Gekündigte Hilfstaxe: Rezeptur­retaxierungen – was nun?

Mit der DAV-seitigen Kündigung der Anlage 1 (Stoffe) und Anlage 2 (Gefäße) der Hilfs­taxe besteht seit Januar 2024 ein vertrags­loser Zustand. Dass es bei der Preis­berechnung von Rezepturen zu Unstimmig­keiten kommen würde, war abzu­sehen. Jetzt trudeln die Retaxierungen in den Apotheken ein. Wie ist damit umzu­gehen?

Aufgrund einer deutlichen Preis­erhöhung der Rezeptur­aus­gangs­stoffe war eine Anpas­sung bei der Abrechnung der Rezepturen not­wendig geworden. Da der GKV-Spitzen­verband mehrere Vorschläge zur Anpassung abge­lehnt hatte, beschloss der DAV im September 2023 ein­stimmig, die Anlagen 1 (Stoffe) und 2 (Gefäße) des Vertrags über die Preis­bildung für Stoffe und Zube­reitungen aus Stoffen (Hilfstaxe) frist­gerecht zum 31. Dezember 2023 gegen­über dem GKV-Spitzen­verband zu kündigen. Seit dem 1. Januar 2024 werden Rezepturen auf­grund des vertrags­losen Zustands nach den §§ 4 und 5 der Arznei­mittel­preis­ver­ordnung (AMPreisV) abge­rechnet.

4 AMPreisV: Apothekenzuschläge für Stoffe

(1) Bei der Abgabe eines Stoffes, der in Apotheken in unver­ändertem Zustand umge­füllt, abge­füllt, abge­packt oder gekenn­zeichnet wird, sind ein Fest­zuschlag von 100 Prozent (Spanne 50 Prozent) auf die Apotheken­ein­kaufs­preise ohne Umsatz­steuer für Stoff und erforderliche Ver­packung sowie die Umsatz­steuer zu erheben.

(2) Auszu­gehen ist von dem Apotheken­einkaufs­preis der abzu­gebenden Menge des Stoffes, wobei der Einkaufs­preis der üblichen Abpackung maß­gebend ist. […]

5 AMPreisV: Apotheken­zu­schläge für Zube­reitungen aus Stoffen

(1) Bei der Abgabe einer Zube­reitung aus einem Stoff oder mehreren Stoffen, die in Apotheken ange­fertigt wird, sind

  1. ein Festzu­schlag von 90 Prozent auf die Apotheken­einkaufs­preise ohne Umsatz­steuer für Stoffe und erforderliche Verpackung,
  2. ein Rezeptur­zuschlag nach Absatz 3,
  3. ein Festzuschlag von 8,35 Euro für Zube­reitungen nach Absatz 3, die nicht Absatz 6 unter­fallen

sowie die Umsatz­steuer zu erheben.

(2) Auszugehen ist von den Apotheken­einkaufs­preisen der für die Zubereitung erforder­lichen Mengen an Stoffen und Fertig­arznei­mitteln. Maßgebend ist

  1. bei Stoffen der Einkaufs­preis der üblichen Abpackung,
  2. bei Fertig­arznei­mitteln der Einkaufs­preis nach § 3 Abs. 2 der erforder­lichen Packungs­größe, höchstens jedoch der Apotheken­einkaufs­preis, der für Fertig­arznei­mittel bei Abgabe in öffentlichen Apotheken gilt. […]

Konkret ergibt dies folgende Preis­berechnung für die Abrechnung der Abgabe eines Stoffes, der in Apo­theken in unver­ändertem Zu­stand umge­füllt, abge­füllt, abge­packt oder gekenn­zeichnet wird:

EK des verwendeten Stoffes + 100 % Festzuschlag

+ EK der erforderlichen Packmittels + 100 % Festzuschlag

+ Umsatzsteuer

Die Abgabe einer Zube­reitung aus einem Stoff oder mehreren Stoffen, die in Apotheken ange­fertigt werden, wird folgender­maßen berechnet:

