Korrekte Abgabe, aber Bedruckung vertauscht!
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Seit dem 01. Juni 2016 gilt die Neufassung des § 3 Rahmenvertrag, auf die sich die Spitzenverbände der Apotheken und der gesetzlichen Krankenkassen per Schiedsspruch nach § 129 (4) SGB V am 23. Mai 2016 geeinigt hatten.
Das SGB V § 129 (4) fordert:
„In dem Rahmenvertrag ist erstmals bis zum 01. Januar 2016 zu regeln, in welchen Fällen einer Beanstandung der Abrechnung durch Krankenkassen, insbesondere bei Formfehlern, eine Retaxation vollständig oder teilweise unterbleibt [...]."
Dennoch wurden viele den neuen § 3 betreffenden Probleme nicht im Rahmenvertrag geregelt, sondern sind auch weiterhin den ergänzenden Verträgen auf Landesebene vorbehalten.
Gleichwohl wird der „allgemeine Maßstab“ beschrieben, nachdem Fehler unbedeutend und seit 01. Juni 2016 nicht mehr retaxierbar sind, nämlich „wenn die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangiert sind“.
Durch die Nennung einiger häufiger Retax-Sachverhalte ist der Deutsche Apothekerverband zuversichtlich, dass nunmehr für „alles Bekannte“ Regelungen getroffen worden sind und „Rechtssicherheit garantiert“ ist:
DAV-Kommentar zum Rahmenvertrag
„Die Rechtsprechung wird jedoch nur für die Fallgruppen „auf den Plan gerufen“, die nicht unter dem vierten Spiegelstrich genannt sind. Dabei handelt es sich naturgemäß um noch unbekannte Sachverhalte. Für alles Bekannte weist der Rahmenvertrag nunmehr Regelungen auf und garantiert Rechtssicherheit.“
Bleibt die Frage, wo sich im neuen § 3 Rahmenvertrag eine Regelung für den Fall findet, dass eine Apotheke mehrere ärztliche Verordnungen zwar korrekt versorgt, aber die vorliegenden Verordnungen falsch aufgedruckt hat:
Insgesamt wurden der nachfolgend retaxierten Apotheke in der Woche vor Weihnachten 2015 vier Verordnungen für einen Diabetiker vorgelegt. Während des Beratungsgesprächs lagen alle Verordneten Medikamente und Hilfsmittel auf dem OTC-Tisch und so ereignete sich der unglückliche Fall, dass die beiden abgegebenen, verordneten und auch benötigten Insuline Levemir® und NovoRapid® FlexPen® nicht auf die jeweils zugehörigen Verordnungen gedruckt wurden, sondern dass auf die Levemir®-Verordnung nochmals das NovoRapid® FlexPen® gescannt und gedruckt wurde.
Es folgen die Belege aus der Kundendatei der Apotheke sowie die Rezeptimages aus dem Abrechnungszentrum der Apotheke:
Auszug aus der Kundendatei der Apotheke:
Und hier die beiden zugehörigen Verordnungen aus dem Rezeptabrechnungszentrum:
Verordnung 1 vom 14.12.2015, korrekt bedruckt mit dem verordneten und vorrangig abzugebenden – weil rabattierten – NovoRapid® FlexPen® des Original-Herstellers:
Verordnung 2, ebenfalls vom 14.12.2015 für die gleiche AOK-Versicherte, statt des ebenfalls abgegebenen Levemir®irrtümlich nochmals bedruckt mit dem bereits bedruckten NovoRapid® FlexPen® von Rezept 1:
Wäre die Verordnung ohne Retaxation „durchgelaufen“, so hätte die Apotheke der Krankenkasse ohnehin irrtümlich 20,44 Euro „eingespart“:
Abgabe 2: | Levemir 10 St. des rabattierten Originalherstellers | 148,12 Euro |
Taxiert: | NovoRapid FlexPen 10 St. des rabattierten Originalherstellers | - 127,68 Euro |
Differenz zugunsten der AOK Bayern: | 20,44 Euro |
Da die Verordnung jedoch wegen vermeintlicher Falschabgabe auf Null retaxiert wurde, ergäbe sich eine Nachvergütung in Höhe von 148,12 Euro (abzgl. der Rabatte).
Da sich der Fall einer vertauschten Rezeptbedruckung, obwohl wir schon häufiger über dieses Problem berichten mussten, offenbar nicht unter „alles Bekannte“ einordnen ließ und daher auch im neuen Rahmenvertrag ungeregelt blieb, bleibt zu hoffen, dass die AOK Bayern hier unter Anwendung der vereinbarten Möglichkeit zur „Einzelfallentscheidung der Krankenkasse“ (§ 3 (1) Satz 2 „Ausschluss von Retaxationen“ Spiegelstrich 3) entscheidet,
- zumal die Abgabe korrekt erfolgte,
- lediglich eine Fehlbedruckung der zweiten Verordnung vorlag,
- der Kasse kein wirtschaftlicher Schaden, sondern sogar ein Vorteil in Höhe von 20,44 Euro entstanden wäre und
- die Arzneimittelsicherheit nicht betroffen war.
Aus dem DAV-Kommentar zum neuen § 3 des Rahmenvertrags vom 01.06.2016
„Die Krankenkassen können gemäß der Regelung unter dem dritten Spiegelstrich in jedem denkbaren Fall frei über die Unterlassung einer Beanstandung entscheiden mit der Folge, dass in diesem Fall der Vergütungsanspruch der Apotheke bestehen bleibt.“
Zu erwähnen bliebe noch, dass bereits vor dieser Einzelfallentscheidung andere Krankenkassen im Sinne der korrekten Versorgung im Einspruchsverfahren auf derartige Retaxationen verzichteten.
Wir werden gerne berichten, ob auch die AOK Bayern im Sinne des „neuen Maßstabs“ des § 3 Rahmenvertrag entscheidet oder ob die Ermächtigung zur neuen „Einzelfallentscheidung“ nicht angewandt wird, weil keine entsprechende konkrete Vereinbarung formuliert wurde.
DAP – Retaxforum – Dieter Drinhaus
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