

Kostenträger: AOK (die Niederlassung werden wir hier noch nicht nennen)
Verordnet: Adalimumab 40 Pen 6 St. (generisch)
Versorgt mit dem entsprechenden Original des Erstanbieters „Humira®“ der AbbVie GmbH

Die Apotheke wurde für ihre Versorgung in Höhe von 5324,55 Euro auf null retaxiert.

Da weder der Patientin noch der Krankenkasse ein Schaden entstand – denn Humira war für die betroffene Kasse sogar rabattiert –, versuchte die Apotheke, der Krankenkasse die Gründe für ihre Versorgung deutlich zu machen.

Hier die Argumentation ihres Einspruchs:

Hiermit widerspreche ich der Taxabsetzung vom 11.07.2019 über Adalimumab 40 Pen 6 Stück. Unsere IK […]

Begründungen:

  1. Die Apotheke hat den Arzt mehrmals kontaktiert mit der Bitte um eine eindeutige Verordnung; dieser hat sich jedoch jedes Mal geweigert, unter einem Handelsnamen zu verordnen. Die Apotheke wurde jedoch dennoch tel. angewiesen, die Patientin mit ihrem gewohnten Präparat zu versorgen.
  2. Die Patientin hat nachweislich seit 2017 8 x Humira® verordnet bekommen.
  3. Es ist der Patientin kein medizinischer Schaden entstanden, sondern im Gegenteil ist die Patientin mit ihrem gewohnten, bei ihr wirksamen Präparat versorgt worden.
  4. Humira ist im Rabattvertrag der AOK […], es ist der Kasse somit kein finanzieller Nachteil entstanden.
  5. Wir haben lediglich versäumt die Rücksprache (s. Punkt 1) mit dem Arzt zu dokumentieren.
  6. Der Wille des Arztes, die Patientin mit Humira versorgt zu wissen, zeigt sich auch darin, dass nach Konfrontation mit der Taxabsetzung die nächste Verordnung vom 24.07.19 jetzt doch wieder mit dem Handelsnamen erfolgt ist.

Da die Apotheke ihren formalen Fehler nicht bestreitet, bittet sie angesichts der hohen Retaxsumme, Augenmaß walten zu lassen, und bietet der Kasse an, auf jeden Gewinn zu verzichten und ihr für die Versorgung lediglich den eigenen EK + MwSt. = 5159,58 Euro zu erstatten.

Obwohl man der Apotheke vorwirft, eine bei Biologicals nicht mögliche generische Verordnung mit dem rabattierten und gewohnten Erstanbieterprodukt Humira® beliefert zu haben, macht die Kasse nun ein ebenfalls unzulässiges „Gegenangebot“: Sie erstattet der Apotheke lediglich das preisgünstigste Generikum in Höhe von ca. 2800,– Euro, abzüglich der ca. 306,– Euro, die die Krankenkasse bereits vom Originalhersteller erhalten hat, obwohl dessen Präparat von der Kasse gar nicht bezahlt wurde. Die Apotheke bleibt also auf ca. der Hälfte ihres Schadens sitzen.

Um die Apotheke zu „motivieren“, wurde ihr zu verstehen gegeben, dass noch weitere derartige Abgaben vorlägen, die ggf. ebenfalls retaxiert werden könnten!

Sollte dem tatsächlich so sein, dann würde die betroffene Apotheke nicht länger in diesen verbotenen sauren Apfel beißen, sondern die Hilfe eines erfahrenen Anwalts in Anspruch nehmen. Und dann müsste natürlich auch die Rechtmäßigkeit des Kassenvorgehens zur Sprache kommen.

Wir werden Sie ggf. auf dem Laufenden halten.

Apotheker Dieter Drinhaus, DAP-Forum

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