Kasse „konstruiert“ Prüfpflicht zum Gebührenstatus
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Es macht grundsätzlich Sinn, auf das Hin- und Hersenden von Rezeptgebühren bei der Apothekenabrechnung zu verzichten. Daher hat der Gesetzgeber den Apotheken eine „Inkassoverpflichtung“ auferlegt:
Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes v. 20.12.1988, BGBl. I S. 2477) § 43c Zahlungsweg
„(1) Leistungserbringer haben Zahlungen, die Versicherte zu entrichten haben, einzuziehen und mit ihrem Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse zu verrechnen. Zahlt der Versicherte trotz einer gesonderten schriftlichen Aufforderung durch den Leistungserbringer nicht, hat die Krankenkasse die Zahlung einzuziehen.“
Mit dem Einbehalten der von den Versicherten zu bezahlenden „Rezeptgebühren“ hat die Apotheke dieser Verpflichtung entsprochen. Eine weitergehende Verpflichtung zur Überprüfung des von der Arztpraxis gekennzeichneten „Gebührenstatus“ besteht für die Apotheke ausdrücklich nicht. Dies wurde vom Gesetzgeber weder vorgesehen, noch wäre es für die Apotheke durchführbar oder zumutbar.
Da es schon früher immer wieder Retaxationen gab, die den Apotheken nicht einbehaltene Zuzahlungen direkt in Rechnung stellten, haben sich die Vertragspartner bemüht, dieses Problem in der Neufassung des Rahmenvertrags eindeutig und unmissverständlich aus der Welt zu schaffen:
3 (1) Zahlungs- und Lieferanspruch
„Der durch Normverträge näher ausgestaltete gesetzliche Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht im Gegenzug für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Leistungspflicht mit Belieferung einer gültigen ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Verordnung. Der Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn […] bezogen auf die vertragsärztliche Verordnung (AMVV) […] die Apotheke eine vom Arzt fälschlicherweise als „Gebührenfrei" gekennzeichnete Verordnung ohne Einbehaltung einer Zuzahlung abgibt[…].“
Man sollte meinen: Eine klare, verständliche und interpretationssichere Vereinbarung zwischen dem Spitzenverband der GKV-Kassen und dem Deutschen Apothekerverband (DAV).
Weit gefehlt, denn aus der eindeutigen gesetzlichen Vorgabe und dieser bezugnehmenden Rahmenvertragsregelung liest die Krankenkasse, die im folgenden Fall die Apotheke daraufhin retaxiert hat, eine Prüfpflicht für die Apotheke heraus, wie uns eine betroffene Apotheke des DAP Retaxforums mitteilte:
Krankenkasse: | AOK Niedersachsen (IK 102114819) |
Gebührenstatus: | frei |
Abgabedatum: | 19.12.2016 |
Verordnet: | Tegaderm Schaumverband 14,3 x 14,3 Kompressen steril 10x10 cm |
Von der Arztpraxis wurde diese Verordnung irrtümlich als Hilfsmittelverordnung „7“ gekennzeichnet, obwohl es sich nicht um Hilfsmittel, sondern um erstattungsfähige Verbandstoffe handelt, die den jeweiligen Arzneimittel-Lieferverträgen unterliegen:
Dies gilt auch für den verordneten „Tegaderm Schaumverband“:
Keines der verordneten Mittel ist ein Hilfsmittel, aber dies war erkennbar auch nicht das Thema dieser Retaxation, wie die betroffene Apotheke schreibt:
„Soweit so klar und ich verstehe das so, dass es da von Seiten der Krankenkassen keine Diskussionsmöglichkeit mehr gibt. Offensichtlich sehen das einige Krankenkassen und deren Prüfstellen aber anders. So hebt die AOK Niedersachsen ganz offensichtlich darauf ab, dass ich jetzt zu prüfen habe, in welcher Weise dieses „fälschlicherweise ankreuzen“ gem. § 3 (1) 4d RahmenV entstanden ist. Einen ähnlichen Fall habe ich im Übrigen mit der TK am Laufen, der aber noch nicht entschieden ist.
