pharmacon 2024 in Schladming
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SARS-CoV-2 und weitere Infektionen als Ursache für Autoimmunerkrankungen
Prof. Dr. Rolf Marschalek, Professor für Pharmazeutische Biologie aus Frankfurt, erklärte in seinem Vortrag auf dem pharmacon in Schladming, wie SARS-CoV-2 Autoimmunerkrankungen begünstigen kann und welcher immunologische Mechanismus dahintersteckt.
SARS-CoV-2 unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von anderen Viren: Es kann die humorale Immunantwort aufgrund einer systemischen Inflammation verschlechtern, und die Omikron-Variante ist sogar in der Lage, selektiv CD8+-Zellen zu eliminieren, sodass es zu einer Immunsuppression bei den Betroffenen kommen kann. Außerdem verfügt das SARS-CoV-2-Virus im Gegensatz zu anderen humanpathogenen Viren über zwei virale Proteasen. Proteasen sind in der Lage, virale Vorläuferproteine an bestimmten Aminosäuresequenzen, den Konsensussequenzen, bei der Virusreplikation zu schneiden. Diese Sequenzen kommen sowohl in viralen als auch körpereigenen Proteinen vor. Schneidet eine SARS-CoV-2-Protease eine Konsensussequenz im Körper, führt dies zur Entstehung sogenannter Neoantigene, die vom Immunsystem als fremd identifiziert werden. Dies führe zur Bildung von Autoantikörpern, erläutert Marschalek.
Bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 entstehen im Vergleich zu anderen Viruserkrankungen mehr Neoantigene und somit auch mehr Autoantikörper. Je schwerer eine Erkrankung verläuft, desto mehr Autoantikörper werden gebildet. Bei der großen Mehrheit der Menschen, die eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht haben, sind Autoantikörper nachweisbar (9/10 Antikörpern in COVID-19-Erkrankten sind Autoantikörper1). Je nach individueller MHC-Komposition (MHC I, MHC II) können sich dadurch autoimmune Erkrankungen gegen verschiedene Körperorgane oder -strukturen manifestieren. Welche Folgen entstehen, hängt daher immer vom individuellen Immunsystem ab. Richtet sich ein Autoantikörper zum Beispiel gegen Interferon, führt dies zu einer Hyperinflammation und einem Versagen des Immunsystems, richtet es sich gegen bestimmte Organe, führt es zu einem Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns.
Auch hinter Long COVID steckt ein autoimmunes Geschehen. Die Symptomvielfalt von Long COVID lässt sich dadurch erklären, dass sich die Antikörper gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren richten, die überall im Körper vorkommen. Nach bisherigen Erkenntnissen, so Marschalek, steige mit der Anzahl und dem Schweregrad der Infektionen das Risiko für Long COVID. Impfungen gegen die Omikron-Variante hingegen würden es senken. Die Wahrscheinlichkeit, an Long COVID zu erkranken, werde durch eine zusätzliche Impfung nach einer Infektion praktisch halbiert, stellt Marschalek heraus. Eine Option für Menschen, die entweder aufgrund ihrer MHC-Genetik oder einer besonderen immunologischen Situation keine effektiven Antikörper selbst herstellen können, könnte die Gabe der Antikörper-Präparate Xevudy®, Ronapreve® oder Regkirona® sein.
1 Kreye et al. (2020). A therapeutic non-self-reactive SARS-CoV-2 antibody protects from lung pathology in a COVID-19 hamster model. Cell 2020; 183(4): 1058–1069