Eindeutige Normgrößenverordnung retaxiert

Was hilft es, wenn sich Apotheker und GKV-Kassen auf einen neuen Rahmen­vertrag geeinigt haben, aber die neuen Verein­barungen im § 3 Rahmen­vertrag von manchen Kranken­kassen aufgrund eigener Interpretationen weder akzeptiert noch angewendet werden?

Seit nahezu zwei Jahren müssen wir Apotheker/innen die frustrierende Erfahrung machen, dass wir nach wie vor via Retaxationen finanziell zur Kasse gebeten werden, weil die neuen Vereinbarungen keineswegs so patienten­freundlich und „bürokratie­entschärft“ angewendet werden, wie sie vom Gesetzgeber und der Schieds­stelle ursprünglich beabsichtigt waren: Nachträgliche Einspruchs­bestätigungen werden von manchen Kranken­kassen nicht anerkannt, erneute Einsprüche gegen bereits abgelehnte Einsprüche werden untersagt und aufgrund der fehlenden finanziellen Haftung wird ohne Risiko auf den verbleibenden Rechtsweg verwiesen.

Eines dieser zahlreichen Retax­beispiele wurde dem DAP-Team mit der Bitte um Unter­stützung zugesandt.

Der Fall

Kranken­kasse: IKK Brandenburg und Berlin (IK 109500297)
Ver­ordnung:3 x Levodo Ca Ent 100/25/200 mg FTA N2 100 St !
Abgabe­datum:27.03.2017

Bei diesem Rezept hat die verordnende Fachärztin ganz klar die gewünschte und benötigte Verordnungs­menge benannt und mit Normgröße und Ausrufe­zeichen bestätigt. Daher wurde der Patient durch seine Apotheke auch mit den verordneten drei Packungen (PZN 10062054) seiner Langzeit­medikation versorgt.

Dennoch war die Rezept­prüfstelle der Meinung, die ärztlich verordneten drei Packungen N2 mit 100 Stück aus wirtschaftlichen Gründen auf eine Packung mit 175 Stück N3 kürzen zu dürfen:

Die Rezept­prüfstelle beruft sich in ihrer Erstattungs­kürzung auf § 6 Abs. 1 bis Abs. 4 Rahmen­vertrag und kürzt die Versorgungs­vergütung um 143,65 Euro abzüglich der bereits an die Kasse abgeführten Rabatte:

Der § 6 des Rahmen­vertrags begründet hier allerdings keine Retax, denn er bezieht sich ausschließlich auf Stückzahl­verordnungen oder Verordnungen über nicht existierende N-Größen:

6 Absatz 3 Rahmenvertrag

"Überschreitet die nach Stückzahl verordnete Menge die größte für das Fertig­arznei­mittel festgelegte Messzahl, ist nur die nach der geltenden Packungs­größen­verordnung aufgrund der größten Messzahl bestimmte größte Packung oder ein Vielfaches dieser Packung, jedoch nicht mehr als die verordnete Menge abzugeben."

Keine der Regelungen in § 6 Rahmen­vertrag ist somit auf die vorliegende Verordnung anzuwenden.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass die hier betroffenen Packungen seit 01.06.2017 „außer Handel“ sind und das Nachfolge­präparat für die IKK Brandenburg und Berlin rabattiert ist, was jedoch zum Abgabe­zeit­punkt am 27.03.2017 noch nicht galt:

Der unzutreffende Vertrags­wortlaut ist auch der Rezept­prüf­stelle bekannt, da sie diesen in ihrer Einspruchs­ablehnung ausdrücklich betonte, gleichwohl wurde der § 6 zur Einspruchs­ablehnung herangezogen:

Diese Problematik ist seit vielen Jahren bekannt. Da man sich jedoch bis dato nicht auf eine erforderliche Neuregelung und Erweiterung des § 6 Rahmen­vertrag einigen konnte, wurde eigens für diese bisher nicht geregelten Fälle eine Verein­barung im neuen § 3 des Rahmen­vertrags (Schieds­vertrag) getroffen.

3 Rahmenvertrag

„Der Vergütungs­anspruch des Apothekers entsteht trotz nicht ordnungs­gemäßer vertrags­ärztlicher Verordnung oder Belieferung dann, wenn […]
7. bezogen auf den Rahmen­vertrag […]
e. die Apotheke bei einer Verordnung, für die § 6 dieses Vertrages keine Regelung enthält, unter Beachtung der Wirtschaft­lichkeit und des Vorranges der Abgabe rabatt­begünstigter Arznei­mittel Packungen bis zu der vom Arzt insgesamt verordneten Menge abgibt (§ 31 Absatz 4 SGB V).“

Da bei dieser typischen Parkinson-Dauer­medikation sowohl die Wirtschaftlichkeit als auch die vom Arzt therapeutisch benötigte Reich­dauer beachtet wurde und zum Versorgungs­zeitpunkt kein vorrangiger Rabattvertrag zu beachten war, ist hier der neue § 3 Rahmen­vertrag anzuwenden und die Retax daher zurück­zunehmen.

DAP – Retaxforum – Dieter Drinhaus

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