4.500 Euro Retax wegen 1 Tag verspäteter Rezeptvorlage

Nachdem wir schon mehrfach über die Unterschiede zwischen Vorlagedatum, Abgabedatum und Abrechnungsdatum und die damit verbundenen Retaxationen berichten mussten, sind diese Begriffe mittlerweile den meisten Apothekenteams bekannt. Dennoch bedeutet dies leider nicht, dass uns zu dieser Problematik keine Retaxafälle mehr erreichen, wie die nachfolgende Retaxation zeigt:

Verordnung Nr. 1

vom 03.03.2016 zulasten der HEK


Obige Verordnung wurde von der Hanseatischen Krankenkasse (IK 101371001) retaxiert, weil ihr Versicherter diese und eine weitere Verordnung erst einen Tag nach Ablauf der Vorlagefrist in der Apotheke eingereicht hatte. Leider sind verspätete Vorlagen nicht selten, da Patienten ihre Rezepte häufig erst dann in die Apotheke bringen, wenn ihre Medikation zu Ende geht.
So auch in diesem Fall, als der HEK-Versicherte diese und eine weitere Verordnung vom 3. März 2016 erst am 4. April 2016 – nach Ablauf der einmonatigen vdek-Vorlagefrist – in seiner Apotheke vorlegte.

Verordnung Nr. 2

vom 03.03.2016 zulasten der HEK


Bei der Bedruckung der beiden Verordnungen erkannte die Apotheke, dass die Vorlagefrist bereits überschritten war und bat den verordnenden Arzt um eine Neuausstellung der beiden Verordnungen, die ihr auch zugesagt wurde, um den HEK-Versicherten nun ohne weitere Verzögerung versorgen zu können.

Dieses Vorgehen ist durch § 4 (1) der Arzneimittelverschreibungsverordnung gesetzlich ausdrücklich legitimiert:

4 AMVV

„(1) Erlaubt die Anwendung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels keinen Aufschub, kann die verschreibende Person den Apotheker in geeigneter Weise, insbesondere fernmündlich, über die Verschreibung und deren Inhalt unterrichten. Der Apotheker hat sich über die Identität der verschreibenden Person Gewissheit zu verschaffen. Die verschreibende Person hat dem Apotheker die Verschreibung in schriftlicher oder elektronischer Form unverzüglich nachzureichen.“

Das Problem der verspäteten Vorlage entstand jedoch dadurch, dass die beiden fristüberschreitenden Rezepte nicht sofort separiert wurden, sondern irrtümlich in die laufende Rezeptabrechnung gelangten.
Dies hatte zur Folge, dass für beide Verordnungen die Erstattung verweigert wurde und die Apotheke ihre Versorgung in Höhe von insgesamt 4.500 Euro aus eigener Tasche bezahlen musste:

Natürlich versuchte die betroffene Apotheke, der HEK die besonderen Umstände dieser Versorgung zu erklären und legte ihrem Einspruch auch eine Bestätigung des verordnenden Arztes und die archivierte neue Verordnung vom Abgabedatum 4. April 2016 bei:

Obwohl es keinen Anlass zum Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben der retaxierten Apotheke gibt, spricht die Rezeptprüfstelle in ihrer Einspruchablehnung von „nachgeschobenen Bescheinigungen“: 


Hätte die Apotheke in Betrugsabsicht gehandelt, hätte sie vermutlich auf den eingereichten Rezepten vermerkt „Vorlagedatum Sa 2.4.16 !. Versorgung gem. § 4 (6) vdek-Vertrag !“
Somit wäre die Vorlage durch den Versicherten innerhalb der Monatsfrist erfolgt und auch die Abgabe am darauf folgenden Montag plausibel erklärbar und vertraglich in Ordnung.

„(6) Die Mittel dürfen nur abgegeben werden, wenn die Verordnung innerhalb von einem Monat nach Ausstellung der Verordnung in der Apotheke vorgelegt wird.“

Da es in ähnlichen Fällen (bei der BtM-Abgabe) bereits ein Urteil gibt, dass eine Fristüberschreitung von nur einem Tag als unverhältnismäßige „Strafe“ keine Nullretax begründen kann, sollte sich auch hier ein Weg finden, der Apotheke nicht die gesamte Versorgung des HEK-Versicherten als „Strafe“ in Rechnung zu stellen.

In jedem Fall muss die nachträglich eingereichte ärztliche Neuverordnung vom Abgabetag (04.04.2016) erstattet werden. Oder beruft sich die Rezeptprüfstelle hier nun auf eine verspätete Abrechnung (Rechnungslegung) gem. § 11 (1) des vdek-Vertrags, der jedoch ebenfalls keine Nullretax sondern lediglich einen maximalen Erstattungsabzug in Höhe von 50 Euro pro Monat rechtfertigen würde?

11 „Rechnungslegung“ Absatz 1 vdek-AVV

Die Rechnungslegung der Apotheke erfolgt monatlich bis spätestens einen Monat nach Ablauf des Kalendermonats, in dem die Lieferung erfolgte, an die von den Ersatzkassen benannten Stellen. Eine Überschreitung der Frist nach Satz 1 befreit die Ersatzkasse nicht von der Zuzahlungsverpflichtung. Werden einzelne Verordnungsblätter mehr als einen Monat nach Ablauf dieser Frist abgerechnet, sind die Ersatzkassen berechtigt, den Gesamtbruttobetrag dieser Verordnungsblätter um fünf Euro je Verordnungszeile, bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und den anderen Mitteln nach § 11 Absatz 1 Ziffer 2 um zehn Prozent Des Apothekenabgabepreises, zu kürzen, insgesamt jedoch je Abrechnungsmonat und Ersatzkasse höchstens um 50 Euro, es sei denn, die Apotheke und die Abrechnungsstelle habe die Fristüberschreitung nicht zu vertreten; weitergehende Vertragsmaßnahmen nach § 11 Absatz 1 Ziffer 2 des Rahmenvertrages nach § 129 SGB V sind ausgeschlossen.“

Entweder die einen Tag zu spät vorgelegten Versorgungen oder die nachgereichte Verordnung zum Abgabetag ist zu erstatten – allen Verordnungen die Erstattung zu verweigern ist nicht zu begründen.

DAP – Retaxforum – Dieter Drinhaus

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