Gilt der Rahmenvertrag nur für Apotheken?

Eine unnötige Frage werden Sie jetzt mit Recht denken, denn würde die Überschrift zutreffen, dann könnten wir uns die mühevollen und häufig langwierigen Vertragsverhandlungen zur praktikablen und zeitnahen Versorgung der GKV-Patienten getrost sparen.

Die Arzneimittel-Lieferverträge auf regionaler und Bundesebene werden zwischen den, durch ihre jeweiligen Mitglieder (Apotheker und GKV-Kassen), legitimierten Verhandlungsführern einvernehmlich vereinbart. Da bei diesen Verhandlungen immer ein Kompromiss zwischen den häufig gegensätzlichen Meinungen gefunden werden muss, ist unabdingbare Grundlage natürlich anschließend der allgemeine Rechtsgrundsatz „pacta sunt servanda“ (Verträge sind einzuhalten). Wenn nachträglich einer der Vertragspartner – zu seinem Vorteil – mit ständig abweichenden Vertragsinterpretationen die praktische Umsetzung störte, dann gäbe es für derartige Verträge und auch für die beteiligten Vertragsverbände nämlich keine Notwendigkeit mehr.

Die Retaxwelle

Leider muss dennoch von uns immer wieder von derartigen Retaxationen berichtet werden. Derzeit erfahren wir vermehrt von Retaxationen der KKH-Rezeptprüfung, die die vertraglich vereinbarten Regelungen zur Verwendung der Sonder-Pharmazentralnummern – insbesondere bei Nichtlieferbarkeit – massenhaft missbräuchlich verwendet sieht. Wie anders wäre es zu erklären, dass sich diese Retaxationen nicht nur auf wenige begründete Einzelfälle beschränken, sondern trotz vertraglich korrektem Verhalten der Apotheken an eine Vielzahl von Apotheken versandt wurden. Folgend nur einige Beispiele:

1. Beispiel:

Krankenkasse: KKH
Verordnet:Rivastigmin Glen 4,6 mg 24 h PFT 90 St. N3
Abgabe:15.02.18

Der Rabattartikel war nicht lieferbar, was die Apotheke auch vertragsgemäß auf der Verordnung mit Sonder-PZN 02567024, Schlüsselfaktor 2, handschriftlichem Vermerk, Datum und Unterschrift dokumentierte.

Dennoch wurde der Apotheke die Vergütung ihrer Versorgung verweigert, da der Rezeptprüfung die vertraglich durch ihren Spitzenverband vereinbarte Dokumentation nicht ausreichend, weil „unplausibel“ erschien:

Wie sollen wir das nun verstehen, wenn der Prüfdienstleister der Krankenkasse die vertraglich vereinbarte Begründung einer Apotheke als „unplausibel“ bezeichnet? Allein ein kurzer Blick auf die derzeitigen (Liefer-)Defekte zeigt, dass die Lieferproblematik nach wie vor besteht.

Und dieser Fall ist, wie bereits erwähnt, kein Einzelfall, sondern viele Apotheken sind derzeit von solchen Retaxationen betroffen.

2. Beispiel: Retax: 50,93 Euro

3. Beispiel: Retax: 503,49 Euro

Eigentliche Vereinbarung gemäß Rahmenvertrag

3 (1) 7c Rahmenvertrag – Zahlungs- und Lieferanspruch

Der durch Normverträge näher ausgestaltete gesetzliche Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht im Gegenzug für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Leistungspflicht mit Belieferung einer gültigen ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Verordnung. Der Vergütungsanspruch des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn

  • ein Vertrag nach § 129 Absatz 5 rechtmäßig das Entstehen eines Vergütungsanspruches trotz eines Verstoßes vorsieht,
  • über die Anforderungen der AMVV und BtMVV hinaus in Verträgen nach § 129 Absatz 5 SGB V vom Arzt aufzutragende Angaben (z. B. LANR, BSNR, Kassen-IK) vorgesehen sind, und diese von der Apotheke ergänzt wurden. Hat die Apotheke insoweit keine Ergänzung vorgenommen, entsteht der Vergütungsanspruch trotzdem, es sei denn, die Verträge nach § 129 Absatz 5 SGB V sehen bei fehlenden oder fehlerhaften Angaben eine Retaxation ausdrücklich vor,
  • die Krankenkasse im Einzelfall entscheidet, die Apotheke trotz eines derartigen Verstoßes ganz oder teilweise zu vergüten,
  • es sich um einen unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden, insbesondere formalen Fehler handelt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn […]

7. bezogen auf den Rahmenvertrag […]

c. die Apotheke in den Fällen des § 4 Absatz 2 Satz 2 (Nichtverfügbarkeit), des § 4 Absatz 3 Sätze 1 und 2 (Akutversorgung, Notdienst) sowie des § 4 Absatz 3 Satz 2 i. V. m. § 17 Absatz 5 ApBetrO (pharmazeutische Bedenken) dieses Vertrages

(1) entweder nur das vereinbarte Sonderkennzeichen oder

(2) nur einen Vermerk auf der Verordnung aufträgt oder

(3) im Fall, dass Vermerk und Sonderkennzeichen auf der Verordnung fehlen, einen objektivierbaren Nachweis im Beanstandungsverfahren erbringt; […].

Hier ist klar vereinbart, dass selbst wenn Vermerk und Sonderkennzeichen bei einer GKV-Abrechnung fehlen würden – was hier jeweils nicht der Fall war – eine Retax im Beanstandungsverfahren zurückzunehmen wäre.

Und genau diese Rücknahme geschieht auch in allen uns bekannten Fällen, wenn die retaxierten Apotheken Einspruch einlegen und diesem einen „objektivierbaren Nachweis“ (= Groß­handels­belege) beilegen.

Es ist durchaus nachvollziehbar, wenn eine Rezeptprüfstelle in begründeten Einzelfällen einen Nachweis über die Nichtlieferbarkeit anfordert. Dies aber pauschal und unbegründet als „Massenretax“ zu versenden, würde die vertragliche Rahmenvertragsvereinbarung zwischen den Apotheken und dem GKV-Spitzenverband ad absurdum führen!

Fazit

Den betroffenen Apotheken kann ich daher derzeit nur raten, immer begründeten Einspruch einzulegen, denn diese Retaxationen werden nur dann aufhören, wenn sie finanziell erfolglos bleiben und auch für die Prüfstellen nur noch mit (zusätzlichen) Kosten und Arbeit verbunden sind.

Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum

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