Keine Heilungsmöglichkeit bei nicht eindeutiger Verordnung

In unserem letzen Retax-Newsletter hatten wir darauf hingewiesen, dass auch Hilfsmittel-Notfall­versorgungen nur erstattet werden, wenn die versorgende Apotheke einen Liefer­vertrag mit der betreffenden Kranken­kasse vorweisen kann. Da keine Ausnahme­regelungen für Notfall­versorgungen existieren, musste eine Apotheke daher ihre Hilfs­bereitschaft an einem Freitag­nachmittag aus eigener Tasche bezahlen.

Dass bürokratische Vorschriften auch entgegen dem Geist der Schieds­vereinbarungen immer noch vorrangig zu beachten sind und dabei meist auch bei nicht zu 100 Prozent eindeutigen Verordnungen weder ein Entgegen­kommen noch eine nachträgliche „Heilung“ anerkannt werden, zeigt auch unser heutiger Retaxfall.

Der Fall

Die Versorgung mit hoch­kalorischer Trink­nahrung ist für die meist von Tumor­erkrankungen betroffenen Patienten lebens­wichtig und daher gerät auch hier die Apotheke immer wieder in den Konflikt, zwischen der verlangten unverzüglichen Abklärung einer nicht eindeutigen Verordnung und der erforderlichen schnellen Versorgung eines Patienten zu entscheiden. Die Mitteilung an den Patienten oder seine Angehörigen, man möge erst eine zu 100 Prozent eindeutige ärztliche Verordnung vorlegen oder die Verordnung privat bezahlen, ist weder im Sinne der Kranken­kasse noch des Patienten und in keinem Fall ethisch vertretbar. Aber leider wird genau dies von der versorgenden Apotheke verlangt, will sie nicht riskieren, die Versorgung aus eigener Tasche bezahlen zu müssen. Selbst dann, wenn die Apotheke den Patienten seit längerer Zeit versorgt und dessen benötigte Trinknahrung bekannt und sogar vorrätig ist.

Verordnung 1:

Krankenkasse: AOK Bayern (IK 108310400)
Verordnung:Fresubin Mischkarton Multifrucht, Kalorienbedarf 2000, 24 x 200 ml 3 Karton
Diagnose:Tumorkachexie
Abgabedatum:25.07.2017

Verordnung 2:

Krankenkasse: AOK Bayern (IK 108310400)
Klinikverordnung:Fresubin Mischkarton 24 x 200 ml Drinks, Kalorienbedarf 2000
Diagnose:Tumorkachexie
Abgabedatum:13.07.2017

Beide Verordnungen wurden von der Krankenkasse nicht erstattet, da die Präparate ärztlicherseits nicht eindeutig verordnet und nur aufgrund der angegebenen Pharma­zentral­nummern der Versorgung der Apotheke zuzuordnen waren:

Verordnung 1:

Verordnung 2:

Nun steht außer Frage, dass die beiden Verordnungen für die Krankenkasse nicht eindeutig waren – zumindest nicht, ohne die bisherigen Versorgungen in der EDV zur Klärung zur Hilfe zu nehmen. Aber dieses Problem hätte die Kasse im Interesse ihrer Versicherten auch durch eine Rückfrage bei Arzt und Apotheke klären können, ohne die Versorgung ihres Versicherten der Apotheke in Rechnung zu stellen.

Hierzu schreibt die betroffene Apotheke an das DAP-Team:

Der Kalorien­bedarf ist auf beiden Verordnungen eigentlich angegeben, aber dies allein macht die beiden Verordnungen auch nicht „eindeutig“ für die Kranken­kasse. Praxisfern ist zudem der Tipp, vor jeder Abgabe die Klinik oder Arztpraxis zu kontaktieren. In der Regel kann keine Apotheke die Versorgung so lange verzögern, bis ihr eine Rück­sprache mit dem Arzt ermöglicht wird. Völlig inakzeptabel und unverständlich ist, dass hier jede nachträgliche Klärung durch Arzt und Patient verweigert wird, obwohl diese vertraglich nicht explizit aus­geschlossen ist.

Für solche Fälle ist eine vertragliche Vereinbarung für Sonder­fälle mit nachträglicher Klärungs­möglichkeit dringend erforderlich, wenn verhindert werden soll, dass derartige Retaxationen zulasten der unverzüglichen Versorgung schwer­kranker Patienten gehen.

Unser Tipp:

Bis dahin muss insbesondere darauf geachtet werden, dass solche Verordnungen stets eindeutig ausgestellt werden und gegebenen­falls sind unklare Verordnungen vor der Abgabe zu klären. Es bleibt zu hoffen, dass der von der KBV zum April angekündigte automatische Aufdruck der Pharma­zentralnummern (PZN) durch die Arzt­software auch für Nicht­arzneimittel Anwendung finden wird.

Nachfolgend ein Beispiel für eine hoffentlich eindeutige Verordnung:

DAP – Retaxforum – Dieter Drinhaus 

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