Entlassrezept: Theorie und Praxis

Bereits in den Retax-News vom 14. Januar 2016 hatten wir darauf hingewiesen, dass die Probleme mit den sogenannten Entlassrezepten durch die neuen Vorschriften erwartungsgemäß eher zunehmen als abnehmen werden, obwohl diese in der guten Absicht beschlossen wurden, die lückenlose ambulante Versorgung der Patienten im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt sicherzustellen.

Hintergründe

Der neue Rahmenvertrag über ein „Entlassmanagement beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung nach § 39 Abs. 1a S. 9 SGB V“ geht auf die durch den G-BA bereits am 17. Dezember 2015 beschlossene Erweiterung der Arzneimittel-Richtlinie und letztlich auch auf den bereits seit 2007 mit dem GKV-VSG beschlossenen § 11 (4) SGB V zurück.

Ungeachtet dessen, dass die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) bereits Ende Mai 2016 zum ersten Rahmenvertragsentwurf „Entlassmanagement“ eine kritische Stellungnahme zu ungeklärten Problemen abgegeben hatte, wurden die Apotheker nicht aktiv in die Beschlussfassung des Rahmenvertrags zwischen dem GKV-Spitzenverband, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) einbezogen.

Da auch zwischen den oben genannten Vertragspartnern keine einvernehmliche Einigung erzielt werden konnte, musste letztlich das „erweiterte Bundesschiedsamt“ den Rahmenvertrag beschließen und zum 1. Oktober 2017 in Kraft setzen.

Über die im Rahmenvertrag „Entlassmanagement“ enthaltenen Vorschriften haben natürlich auch die Fachmedien der Apotheken ausführlich berichtet und auf die zahlreichen ungeklärten Fragen aus Sicht der Apotheken – die seit dem 1. Oktober 2017 die Arzneimittelversorgung entlassener Patienten sicherstellen müssen – hingewiesen:

Obwohl die Vorgaben für die fachärztliche, vertragsgemäße Entlassverordnung weitgehend klar formuliert sind, war zu befürchten, dass diese auch ärztlicherseits nicht zum Stichtag EDV-mäßig umgesetzt und beachtet werden können und das Problem der vertragsgemäßen Versorgung wieder einmal bei den Apotheken hängen bleiben würde. Dies führt dazu, dass bereits völlig unbrauchbare „Entlassverordnungen“ in unseren Apotheken eintreffen und dort auf pharmazeutisches Personal treffen, das bis dato keinerlei Angaben erhalten hat, inwieweit sie gegebenenfalls künftig über Retaxation für den „ordnungsgemäßen“ Inhalt solcher Entlassrezepte finanziell einstehen müssen.

Der Fall

Folgende „Entlassverordnung“ wurde mir von einer Mitgliedsapotheke des DAP Retaxforums zur Verfügung gestellt:

Vom laut der „Technischen Anlage“ vorgeschriebenen Rezeptaufdruck „Entlassmanagement“ des ärztlichen Rahmenvertrags ist lediglich der nicht überklebte „Restbalken“ rechts oben (rot umrandet) erkennbar! Zum Vergleich:

Hierzu schreibt die betroffene Apotheke ihren Kolleginnen und Kollegen im DAP Retaxforum: 

„Ich habe vorgestern das erste Entlassmanagement-Rezept bekommen und es erst auf dem zweiten Blick als ein solches identifiziert – Schock!
Die Klinik hat einfach auf den Querbalken ein Patientenetikett draufgeklebt, dazu die Versicherten-Nummer und BSNR handschriftlich ergänzt, Klinikstempel drauf, unleserliche Unterschrift und 4 Fertigspritzen Innohep 3.500 verordnet und fertig.
Es fehlte die Kostenträgerkennung, der Status, die LANR, das Ausstellungsdatum, der Name des Verschreibenden und die Facharztbezeichnung. Die Kundin hatte ihr Kassenkärtchen dabei und ich konnte einiges davon abschreiben. Der Arzt ließ sich auch nach Anruf nicht ermitteln (er hatte das Rp. blanko unterschrieben und eine Krankenschwester den Rest schreiben lassen).“

