Dauerärgernis: Kassenmisstrauen bei Verwendung der Sonderpharmazentralnummern
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Weshalb müssen eigentlich bestimmte Retaxationen/Mahnbriefe mit schöner Regelmäßigkeit von einigen Krankenkassen aus deren Retaxkisten geholt werden, um erneut den Apotheken und damit auch sich selbst unnötige Arbeit zu verursachen?
Derzeit ist es die – zufälligerweise ziemlich zeitgleich aufgetretene – Meinung einiger Krankenkassen, dass die Sonder-Pharmazentralnummern von vielen Apotheken nicht vertragsgemäß verwendet würden. Apotheken wurden deshalb vertragswidrig retaxiert, wie wir in unserem Retax-Newsletter letzte Woche berichten mussten, oder „nur“ schriftlich abgemahnt bzw. „erinnert“, wie wir in Reaktion auf unseren Beitrag erfahren mussten.
Da diese Retaxationen bzw. „Ermahnungen“ einen der wenigen verbleibenden Grundpfeiler der Versorgungsverantwortung von Apothekern in Frage stellen, sorgte dieses Vorgehen für erheblichen Ärger in der Apothekerschaft. Mittlerweile wurde dieses unerfreuliche Thema auch zum Dauerthema in unserer Fachpresse.
Die erste Welle dieser unerfreulichen Mahnschreiben kennen viele von uns noch aus der Zeit massenhaft versandter „Mahnbriefe“ an die Apotheken zur besseren Umsetzung der Rabattvertragsquote mit der Begründung, das genannte BSG-Urteil zum verlorenen „Musterstreitverfahren“ (Nullretax) vom 02.07.2013 würde sie dazu verpflichten. Oder vom Impfstoffstreit von 2015, wo Apotheken abgemahnt wurden, weil sie sich die Abgabe des kassengewünschten Impfstoffes nicht aus einem Plakat heraussuchen wollten.
Aktuell hat dieses ärgerliche Problem zunächst mit einem Schreiben der Techniker Krankenkasse (TK) Mitte 2018 an ca. 1 Prozent der Apotheken angefangen, mit dem sich die TK über den Einsatz der Sonder-PZN zur „Akutversorgung“ und „Pharmazeutischen Bedenken“ austauschen wollte. In einem zweiten Schreiben (Mai 2019) wurde jedoch bereits der Verdacht geäußert, dass hier auf Patientenwunsch gehandelt und die Aufklärungspflicht von den Apotheken nicht immer eingehalten werde.
Ebenfalls im Mai wurde dem DAP Forum von einem treuen Mitglied ein Mahnschreiben der AOK Bayern (AOK BY) überlassen, welches nicht mit einer Retax verbunden und nach Angaben der AOK nur als Information zu verstehen war. Hier ein Auszug:
Abb.: Auszug aus einer „Information“ der AOK BY vom 20.05.2019
Die Nichtverfügbarkeits- bzw. Nichtlieferbarkeitsmeldungen der Apotheken vor Ort mit den offiziellen Defektmeldungen der Hersteller zu vergleichen, erscheint etwas blauäugig, da kein Hersteller gerne ständig schriftlich die Nichtlieferbarkeit seiner Rabattarzneien bestätigt, deren ausreichende Lieferbarkeit er der jeweiligen Krankenkasse ja ausdrücklich zugesagt hat.
Auf entsprechende Anfragen von Apotheken nach einer konkreten Aufstellung der betroffenen Präparate, um diese Pauschalanschuldigungen in jedem Einzelfall zu entkräften, kam von keiner der beteiligten Kassen eine Antwort!
Stattdessen kam von der AOK BY ein Schreiben mit dem Ausdruck des Bedauerns, falls bei der Apothekerschaft ein falscher Eindruck entstanden sein sollte.
Abb.: Auszug aus dem Schreiben der AOK Bayern
Fakt ist aktuell nur, was im derzeit gültigen Rahmenvertrag vereinbart ist, und dies haben wir Apotheken zu beachten.
