1, 2 oder 3 – wie viele Retaxfallen kann ein Rezept haben?

Retaxationen möchte am liebsten jeder vermeiden, denn sie kosten Geld. Und selbst wenn eine Retax nicht berechtigt ist und nach einem Einspruch zurückgenommen wird, kostet sie zwar kein Geld, aber Zeit und Nerven. Die beste Taktik, um Retaxationen vorzubeugen, ist zum einen eine sorgfältige Rezeptkontrolle, zum anderen aber auch das Wissen um typische Retaxfallen. Sind einem diese bekannt, so kann man sie besser aufdecken und in der Praxis gekonnt umschiffen.

Nachfolgend möchten wir Ihnen eine aktuelle Retax vorstellen und anhand dieses Beispiels 3 typische Retaxfallen aufdecken – so sind Sie für ähnliche Rezepte, die in Ihrer Apotheke abgegeben werden, gut gewappnet.

Retaxfalle 1: Verordnung über AV-Präparat

Ausgangspunkt ist eine Verordnung über „Ebastin Lindopharm 10 mg FTA 100 St. N3 PZN 06054965 >>1 x tägl.<<“ zulasten der Siemens BKK, die im November 2021 in einer Apotheke vorgelegt wurde. Mittlerweile ist dieses Präparat gar nicht mehr in der Apotheken-EDV gelistet und zum heutigen Zeitpunkt müsste die Apotheke bei solch einer Verordnung von einer nicht eindeutig bestimmten Verordnung ausgehen und mit dem Arzt Rücksprache halten, was er alternativ verordnen möchte.
Das Präparat war schon zum Abgabezeitpunkt länger AV und nicht mehr lieferbar, aber ein Nachfolgeartikel war mit Ebastin Aristo 10 mg Filmtabletten 100 St. angegeben. Hier könnte die erste Retaxfalle liegen, denn in solch einem Fall muss die Apotheke zunächst prüfen, ob der angegebene Nachfolger überhaupt aut-idem-konform zum Ursprungsartikel ist – denn nur dann kann dieser abgegeben bzw. ausgehend davon die Suche nach möglichen Rabattverträgen gestartet werden. Die Prüfung zeigt in diesem Fall: Der Nachfolgeartikel erfüllt die Aut-idem-Kriterien, daher folgt Schritt 2 in der Rezeptbearbeitung.

Retaxfalle 2: Prüfung auf Rabattverträge

Nach unseren Erfahrungen zählen nicht umgesetzte Rabattverträge zu den häufigsten Retaxgründen. Dabei kann man aber nicht davon ausgehen, dass Apotheken Rabattverträge bewusst ignorieren, es ist eher davon auszugehen, dass in den meisten Fällen schlicht die Dokumentation über das Abweichen von der vorgegebenen Abgaberangfolge im Eifer des Gefechts vernachlässigt wird. Schließlich soll der Patient sein Arzneimittel möglichst schnell erhalten und eine Beratung sollte auch noch möglich sein, bevor die nächsten ungeduldig Wartenden bedient werden können. Die EDV unterstützt Apotheken mittlerweile bei der Dokumentation, wenn ein Rabattarzneimittel aus welchem Grund auch immer (Nichtverfügbarkeit, Akutfall, Pharmazeutische Bedenken) nicht abgegeben wird, daher sollten diese Funktionen definitiv genutzt werden, um die Sonder-PZN sowie den zutreffenden Faktor auf dem Rezept aufzubringen. Im Akutfall oder bei Anwendung Pharmazeutischer Bedenken ist zusätzlich eine Begründung auf dem Rezept anzubringen und mit Datum und Kürzel abzuzeichnen. Eine nicht vollständige Dokumentation darf nach Rahmenvertrag nicht mehr zu einer Retaxation führen. Eine fehlende Dokumentation darf sogar im Nachgang noch ergänzt werden, falls dies zu einer Retax führen sollte, doch wie eingangs erwähnt, ist dies im Nachhinein mit mehr Aufwand verbunden, als wenn man es direkt bei der Rezeptbearbeitung sorgfältig umgesetzt hätte.

Zurück zum vorliegenden Rezept: Wo liegt hier die Retaxfalle Nummer 2? Möglicherweise wird, nachdem erfolgreich das Problem des nicht mehr lieferbaren AV-Artikels gelöst wurde, einfach der Nachfolgeartikel abgegeben. Dies wäre aber zu schnell gedacht. Denn ausgehend vom Nachfolgeartikel muss zunächst die Suche nach Rabattarzneimitteln gestartet werden. Das Ergebnis ist, dass der Nachfolgeartikel nicht rabattiert ist. Es gab zum Abgabezeitpunkt mit Ebastel 10 mg nur ein Rabattarzneimittel. Dies wäre demnach auszuwählen gewesen, es sei denn, es spricht ein Grund gegen die Abgabe des Rabattarzneimittels, welcher dann wie zuvor beschrieben auf dem Rezept dokumentiert werden müsste. Nun erhielt die Apotheke auf dieses Rezept einige Monate später eine Retaxation aus genau diesem Grund: „Nichtabgabe rabattierter Arzneimittel – Generika“, das Rezept wurde auf null gekürzt. Doch was hatte die Apotheke letztlich zur Abgabe ausgewählt? Sie hatte Ebastin Aristo abgegeben, jedoch bei der Abgabe keine Rabattarzneimittel angezeigt bekommen. Was uns zur Retaxfalle Nummer 3 führt.

Retaxfalle Nummer 3: (nicht) austauschbare Darreichungsformen

Die Apotheke hatte zwar Ebastin Aristo 10 mg 100 St. abgegeben, allerdings in Form von Schmelztabletten. Das Antiallergikum der Firma Aristo ist tatsächlich in zwei verschiedenen Darreichungsformen auf dem Markt, einmal als Filmtabletten (FTA) und einmal als Schmelztabletten (SMT). Für den Wirkstoff Ebastin sind keine austauschbaren Darreichungsformen nach Anlage VII Teil A der Arzneimittel-Richtlinie des G-BA definiert. Daher ist der Austausch zwischen FTA und SMT hier nicht erlaubt, obwohl Wirkstoff und Wirkstärke gleich sind und zumindest bei einem Austausch in diese Richtung in der Regel keine Probleme auftauchen dürften, wenn der Patient die Schmelztabletten korrekt einnimmt. Ausgehend von den Schmelztabletten werden hier auch keine Rabattarzneimittel angezeigt, da diese auch nicht aut-idem-konform zum Rabattarzneimittel Ebastel sind. In diesem Fall ist die Retaxation also berechtigt, da bei der Auswahl der Darreichungsform nicht korrekt vorgegangen wurde. 

Hier zeigt sich einmal mehr, wie viele Kontrollschritte bei der Abgabe von nur einem Arzneimittel berücksichtigt werden müssen und wie schnell sich doch einmal ein Fehler einschleichen kann. Daher ist dies vielleicht ein guter Anlass, um sich die in diesem Artikel vorgestellten Retaxfallen noch einmal zu vergegenwärtigen, um Ähnliches bestmöglich zu vermeiden.

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