Mehrfachverordnung: Therapiefeindlich aber retaxfreundlich
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Mitte 2016 haben sich die Spitzenverbände der Apotheken und der GKV-Kassen in letzter Minute auf eine Neufassung des § 3 Rahmenvertrag geeinigt, um einem Schiedsspruch zuvorzukommen. Trotz vorangegangener langwieriger Verhandlungsrunden konnten wichtige erforderliche Regelungen gar nicht oder nicht im Detail formuliert werden. Dieses sollte in den ergänzenden Verträgen zum Rahmenvertrag zeitnah vereinbart werden. Nun sind mittlerweile zwei Jahre vergangen, aber in dieser Hinsicht hat sich wie befürchtet leider so gut wie nichts getan.
Wohl das drängendste, immer noch nicht abschließend geregelte Problem ist die ärztliche Mehrfachverordnung, die in vielen Fällen zu einer Kürzung der therapeutisch benötigten Verordnungsmenge oder zu Retaxationen der versorgenden Apotheken führt. Täglich erreichen das DAP derartige Retaxationen, in denen die Prüfzentren der Krankenkassen aufgrund unterschiedlicher Interpretationen des immer noch vorhandenen § 6 Rahmenvertrag zu unterschiedlichen Beanstandungen kommen.
Eine für alle Beteiligten, Ärzte, Patienten und Apotheken, unerträgliche Situation, wie auch der folgende Retaxfall zeigt:
Krankenkasse: | Siemens Betriebskrankenkasse |
Verordnung: | Lamotrigin Neurax 100 mg TAB 200 St. N3 mit Aut-idem-Kreuz Lamotrigin Neurax 100 mg TAB 100 St. N2 mit Aut-idem-Kreuz |
Abgabedatum: | 23.11.2017 |
Die Verordnung erscheint selbst für einen Laien eindeutig, wie sonst hätte der Arzt seinen therapeutischen Willen deutlicher formulieren können? Zudem wurde die therapeutisch benötigte Menge auch durch das Setzen von Aut-idem-Kreuzen nochmals ärztlich bestätigt.
Dennoch beurteilt die Krankenkasse die Verordnung anders und erstattet der versorgenden Apotheke nur 1 x 200 TAB, da die zusätzlich verordneten 100 Stück nach ihrer Meinung nicht erstattungsfähig seien, da es sich bei der verordneten Gesamtmenge von 300 Stück nicht um ein Vielfaches des größten definierten Normbereichs N3 (190–200 Stück) beziehungsweise der größten Messzahl Nmax = 200 Stück handelt:
Die „DAVASO“ beruft sich im Namen der Krankenkasse hier auf den § 6 Abs. 1 bis 4 Rahmenvertrag und beanstandet eine angeblich unwirtschaftliche Abgabe:
Dass dieser Paragraf hier nicht anzuwenden ist, hat nicht nur das DAP schon mehrfach publiziert, auch die Rechtsprechung hat dies bereits in zwei Urteilen bestätigt:
➔ BSG Urteil Az. B 3 KR 7/05 R
➔ LSG Thüringen L 6 KR 690/12
Nachfolgend Auszüge aus dem aktuelleren Urteil vom LSG Thüringen vom 25. August 2015 (L 6 KR 690/12):
„Ein Verstoß der Klägerin [Apotheke] gegen das in § 129 Abs. 1 SGB V normierte Wirtschaftlichkeitsgebot liegt hier nicht vor. DIE ÄRZTE HABEN KEINE UNBESTIMMTE MENGE VON ARZNEIMITTELN VERORDNET. Schließlich – und damit entfällt auch die Unwirtschaftlichkeit nach § 6 Abs. 3 des Rahmenvertrags – jedenfalls soweit es die Klägerin betrifft, ist in keiner der vertragsärztlichen Verordnungen eine Verordnung nach Stückzahl erfolgt. Die Ärzte haben vielmehr zahlenmäßig genau bestimmte Packungen […] verordnet. Diese Verordnungen sind eindeutig. Die verordnete Packung existiert auch; es bestand insoweit keine andere Möglichkeit der Erfüllung der vertragsärztlichen Verordnung für die Klägerin.“
Dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall und dies hat das DAP-Team auch der betroffenen Apotheke mitgeteilt:
„Der Arzt hat im vorliegenden Fall unzweifelhaft im Handel befindliche Packungsgrößen unter Angabe der korrekten Normgröße sowie zusätzlicher Bestätigung durch das Aut-idem-Kreuz verordnet, und damit die therapeutische Erforderlichkeit der Abgabe einer N2- und einer N3-Packung mehr als deutlich gemacht.
Da hier keine Anwendung der Regelungen in § 6 Rahmenvertrag zur Anwendung kommen kann, greift die Vereinbarung in § 3 Abs. 1 Nr. 7 e Rahmenvertrag, dass die Apotheke wirtschaftlich und unter Beachtung der Rabattverträge, Packungen bis zur verordneten Menge abgeben darf.“
Genau dies hat die versorgende Apotheke getan und daher ist diese Retaxation weder vertraglich noch rechtlich legitimiert und zurückzunehmen.
Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum
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