EK der erforderlichen Stoffe + 90 % Festzuschlag

+ EK des erforderlichen Packmittels + 90 % Festzuschlag

+ Rezepturzuschlag

+ Festzuschlag von 8,35 €

+ Umsatzsteuer

Für Stoffe, Gefäße und nicht verschreibungs­pflichtige Arznei­mittel ist der tatsächliche Einkaufs­preis zu verwenden, bei den verschreibungs­pflichtigen Arznei­mitteln jedoch der Listen-EK. Abgerechnet werden darf nach Ein­schätzung des DAV basierend auf der AMPreisV jeweils die gesamte Packung und nicht, wie einige Kassen nun behaupten und auf dieser Grund­lage retaxieren, nur die Teil­menge der tat­sächlich benötigten Menge! Denn wie in der AMPreisV formuliert ist, ist eine „übliche Abpackung“ als das Gebinde zu inter­pretieren, das für die Herstellung der Rezeptur erforderlich ist (analog zu den Fertig­arznei­mitteln).

Dass die Kranken­kassen in diesem Fall anderer Ansicht sind, war zu befürchten – doch die Situation ist keines­wegs hoffnungs­los für retaxierte Kolleginnen und Kollegen: So haben das Sozial­gericht Münster und später das Landes­sozial­gericht NRW in einem ähnlichen Fall im Januar 2024 (Az. L 10 KR 701/22) zugunsten der Apotheke entschieden. Der betroffene Apotheker klagte gegen Retaxierungen von Rezepturen, in denen er das Fertig­arznei­mittel Mitosyl® und die Fett­salbe Neribas® als gesamte Packung in Ab­rechnung gebracht hatte. Zu diesem Zeitpunkt galt zwar die Hilfs­taxe noch, aber diese beiden Produkte waren dort nicht aufge­führt, sodass die Apotheke nach § 5 Abs. 2 der AMPreisV abgerechnet hat.

Gemäß § 5 Abs. 2 hat die Apotheke den Einkaufs­preis der erforderlichen Packungs­größe zzgl. des 90-%-Aufschlags abgerechnet. Die Apotheke hat also diejenige Fertig­arznei­mittel-Packung ausgewählt, die zur Herstellung der Rezeptur erforderlich war, und voll­ständig abgerechnet. Die Krankenkasse war jedoch der Auf­fassung, dass die Einkaufs­preise für Mitosyl® bzw. Neribas® nur jeweils ent­sprechend der tat­sächlich ver­arbeiteten Menge anteilig zu berück­sichtigen seien. In der Urteils­begründung heißt es dann jedoch, die Beklagte (die Kranken­kasse) gehe zu Unrecht davon aus, dass der Kläger bei der Berechnung des Abgabe­preises für die streit­befangenen Rezepturen nicht jeweils den Preis als jeweils kleinster erhältlicher Menge hätte an­setzen dürfen, sondern bloß einen Anteil dieses Preises, der der jeweils tat­sächlich ver­brauchten Menge entspricht. Folgendes ist u. a. in den Entscheidungs­gründen zu lesen:

Aus den Entscheidungsgründen

„§ 5 Abs. 2 AMPreisV lässt die von der Beklagten (Kranken­kasse) ver­tretene Aus­legung nicht zu. Vielmehr sind Apotheken danach auch dann berechtigt, bei der Preis­be­rechnung den jeweiligen Apotheken­preis der üblichen Abpackung eines für eine Zube­reitung benötigten Stoffs (Nr. 1) bzw. der erforder­lichen Packungs­größe eines Fertig­arznei­mittels (Nr. 2) anzu­setzen. Dass die Apotheken­einkaufs­preise auf die tat­sächlich benötigte Menge des Stoffs bzw. des Fertig­arznei­mittels herunter­zu­rechnen wären, ergibt sich nicht aus § 5 Abs. 2 AMPreisV und ist auch in keiner der maßgeblichen Verein­barungen vorge­sehen.“

Auch wenn dieses Urteil noch nicht rechts­kräftig ist, da die betroffene Kranken­kasse Revision vor dem Bundes­sozial­gericht (BSG) einge­reicht hat (Az. B 3 KR 4/24 R), lassen die beiden zuvor zu­gunsten der Apotheke ge­fällten Urteile doch hoffen, dass auch das BSG dieser Ent­scheidung folgt. In jedem Fall sollten sich auf­grund der Rezeptur­be­rechnung nach §§ 4 und 5 der AMPreisV retaxierte Apotheken mit ihrem zu­ständigen Verband in Verbindung setzen, damit dieser für sie Ein­spruch einlegen kann.

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