4 Abs. 2 Rahmenvertrag vom 30.09.2016
„[…] Dass ein rabattbegünstigtes Arzneimittel zum Zeitpunkt der Vorlage der Verordnung vom pharmazeutischen Unternehmer nicht geliefert werden konnte, hat die Apotheke nachzuweisen. Der Nachweis kann durch Vorlage einer Erklärung des pharmazeutischen Unternehmers oder des Großhändlers geführt werden. Sofern die Apotheke das rabattbegünstigte Arzneimittel mangels Verfügbarkeit nicht abgibt, hat sie auf dem Verordnungsblatt das zwischen den Vertragspartnern vereinbarte Sonderkennzeichen anzugeben. […]“
Eine ausdrückliche Bestätigung der Nichtlieferfähigkeit des Herstellers verlangt der derzeitige Rahmenvertrag nicht, denn dort ist bewusst ein „oder“ in Bezug auf Bestätigungen unserer Großhandlungen vereinbart.
Interessant ist auch die Mitteilung, dass der zuständige Apothekerverband vorab über diese „Information“ in Kenntnis gesetzt wurde und man dennoch keinen gemeinsamen Weg gefunden hat, zusammen eine Information im Rahmen der regelmäßigen BAV-Rundschreiben zu erstellen, die diesen Namen auch verdient hätte.
Der Bayrische Apothekerverband (BAV) teilte in seinem Rundschreiben 35/2019 am 24.05.2019 Folgendes mit (Auszug):
Auszug aus der Mitteilung des BAV an seine Mitglieder
„Wir haben uns mit der AOK Bayern in Verbindung gesetzt und können Ihnen folgende Information geben:
Die Schreiben der AOK Bayern sollten ausschließlich Informationscharakter haben. Es war und ist nicht beabsichtigt, den Schreiben Retaxationen folgen zu lassen. Dies hat die AOK Bayern gegenüber dem BAV zugesichert. Es sollte lediglich der Fokus auf die korrekte Verwendung des Sonderkennzeichens und seiner zugeordneten Faktoren gelegt werden.
Sie müssen aufgrund des Schreibens nicht tätig werden und Nachweise erbringen, die z. B. die Nichtverfügbarkeit belegen.“
Bleibt zu hoffen,
- dass dies auch Nachahmer unter den anderen GKV-Kassen findet, die bereits vorbeugend Retaxationen versandt haben, und dass sie diese zurücknehmen, ohne dass es jeweils eines eigenen Einspruchs bedarf.
- dass sich die Vertragspartner künftig auf eine objektivierbare Defekt-Nachweis-Datenbank verständigen, in der wöchentlich die Lieferbarkeitsnachweise der wichtigsten pharmazeutischen Großhändler abgefragt und abgespeichert werden. Dies würde die aufwendigen Einzelnachfragen und deren Archivierung überflüssig und Retaxationen auf einen Klick überprüfbar machen.
- dass derartige Kassen-Informationen künftig ausbleiben und nicht in regelmäßigen Abständen wieder auf unseren Schreibtischen landen.
Gegen berechtigte und begründete Einzel-Defektnachfragen hat keine Apotheke etwas einzuwenden, aber derartige Pauschal-„Informationen“ passen nicht zu einem partnerschaftlichen Miteinander zum Wohle der Patienten.
Leider lässt auch der neue Rahmenvertrag ab 01.07.2019 keine entsprechende Verbesserung erwarten, denn dort wurden die bisherigen Vereinbarungen zur Abgabe bei Nichtverfügbarkeit, Akutversorgung, Notdienst und Pharmazeutischen Bedenken übernommen bzw. sogar noch erweitert, was beispielsweise den Nachweis der Nichtverfügbarkeit betrifft: „Dies ist durch zwei Verfügbarkeitsanfragen im direkten zeitlichen Zusammenhang mit der Vorlage der Verordnung durch die Apotheke nachzuweisen.“
Prüfen Sie daher Ihren Regionalvertrag auf ergänzende Vereinbarungen und lassen Sie uns hoffen, dass dieses Thema endlich praxisnah geregelt wird oder zumindest wieder in der Versenkung verschwindet.
Apotheker Dieter Drinhaus, DAP Forum
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