Keine Arzneimittelerstattung, aber Patientenzuzahlung behalten

Zuzahlungsretaxationen beschäftigen seit vielen Jahren die Apotheken, obwohl die Vorgaben gesetzlich und vertraglich weitgehend klar geregelt sind und die Apotheken lediglich als „Inkassostelle“ der „Rezeptgebühr“ verpflichtet sind.

Da werden – trotz eindeutiger Kennzeichnung des Gebührenstatus in der Arztpraxis – die Apotheken wegen nicht erhobener Zuzahlung retaxiert, weil die angekreuzte Gebührenbefreiung bei Rezeptvorlage angeblich nicht mehr bestand, es werden nicht vorhandene Prüfpflichten bei der Arzneimittelversorgung retaxiert, Gebühren für zuzahlungsbefreite Medikamente in Rechnung gestellt, Verbandstoffzuzahlungen falsch berechnet oder sogar vorgelegte Zuzahlungsbefreiungen als nicht mehr gültig beanstandet, weil die Krankenkasse die Zuzahlungsbefreiung versandt hat bevor der Patient seine Vorauszahlung geleistet hat. Eine reichhaltige Auswahl zu diesem Thema finden Sie im Retaxfall-Archiv des DAP, obwohl Apotheken die Gültigkeit einer Zuzahlungsbefreiung letztlich nicht überprüfen können und daher für die Arzneimittelversorgung auch diesbezüglich keine vertragliche Prüfpflicht existiert.

Besonders unverständlich und verärgert reagieren viele Apotheken, wenn eine Krankenkasse keinerlei finanzielle Leistung für ihren Versicherten erbringt oder erbringen muss, gleichwohl aber dessen Arzneimittelzuzahlung für sich vereinnahmt.

Es steht für die versorgende Apotheke nicht in Frage, dass die Barmer GEK die Erstattung des ärztlich verordneten Nasensprays für einen erwachsenen Versicherten verweigern durfte. Aber in der retaxierten Apotheke hat man kein Verständnis dafür, dass die Krankenkasse die Zuzahlung nicht dem Patienten oder der versorgenden Apotheke zurückerstattet, sondern an dieser Verordnung sogar noch verdient:

Hierzu die betroffene Apotheke:

„Lieber Kollege,
auch im neuen Jahr gleich wieder eine kurze Frage: Versehentlich haben wir einen nicht erstattungsfähigen OTC-Artikel auf GKV-Rezept abgerechnet (Nasic Spray), was jetzt retaxiert wird. Kein großer Verlust, denkt man, hat doch der Patient die Zuzahlung von 5 Euro entrichtet.
Aber weit gefehlt: Während die Kasse alle Rabatte (Apothekenrabatt, Herstellerrabatt) korrekt abrechnet, behält sie die Zuzahlung ein.“

In der Regel ist es nicht üblich, dass die Krankenkasse die Zuzahlung ihres Versicherten für sich behält, obwohl sie keinerlei Leistung erbracht hat.

Hier als Beispiel eine übliche Nullretaxation, bei der die Kasse die bereits vorab erhaltene Rezeptgebühr der Apotheke wieder zurückerstattete:

Wie ist die rechtliche Situation?

Die Frage, ob eine Krankenkasse bei nicht vorhandener Leistungspflicht die Zuzahlung ihres Versicherten behalten darf, ist weder gesetzlich noch vertraglich geregelt.

Aber leider gibt es ältere Einzelurteile zu Zuzahlungen oder Aufzahlungen, in denen das Gericht der Apotheke untersagte, die Zuzahlung nachträglich vom Patienten zu erheben. Nachfolgend zwei der jüngeren Urteile zu diesem Problem:

  • Irrtümlich nicht erhobene erhöhte Zuzahlung einer „§ 27a-Verordnung“ (künstl. Befruchtung):
    Statt die zu leistende Eigenbeteiligung von der Patientin zu verlangen, hatte die Apotheke lediglich die „normale Zuzahlung“ in Höhe von 20 Euro verlangt. Das Gericht lehnte die Klage der Apothekerin ab, die Retaxation in Höhe von ca. 500 Euro nachträglich der Patientin in Rechnung zu stellen, da die Apotheke der Patientin quasi ein „Angebot“ gemacht habe, das Medikament für 20 Euro Zuzahlung zu erhalten, und durch deren Annahme der Kaufvertrag zwischen Apotheke und Patientin zustande kam. (Urteil Sozialgericht Gotha Februar 2012, bestätigt durch das LSG im August 2015).

  • In einem anderen Urteil kam das Gericht (Sozialgerichts Altenburg) zum gegenteiligen Schluss, dass ein Kaufvertrag lediglich zwischen der Apotheke und der Krankenkasse bestünde und daher auch der Patient keinen Anspruch auf Rückzahlung seiner Zuzahlung gegen seine Krankenkasse habe. Der Rückzahlungsanspruch der Krankenkasse gegen die Apotheke würde bei einer Nullretax auch die Zuzahlung des Patienten einschließen. Auch der Patient habe keinen Anspruch auf Rückzahlung, da er ordnungsgemäß versorgt wurde. Daher sei die Zuzahlung dem Vermögen der Krankenkasse zuzuführen.

Fraglich bleibt, wie diese Entscheidungen aktuell ausfallen würden, da die neueren Regionalverträge und auch der vdek-Vertrag der Apotheke ausdrücklich zugestehen, gesetzliche Zuzahlungen vom Patienten zu fordern:

DAP – Retaxforum – Dieter Drinhaus

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