Nachtrag zum Thema: Retax wegen Abgabe der verordneten Anzahl an Packungen
Hinweis
Es handelt sich bei dem Inhalt dieser Seite um eine frühere Veröffentlichung. Bitte beachten Sie, dass die Aussagen gegebenenfalls nicht mehr der aktuellen Rechts- und Vertragslage entsprechen.
Bei Fragen hilft Ihnen das DAP-Team auch gerne persönlich weiter – schreiben Sie einfach eine E-Mail an insonderfo@anderesdeutschesapothekenportal.de.
Mit unserem Retax-Newsletter vom 03.12.20 haben wir offenbar in ein Wespennest gestochen, denn mehrere Kollegen sind offenbar vom gleichen Thema betroffen bzw. vertrauen auf den Kommentar des Deutschen Apothekerverbands (DAV), dass Mehrfachverordnungen in einer Zeile nicht mehr vorkämen, da dies die Arztsoftware nicht mehr zulasse.
Daher möchte ich heute die Unterlagen zu der in der letzten Woche beschriebenen Retaxation nachliefern, um zu belegen, dass derartige Retaxationen auch in Corona-Zeiten die Versorgung in unseren Apotheken immer noch erschweren:
Der Fall:
Krankenkasse: AOK Rheinland/Hamburg IK 104212505
Verordnet: 2 x Cefpodoxim AL 200 mg 10 St. N1; PZN 01053406
Abgabedatum: 09.08.19
Hierzu ist in § 8 Abs. 1 des Rahmenvertrags, der zwischen dem DAV und dem GKV-Spitzenverband vereinbart wurde, festgelegt:
8 Abs. 1 des Rahmenvertrags
Enthält eine papiergebundene Verordnung mehrere Verordnungszeilen, ist jede Verordnungszeile einzeln zu betrachten. Verordnungen sind mit der jeweils verordneten Anzahl von Packungen zu beliefern.
Diese Formulierung wurde von den Vertragspartnern offenbar im Vertrauen darauf gewählt, dass die Arztsoftware künftig keine Mehrfachverordnungen in einer Zeile mehr zulassen würde, und daher wurde dies auch im Kommentar des DAV zum Rahmenvertrag nochmals klargestellt.
DAV-Kommentar zum Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Absatz 2 SGB V in der Fassung vom 1. Januar 2019 in Kraft ab 1. Juli 2019:
§ 8 Packungsgrößen
§ 8 Absatz 1
Neu geregelt ist, dass jede Verordnungszeile einzeln zu betrachten ist. Bei der Verordnung mehrerer Packungen des gleichen Arzneimittels in mehreren Zeilen werden die Mengen nicht addiert und dann nach einer passenden Packungsgröße gesucht.
Vielmehr gilt: Jede Zeile zählt für sich.
Beispiel 1
Rp.
Avamys® 27,5 µg 60 Hub N2
Avamys® 27,5 µg 60 Hub N2
Abzugeben sind 2 Packungen Avamys® 27,5 µg à 60 Hub, nicht 1 Packung Avamys® 27,5 µg 120 Hub.
Beispiel 2
Rp.
Avamys® 27,5 µg 60 Hub N2 x2
Abzugeben sind 2 Packungen Avamys® 27,5 µg à 60 Hub, nicht 1 Packung Avamys® 27,5 µg 120 Hub.
Anmerkung: In der Praxis dürfte Beispiel 2 nur noch bei handschriftlichen Verordnungen oder handschriftlichen Ergänzungen der Verordnung vorkommen, da die Arztsoftware die Verordnung von mehreren Packungen in einer Zeile nicht mehr zulässt.
Hier war offenbar der Wunsch Vater des gut gemeinten Gedankens, denn Mehrfachverordnungen in einer Verordnungszeile kommen leider nach wie vor vor.
Und daher ist es verständlich, dass manche Krankenkassen sich nur darauf berufen, was im Rahmenvertrag expressis verbis steht. Mit Inkrafttreten des Rahmenvertrags im Juli 2019 hieß es in § 8 Abs. 1:
Enthält eine Verordnung mehrere Verordnungszeilen, ist jede Verordnungszeile einzeln zu betrachten und mit der jeweils verordneten Anzahl von Packungen zu beliefern.
Dieser Wortlaut wurde zum 01.04. dieses Jahres nochmals zur Klarstellung des Sachverhalts angepasst und lautet seither folgendermaßen:
(1) Enthält eine papiergebundene Verordnung mehrere Verordnungszeilen, ist jede Verordnungszeile einzeln zu betrachten. Verordnungen sind mit der jeweils verordneten Anzahl von Packungen zu beliefern.
Da in vielen Fällen nach wie vor in einer Verordnungszeile verordnet wird, suchen manche Kassen hier in Form von Retaxationen anscheinend teils ihren eigenen finanziellen Vorteil:
Für die Apotheken sind die Ausführungen im Kommentar zum Rahmenvertrag eine wichtige Anweisung zur korrekten Versorgung mit Arzneimitteln und sie müssen sich auf den Kommentar verlassen können.
Daher ergibt sich die Frage, inwieweit der DAV-Kommentar rechtsverbindlich ist, oder ob wir künftig wirklich bei jeder Mehrfachverordnung in einer Verordnungszeile den Arzt um eine Verordnungsänderung bitten müssen, wollen wir nicht Gefahr laufen, auf null oder auf einen Differenzbetrag retaxiert zu werden.
Ist der DAV-Kommentar tatsächlich rechtsverbindlich und somit klärende, verbindliche Anweisung zu den Rahmenvertragsvereinbarungen, dann müssen derartige Retaxationen zurückgenommen werden.
Hat er keine Rechtsverbindlichkeit, so müsste der Rahmenvertrag selbst in § 8 entsprechend noch eindeutiger angepasst werden. Ansonsten müsste vereinbart werden, dass der Kommentar doch rechtsverbindlich ist, z. B. indem man den Rahmenvertrag dahingehend anpasst, dass der Kommentar Bestandteil des Rahmenvertrags ist.
Selbst wenn wir Apotheker aufgrund des Kommentars der Meinung sind, dass auch Mehrfachverordnungen in einer Zeile in den verordneten Packungsmengen zu beliefern sind, empfiehlt es sich ggf., bei Mehrfachverordnungen auf die Aufteilung auf mehrere Verordnungszeilen zu achten.
Natürlich ist dies in Corona-Zeiten für alle Beteiligten (Patient, Apotheke und Arzt) nicht versorgungs-, sondern lediglich virusfreundlich, daher muss hier bald eine verbindliche Klarstellung seitens der GKV-Kassen und des Apotheker-Spitzenverbands erfolgen.
Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum
Neuen Kommentar schreiben
Sie müssen angemeldet sein, um die Kommentarfunktion nutzen zu können.
Benutzeranmeldung
Geben Sie Ihren Benutzernamen und Ihr Passwort ein, um sich an der Website anzumelden
DAP Newsletter
Immer aktuell informiert mit dem DAP Newsletter: zur Newsletter-Anmeldung