Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz in Kraft
Hinweis
Es handelt sich bei dem Inhalt dieser Seite um eine frühere Veröffentlichung. Bitte beachten Sie, dass die Aussagen gegebenenfalls nicht mehr der aktuellen Rechts- und Vertragslage entsprechen.
Bei Fragen hilft Ihnen das DAP-Team auch gerne persönlich weiter – schreiben Sie einfach eine E-Mail an insonderfo@anderesdeutschesapothekenportal.de.
Mehr als vier Jahre nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Rx-Preisbindung und dem seither bestehenden Wettbewerbsvorteil ausländischer Versandapotheken hat das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG) seinen Abschluss gefunden. Es ist am 14. Dezember im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden und zu großen Teilen am 15. Dezember 2020 in Kraft getreten. Neben den Regelungen zur Preisbindung sind auch die Botendienstvergütung und pharmazeutische Dienstleistungen im Paket enthalten. Es folgt ein Überblick.
Preisbindung in das SGB V überschrieben
Mit dem Gesetz wurde beschlossen, die Preisbindung für verschreibungspflichtige (Rx-)Arzneimittel in das Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) zu übernehmen. Gestrichen wurde dafür die Preisbindung für ausländische Versandapotheken aus § 78 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG).
§ 129 Abs. 3 SGB V wurde um die folgenden Sätze ergänzt:
„Apotheken dürfen verordnete Arzneimittel an Versicherte als Sachleistungen nur abgeben und können unmittelbar mit den Krankenkassen nur abrechnen, wenn der Rahmenvertrag für sie Rechtswirkung hat. Bei der Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte als Sachleistungen sind Apotheken, für die der Rahmenvertrag Rechtswirkungen hat, zur Einhaltung der in der nach § 78 des Arzneimittelgesetzes erlassenen Rechtsverordnung festgesetzten Preisspannen und Preise verpflichtet und dürfen Versicherten keine Zuwendungen gewähren.“
Möchte eine Apotheke somit Arzneimittelverordnungen zulasten der GKV abrechnen, ist die Voraussetzung hierfür, dass der Rahmenvertrag (nach § 129 Abs. 2 SGB V) für sie Rechtswirkung hat. Darüber hinaus sind die Apotheken, für die der Rahmenvertrag rechtswirksam ist, verpflichtet, sich an die Preisspannen und Preise laut Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) zu halten. Zuwendungen sind ausdrücklich untersagt.
Nicht von der Preisbindung erfasst sind Privatverordnungen, bei denen die ausländischen Versender somit weiterhin Rabatte gewähren dürfen.
In § 129 Abs. 5f SGB V ist geregelt, dass das Bundesministerium für Gesundheit, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, die Auswirkungen der Regelung auf die Marktanteile von Apotheken und des Versandhandels mit Rx-Arzneimitteln bis zum 31. Dezember 2023 bewertet.
Hohe Strafen bei Missachtung
Speziell für den Fall, dass eine Apotheke sich nicht an die Preisbindung und das Zuwendungsverbot gemäß § 129 Abs. 3 SGB V hält, ist eine Vertragsstrafe vorgesehen. Diese liegt bei bis zu 50.000 Euro pro Verstoß und einer Gesamtstrafe von 250.000 Euro für gleichartige und zeitlich zusammenhängende Verstöße. Die Details sollen die Vertragspartner des Rahmenvertrages (GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband) bis zum 30. Juni 2021 aushandeln und in den Rahmenvertrag übernehmen. Sollte es zu keiner Einigung kommen, entscheidet eine Schiedsstelle.