Und dies, obwohl § 3 7) Rahmenvertrag Entlassmanagement dem Arzt vorschreibt:

3 Rahmenvertrag über ein Entlassmanagement beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung nach § 39 Abs. 1a S. 9 SGB V

„7) […] Zusätzlich ist verpflichtend eine Rufnummer eines zuständigen Ansprechpartners für Rückfragen der weiterbehandelnden Leistungserbringer anzugeben. Unter dieser Rufnummer muss zumindest Montag bis Freitag in der Zeit von 09:00 bis 19:00 Uhr, Samstag von 10:00 bis 14:00 Uhr und Sonntag von 10:00 bis 14:00 Uhr ein für das Entlassmanagement des Krankenhauses zuständiger Ansprechpartner für Rückfragen zur Verfügung stehen.“

Weiter schreibt die Apotheke:

„Und dann machte mir das Innohep noch Kopfzerbrechen. Im Handel ist die 10er Packung mit N1 und 2er + 6er Fertigspritzen mit k. A.“

Erschwerend kam hinzu, dass eine Versorgung mit 1 x 2 St. Innohep Fertigspritzen mit 3.500 Anti-XA bei einmal täglicher Applikation nicht für die im Rahmenvertrag zum Entlassmanagement vorgesehene 3-Tages-Versorgung eines Patienten mit mittlerem thromboembolischen Risiko ausgereicht hätte. Zudem wäre eine 6er-Packung für die Krankenkasse sogar wirtschaftlicher als die verordneten vier Fertigspritzen – also was tun?

„Nach Rückfrage beim LAV [Apothekerverband] habe ich dann 2 x 2 Fertigspritzen gestückelt, da die N1 noch nicht erreicht ist und habe das halbe Rezept mit Erklärungen zu den fehlenden Angaben aus der Klinik vollgeschrieben, nachdem ich meine gesträubten Nackenhaare wieder glatt gekämmt hatte.“

Verständlicherweise verärgert schreibt uns die versorgende Apotheke weiterhin:

„Wenn ich nochmal so ein Lückenrätsel in die Hand bekomme, will ich Entlass-Rezepte im DinA5-Format haben und die Nach-Bearbeitungszeit wie in der Autowerkstatt im Minutentakt extra berechnen können!“

Obwohl nach Mitteilung von Apothekerverbänden aus dem ärztlichen Rahmenvertrag zum Entlassmanagement keine Prüfpflicht oder Retaxberechtigung gegen Apotheken hergeleitet werden kann, haben wir die Kassendaten vorsichtshalber unkenntlich gemacht, damit die versorgende Apotheke – trotz ihrer Bemühungen und Rücksprache mit ihrem Apothekerverband – keine Probleme befürchten muss.

Gleichwohl kann dieser Zustand nicht zum Dauerproblem einer drohenden Retaxation für uns Apotheker werden. Ein verbindlicher „Apotheken-Haftungsausschluss“ für nicht „ordnungsgemäß“ ausgestellte Entlassverordnungen ist im Rahmenvertrag der Apotheken bzw. unseren ergänzenden Versorgungsverträgen erforderlich, zumal auch BtM-Verordnungen und Verschreibungen mit teratogenen Wirkstoffen (§ 3a AMVV) entgegen der für sie geltenden besonderen Vorschriften ebenfalls nur drei Tage gültig sind. Diese sind dann nur noch an der abschließenden „4“ im Statusfeld (vgl. Rezeptabbildung oben) erkennbar, da sie weiterhin auf den für sie vorgeschriebenen Formularen zu verordnen sind, wodurch der Querbalken „Entlassmanagement“ fehlt!

DAP – Retaxforum – Dieter Drinhaus

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