Ja, nein, vielleicht – wie hätten Sie bei solch einem Entlassrezept entschieden?
Das DAP-Team erreichen derzeit neben zahlreichen Anfragen zu E-Rezepten auch regelmäßig Fragen zu Entlassrezepten. Die Crux: Hier scheint es für Apotheken (und damit auch für die Versicherten der zahlungspflichtigen Krankenkassen) derzeit keine eindeutige Lösung zu geben. Letztlich trägt die Apotheke hier ein immenses wirtschaftliches Risiko, solange nicht neben der AOK Baden-Württemberg und der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) weitere Krankenkassen diesbezüglich auch bei Entlassrezepten auf Retaxationen verzichten.
Nun haben die Primärkassen in NRW eine Friedenspflicht bei Entlassrezepten (und E-Rezepten) erklärt, zumindest hier wird es also für Apotheken leichter.
Welche Lösung gibt es in folgendem Fall für die Apotheke – wie hätten Sie entschieden?
Eine Apotheke berichtet von zwei (Papier-)Rezepten, die in einer Klinik für Urologie ausgestellt wurden. Dabei wurden einmal ein hochpreisiges, oral einzunehmendes Zytostatikum und auf dem anderen Rezept ein Immunsuppressivum verordnet. Insgesamt ergeben beide Rezepte eine Summe von knapp unter 2.000 Euro. Da ist nachvollziehbar, wenn bezüglich der Rezeptbelieferung Unsicherheit herrscht.
Folgende Merkmale trugen die Rezepte:
- Kein Balken „Entlassmanagement“ im Personalienfeld
- Eine Nummer beginnend mit 77 im Feld BSNR
- Die Zahl 4 an letzter Stelle im Statusfeld
- In der Codierzeile eine Nummer beginnend mit 73
Die Apotheke fragte nun, ob diese Rezepte als Entlassrezepte zu werten seien, obwohl der Balken im Personalienfeld als auffälligstes Merkmal fehlte.
Wie schon zuvor an dieser Stelle berichtet, ist dies nach unserer Einschätzung kein eindeutig ausgestelltes Entlassrezept, da der genannte Balken, der in Anlage 8 des Rahmenvertrags als unerlässlich bei Muster-16-Rezepten im Entlassmanagement gefordert wird, fehlt. Allerdings folgen viele Krankenkassen nicht dieser Auffassung und retaxieren, wenn die Apotheke solch ein Rezept nach mehr als 3 Werktagen beliefert (siehe „Retaxfall: Entlassmanagement ohne Balken“ https://www.deutschesapothekenportal.de/rezept-retax/retaxfall-archiv/detail/retaxfall-entlassrezept-ohne-balken-entlassmanagement/).
Daher hätten wir der Apotheke in diesem Fall zunächst geraten, das Rezept sicherheitshalber als Entlassrezept zu behandeln und innerhalb der 3-Tages-Frist zu beliefern. Doch dann fällt der Blick auf das „Nummernchaos“. An sich ist – wie für Krankenhäuser mittlerweile vorgeschrieben – das Standortkennzeichen beginnend mit den Ziffern 77 im BSNR-Feld eingetragen. Die Nummer in der Codierzeile weicht zwar davon ab, aber die Apotheke kann diese nach Rücksprache mit der Klinik im Rahmen ihrer Heilungsmöglichkeiten gemäß Rahmenvertrag streichen. Doch dann bleibt das Dilemma, dass zwar für Krankenhäuser die Angabe des Standortkennzeichens mit den Ziffern 77 verpflichtend ist, die Apotheke aber auf das Vorhandensein der BSNR mit den Ziffern 75 prüfen soll. Da dieser Zustand für Apotheken unhaltbar ist, gilt die Empfehlung, solche Verordnungen privat abzurechnen – doch welcher Versicherte wird gerne mit knapp 2000 Euro in Vorleistung gehen, weil es Unstimmigkeiten mit den Nummern gibt? Wie sollen Apotheken dieses Chaos der Formalien ihrer Kundschaft erklären? Nun möchte die Apotheke natürlich die Patientenversorgung aufrechterhalten, aber nach unserer Einschätzung bleibt in dieser Situation nur eine zufriedenstellende Lösung: in einer haus- bzw. fachärztlichen Praxis normale Rezepte über die genannten Arzneimittel ausstellen zu lassen. Es bleibt die Frage, ob dies überhaupt praktikabel ist, denn die Rezepte wurden freitags ausgestellt und eigentlich sollte damit ja genau die Problematik gelöst werden, dass aus dem Krankenhaus Entlassene nicht direkt ihre betreuenden Ärztinnen und Ärzte aufsuchen müssen, um die weiteren Verordnungen abzuklären. Aber nun rutschen wir offenbar wieder in die Zeit von vor dem Entlassmanagement zurück und Apotheken und Versicherte „müssen schauen“, wie sie in solch einer Situation zusammenkommen.
Wir sind gespannt auf Ihre Rückmeldungen zu diesem Thema: Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht? Wie hätten Sie das Problem an einem Freitagnachmittag in Ihrer Apotheke gelöst? Teilen Sie Ihre Erfahrungen gerne unter diesem Beitrag mithilfe der Kommentarfunktion.
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