129 Abs. 4 Sätze 4–8 SGB V
„Ferner ist vorzusehen, dass Apotheken bei einem gröblichen oder einem wiederholten Verstoß gegen Absatz 3 Satz 3 Vertragsstrafen von bis zu 50.000 Euro für jeden Verstoß erhalten, wobei die Gesamtvertragsstrafe für gleichgeartete und in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang begangene Verstöße 250.000 Euro nicht überschreiten darf. Wird eine Vertragsstrafe nach Satz 4 ausgesprochen, kann vorgesehen werden, dass die Berechtigung zur weiteren Versorgung bis zur vollständigen Begleichung der Vertragsstrafe ausgesetzt wird. Die Vertragspartner bestimmen im Rahmenvertrag die für die Ahndung von Verstößen gegen ihre Verpflichtungen nach Absatz 1, 2 oder 5 oder gegen Absatz 3 Satz 3 zuständige Stelle oder die zuständigen Stellen und regeln das Nähere zur Einleitung und Durchführung des Verfahrens, einschließlich der Verwendung der vereinnahmten Vertragsstrafen. Kommt eine Regelung nach Satz 4 oder Satz 6 nicht bis zum 30. Juni 2021 zustande, entscheidet die Schiedsstelle nach Absatz 8.“
Anspruch auf pharmazeutische Dienstleistungen
Das SGB V enthält erstmals Bestimmungen zu pharmazeutischen Dienstleistungen. Versicherte der GKV haben laut § 129 Abs. 5e SGB V einen Anspruch auf pharmazeutische Unterstützung, die über die Beratungspflicht nach § 20 Apothekenbetriebsordnung hinausgeht. Die Dienstleistungen sollen insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und Wirksamkeit einer Arzneimitteltherapie umfassen. Genannt werden die Anwendung bestimmter Wirkstoffe, Therapie chronischer schwerwiegender Erkrankungen, Behandlung von Menschen mit Polymedikation und Multimorbiditäten sowie Behandlung von Patienten, die besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung benötigen. Auch Maßnahmen zur Prävention werden erfasst. Betont wird, dass die Maßnahmen nicht zuletzt Patientinnen und Patienten berücksichtigen sollen, die in Gebieten mit geringer Apothekendichte leben.
Die nähere Ausgestaltung übernehmen der GKV-Spitzenverband im Einvernehmen mit dem PKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband. Auch für diese Vereinbarung zu pharmazeutischen Dienstleistungen ist eine Frist bis zum 30. Juni 2021 gesetzt. Kommt es nicht zu einer Einigung, entscheidet wiederum die Schiedsstelle.
129 Abs. 5e SGB V
„Versicherte haben Anspruch auf pharmazeutische Dienstleistungen durch Apotheken, die über die Verpflichtung zur Information und Beratung gemäß § 20 der Apothekenbetriebsordnung hinausgehen und die die Versorgung der Versicherten verbessern. Diese pharmazeutischen Dienstleistungen umfassen insbesondere Maßnahmen der Apotheken zur Verbesserung der Sicherheit und Wirksamkeit einer Arzneimitteltherapie, insbesondere bei
- der Anwendung bestimmter Wirkstoffe, die nur in besonderen Therapiesituationen verordnet werden,
- der Behandlung chronischer schwerwiegender Erkrankungen,
- der Behandlung von Patienten mit Mehrfacherkrankungen und Mehrfachmedikation und
- der Behandlung bestimmter Patientengruppen, die besondere Aufmerksamkeit und fachliche Unterstützung bei der Arzneimitteltherapie benötigen.
Diese pharmazeutischen Dienstleistungen können auch Maßnahmen der Apotheken zur Vermeidung von Krankheiten und deren Verschlimmerung sein und sollen insbesondere die pharmazeutische Betreuung von Patientinnen und Patienten in Gebieten mit geringer Apothekendichte berücksichtigen. Die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker vereinbart mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen im Benehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung die pharmazeutischen Dienstleistungen nach den Sätzen 1 bis 3 sowie das Nähere zu den jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen, zur Vergütung der erbrachten Dienstleistungen und zu deren Abrechnung. Die Vereinbarung nach Satz 4 ist bis zum 30. Juni 2021 zu treffen. Kommt eine Vereinbarung bis zu diesem Zeitpunkt ganz oder teilweise nicht zustande, entscheidet die Schiedsstelle nach Absatz 8. Die Vereinbarung oder der Schiedsspruch gilt bis zum Wirksamwerden einer neuen Vereinbarung fort.“
Die pharmazeutischen Dienstleistungen sollen über den Arzneimittelpreis vergütet werden. Ab dem 15. Dezember 2021 werden dem Preis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV 20 Cent zur Finanzierung zusätzlicher pharmazeutischer Dienstleistungen nach § 129 Abs. 5e SGB V hinzugefügt.
