Gleiche N-Bezeichnung = gleiche Packungsgröße! Oder nur, wenn es für die Kasse wirtschaftlich ist?

Erinnern Sie sich noch an die Probleme rund um die Omeprazolverordnungen?
Im Jahr 2009 hatte die AOK einen Rabattvertrag über N1-Größen mit 15 St., N2 mit 28 St., N3 mit 56 und N3 mit 98 St. abgeschlossen. Was letztlich dazu führte, dass bei Verordnungen anderer Hersteller über 30, 50, 60 oder 100 St. nicht gegen die rabattierten Präparate mit abweichender Stückzahl ausgetauscht werden durfte. Dies wurde seinerzeit vom rabattierten Hersteller auch in Rundschreiben mitgeteilt und dabei auf die Regressgefahr bei angeblich unwirtschaftlicher Verordnung hingewiesen. Dies führte letztlich sogar zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, da das „Stückzahlproblem“ damals zusätzlich durch nicht vollständig übereinstimmende Indikationen erschwert wurde.

In Rahmen dieser Auseinandersetzungen mehrten sich die neu zugelassenen Omeprazolgrößen, da viele Hersteller versuchten, die Abgabe der rabattierten Stückzahlen legal zu umgehen. Die Krankenkassen baten daher den Gesetzgeber, dieser Problematik ein Ende zu bereiten, was schließlich im SGB V gesetzlich verankert wurde: 

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) § 129 Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung

„(1) Die Apotheken sind bei der Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte nach Maßgabe des Rahmenvertrages nach Absatz 2 verpflichtet zur
1. Abgabe eines preisgünstigen Arzneimittels in den Fällen, in denen der verordnende Arzt
a) ein Arzneimittel nur unter seiner Wirkstoffbezeichnung verordnet oder
b) die Ersetzung des Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ausgeschlossen hat, […]
Bei der Abgabe eines Arzneimittels nach Satz 1 Nummer 1 haben die Apotheken ein Arzneimittel abzugeben, das mit dem verordneten in Wirkstärke und Packungsgröße identisch ist, für ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen ist und die gleiche oder eine austauschbare Darreichungsform besitzt; als identisch gelten dabei Packungsgrößen mit dem gleichen Packungsgrößenkennzeichen nach der in § 31 Absatz 4 genannten Rechtsverordnung […].“

Dieses wurde seitdem auch in jeden Rahmenvertrag zwischen den GKV-Kassen und dem Spitzenverband der Apotheken festgehalten:

4 Rahmenvertrag – Auswahl preisgünstiger Arzneimittel

„(1) Hat der Vertragsarzt ein Arzneimittel
- nur unter seiner Wirkstoffbezeichnung verordnet oder
- die Ersetzung eines unter seinem Produktnamen verordneten Fertigarzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ausgeschlossen (aut idem),
hat die Apotheke unter folgenden Voraussetzungen ein der Verordnung entsprechendes Fertigarzneimittel auszuwählen und nach den Vorgaben der Absätze 2 bis 4 abzugeben und zu berechnen […]
c) identische Packungsgröße,
als identisch gelten auch Packungsgrößen, die nach der geltenden Fassung der Rechtsverordnung nach § 31 Absatz 4 SGB V (Packungsgrößenverordnung) dem gleichen Packungsgrößenkennzeichen zuzuordnen sind.“

Dennoch nehmen manche Krankenkassen diese – auf ihren Wunsch entstandene, gesetzliche und vertragliche Vorschrift – nur zur Kenntnis, wenn diese wirtschaftlich für sie vorteilhaft erscheint. Ansonsten berufen sie sich immer wieder gerne auf das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot, selbst wenn dazu im Rahmenvertrag keine nähere ausführende Regelung vereinbart wurde:

1 Gegenstand des Rahmenvertrages

Dieser Rahmenvertrag regelt das Nähere über
1. die Abgabe eines preisgünstigen Arzneimittels in Fällen, in denen der verordnende Vertragsarzt ein Arzneimittel nur unter seiner Wirkstoffbezeichnung verordnet oder die Ersetzung des Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel durch den Apotheker nicht ausgeschlossen hat und die Abgabe von Arzneimitteln, für die ein Rabattvertrag nach § 130a Absatz 8 SGB V besteht (§ 129 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 SGB V).“

Hierzu wieder eine aktuelle Retaxation aus dem Kreis der Mitglieder des DAP Forums:

Krankenkasse: BARMER (IK 100180008)
Verordnung:2x! Clexane 80 mg 0,8 ml Pharma Gerke Arz ILO 24 St.
Abgabedatum:17.11.2017

Da die beiden 24er-Packungen nicht lieferbar waren, hat die Apotheke, nach auf der Verordnung vermerkter Rücksprache, die gesetzlich und vertraglich legitimierte identische Packungsgröße mit 50 Stück eines verfügbaren Importpräparates abgegeben.

Dennoch hat die Rezeptprüfungsstelle diese Versorgung retaxiert:

Interessant, dass sich der Rezept­prüfungs­dienst­leister hier auf den § 17 einer „ApoBetrO“ beruft, die

  • amtlich eigentlich „ApBetrO“ heißt und
  • deren Bedingung die Apotheke durch eine vermerkte Rücksprache vor der Versorgung erfüllt hat.

Die betroffene Apotheke teilte dem Moderator des DAP Forums das mündlich mitgeteilte Ergebnis ihres Einspruchs über ihren Apothekerverband mit:

  • Die Retaxation über 77,21 Euro bleibt bestehen
  • „Überschreitung der Abgabemenge“: Die Apotheke hätte 4 x 10 St. Import von ACA Müller abgeben sollen (PZN 13827528)

Zudem hätte die betroffene Apotheke gern gewusst, wie sie die angeblich abzugebenden vier 10er-Importpackungen „zusammenkaufen“ sollte:

Hätte die Apotheke, wie hier gefordert, 4 x 10 Import­packungen des geforderten Imports abgegeben, dann wäre sie vermutlich wegen Nichtabgabe von 4 x 12 Stück rabattiert worden.

Auf die gesetzliche und vertragliche Normgrößenregelung zu „identischen Packungs­größen“ wurde nicht eingegangen.

Bleibt die Frage, wozu wir Apotheken gesetzliche und vertragliche Regelungen brauchen, wenn Rezept­prüfungs­stellen diese nicht berücksichtigen, stattdessen das allgemeine Wirtschaftlich­keitsgebot mit nicht praxis­tauglichen und rabattvertragswidrigen Abgabevorgaben bemühen sowie sogar Einsprüche der Apothekerverbände ablehnen?

Ich hoffe, dass nun einem erneuten Einspruch der Apotheke stattgegeben wird.

Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum

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