Natürlich hätte man aufgrund der relativen Lagen der „Eindrucke“ zueinander auf die Idee kommen können, dass da etwas verrutscht ist. Jedoch ist das Kreuz eindeutig im Feld „Gebührenfrei“ und auch alle anderen „Eindrucke“ befinden sich eindeutig innerhalb der dafür vorgesehenen Felder. Dabei ist auch unerheblich dass das Rezept als Hilfsmittel bezeichnet wurde, was eindeutig falsch ist. Es wurde nach § 300 abgerechnet und ist von der AOK auch so behandelt worden. Daher gilt auch der Rahmenvertrag […].“
Nun sollte man annehmen, dass sich diese Retax durch einen Blick auf die gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften schnell aus der Welt schaffen lässt, aber weit gefehlt.
In der Folge entwickelte sich ein „Einspruchs-/Einspruchsablehnungsschriftwechsel“ wegen der der Apotheke belasteten „Patienten-Rezeptgebühr“. Hier lediglich einige Zitate aus dieser „12 Euro“-Auseinandersetzung mit dem „Gesundheitsmanagement“ der Krankenkasse:
- Einspruch vom 12.07.2017: „Dass sich das Kreuz oben links im Feld „Gebühr frei“ befindet, mag einem verschobenen Druck geschuldet sein, ändert aber nichts an den Tatsachen. Gem. § 3 (1) vierter Strichpunkt, Nr. 4 d des Rahmenvertrags darf keine Retaxation erfolgen!“
- Abweisung vom 25.07.2017: Die Krankenkasse verweist auf die Zuzahlungspflicht gem. SGB V und darauf, dass eine ausnahmsweise Befreiung vor der Abrechnung überprüft werden müsse, zumal der gesamte Rezeptdruck „verrutscht“ sei.
- Abweisung Nr. 2 vom 15.08.2017 „Nochmalige Prüfung“: Es lag keine Befreiung vor, die Apotheke wird gebeten, eine Kopie der Befreiungskarte vorzulegen.
- Einspruch Landesapothekenverband vom 21.08.2017: Der Verband verweist darauf, dass die Apotheke nie angegeben hatte, dass ein Befreiungsausweis vorlag, sondern dass die Apotheke von der Richtigkeit der ärztlich gekennzeichneten Statusfelder ausgehen durfte, ohne jede Verpflichtung, diese näher zu überprüfen.
- Ablehnung an den Apothekerverband vom 06.09.2017: Die Rezeptprüfung der Krankenkasse wiederholt ihre Feststellung, dass für ihre Versicherte weder eine Befreiung vorlag noch eine beantragt wurde. Zudem unterstellt die Krankenkasse, dass dies der Apotheke bekannt war, denn: „Sie haben für unsere Versicherte im Jahr 2016 mehr als 100 Verordnungen beliefert und für jede Verordnung eine Zuzahlung kassiert.“ Zudem sei die Übermittlung der Kopie der Befreiungskarte die Voraussetzung für die Anerkennung des Einspruchs. Die Krankenkasse bleibt daher bei ihrer Ablehnung und wird die Rezeptgebühr mit der nächsten Apothekenforderung verrechnen.
Offenbar ist es der Rezeptprüfung der Krankenkasse nicht zu vermitteln, dass es keine Apothekenprüfpflicht für den ärztlich gekennzeichneten Gebührenstatus gibt. Dies gilt selbst dann, wenn die Arztpraxis den Gebührenstatus irrtümlich falsch angekreuzt hat.
Alle Kreuze finden sich auf der Verordnung korrekt und eindeutig in den dafür vorgesehenen Kästchen. Dass diese dort nicht hingehören, spielt laut Neufassung des Rahmenvertrags keine Rolle. Eine Statusprüfplicht für die Apotheke hat der Gesetzgeber ausdrücklich und wissentlich nicht verfügt. Würde die Meinung der Krankenkasse zutreffen, wäre das Statuskreuz de facto bedeutungslos und die eingangs genannte Vereinbarung in § 3 (1) 4d Rahmenvertrag ebenso.
DAP – Retaxforum – Dieter Drinhaus
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