Botendienstvergütung ist fix
Unbegrenzt fortgeführt wird die Botendienstgebühr, die nun ab dem 1. Januar 2021 in § 129 Abs. 5g SGB V wie folgt verankert ist: „Apotheken können bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Wege des Botendienstes je Lieferort und Tag einen zusätzlichen Zuschlag in Höhe von 2,50 Euro zuzüglich Umsatzsteuer erheben.“ Zu beachten ist, dass der Zuschlag nur noch bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel geltend gemacht werden kann.
Konkretisierung zu automatisierten Ausgabestationen
In § 17 Abs. 1a ApBetrO finden sich nun Regelungen zu automatisierten Ausgabestationen zur Bereitstellung, Aushändigung und Ausgabe von Arzneimitteln. Demnach sind die Stationen nur zulässig, wenn sie sich innerhalb der Betriebsräume einer Apotheke befinden und den Zugriff von außen durch den Empfänger ermöglichen, sofern eine Ausgabe auch außerhalb der Betriebszeiten erfolgt. Die Ausgabestationen dürfen erst dann vom Apothekenpersonal bestückt werden, wenn die Bestellung der Arzneimittel bei der Apotheke eingegangen ist, eine Beratung stattgefunden hat (auch telefonisch möglich) und bei Rx-Arzneimitteln das Rezept im Original vorgelegen hat und entsprechend der Vorschriften der ApBetrO geprüft, ggf. geändert und abgezeichnet worden ist.
Für den zugelassenen Versandhandel sind automatisierte Ausgabestationen abweichend davon zulässig, wenn die Voraussetzungen des vorherigen Bestelleingangs, der vorherigen Beratung und bei Rx-Arzneimitteln der vorherigen Rezeptvorlage und -bearbeitung erfüllt sind. § 52 Absatz 1 AMG (Verbot der Selbstbedienung) bleibt von den Regelungen unberührt. Die Arzneimittel sind für jeden Empfänger getrennt zu verpacken und mit Namen und Anschrift zu versehen.
Sonstiges
Im Apothekengesetz (ApoG) wurde ergänzt, dass in der ApBetrO Regelungen über „unzulässige Formen der Bereitstellung, Aushändigung und Ausgabe von Arzneimitteln“ getroffen werden können (§ 21 Abs. 2 Nr. 1b ApoG). Darüber hinaus wurde unter § 21 Abs. 2 Nr. 1a ergänzt, dass bei den Anforderungen an den Versand, die in der ApBetrO gestellt werden, auch der „Versand aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum“ gemeint ist.
Gleiches wurde in der ApBetrO umgesetzt. Hier wurde in § 17 Abs. 2a ergänzt, dass die dort aufgeführten Anforderungen an den Versand auch „beim Versand aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nach Deutschland“ gelten.
Festgelegt wurde außerdem in § 130a SGB V (Rabatte der pharmazeutischen Unternehmer), dass der Herstellerrabatt auch bei Fertigarzneimitteln, aus denen Teilmengen entnommen und abgegeben werden, fällig wird. In § 1 Satz 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel wurde konkretisiert, dass die Herstellerabschläge nach § 130a (Abs. 1, 1a, 2, 3, 3a und 3b) SGB V für PKV und andere Nicht-GKV-Kostenträgern auch zu gewähren sind, wenn sie durch ausländische Versandapotheken nach Deutschland verbracht werden.