Psychedelika gegen Depression – vom Trip zur Therapie

Wer Psilocybin hört, denkt wahr­scheinlich als Erstes an bewusst­seins­erweiternde Pilze, Drogen­abusus oder eine dem Lysergsäure­diethylamid (LSD) ähnliche Wirkung. Neben den Verwendungen als Rausch­mittel sind psycho­aktive Substanzen wie LSD und Psilocybin immer wieder Bestandteil neuro­logischer Forschung. Besonders zur Behandlung von schweren Depres­sionen, ergänzend zu einer Psycho­therapie, scheint Psilocybin nach neuen Studien­daten geeignet.

Das Indolalkaloid Psilocybin kommt in der Natur in verschiedenen Pilzarten vor. Vor allem Pilze der Gattung der Kahlköpfe enthalten pharmakologisch wirksame Mengen. Nach der meist oralen Aufnahme wird Psilocybin als Prodrug in das Hydrolyseprodukt und damit den psychoaktiven Metaboliten Psilocin umgewandelt. Die pharma­kologische Wirkung wird zum Großteil durch einen Partialagonismus an Serotonin-Rezeptoren des Subtyps 2A (5-HT2A) im Zentralnervensystem erzielt.1

Albert Hofmann, ein Chemiker der Firma Sandoz, identifizierte und isolierte Psilocybin erstmals 1958. Bereits 1960 wurde Psilocybin unter dem Namen Indocybin von Sandoz zu Forschungszwecken in der Psychotherapie vermarktet, wodurch es zu einer starken Zunahme an Studien kam. 1971 wurde die psychoaktive Substanz von den Vereinten Nationen allerdings als sogenannte „Schedule 1 Drug“ (kein medizinischer Nutzen, hohes Missbrauchspotenzial) klassifiziert, wodurch die Anzahl an Studien rapide nachließ. Ab dem 21. Jahrhundert sind psychoaktive Substanzen jedoch, innerhalb besonderer Auflagen, wieder zu einem Hoffnungsträger in der supportiven Psychotherapie geworden.1

Eine kürzlich präsentierte Studie2 der Johns Hopkins University School of Medicine macht Hoffnung auf neue Therapieansätze bei schweren Depressionen. Dabei wurden 27 Probanden mit einer langjährigen Depressionsanamnese in die Studie eingeschlossen. 23 Teilnehmer wurden zuvor mit Antidepressiva behandelt. Die Probanden wurden in zwei Gruppen aufgeteilt, in denen sie entweder sofort oder nach einer achtwöchigen Wartezeit die erste Dosis Psilocybin unter medizinischer Aufsicht erhielten. Nach zwei Wochen wurde eine zweite Dosis verabreicht. Nachuntersuchungen wurden regelmäßig innerhalb eines Jahres durchgeführt, um die Ergebnisse zu kontrollieren. Insgesamt konnte die Schwere der depressiven Symptomatik verbessert und über den untersuchten Zeitraum niedrig gehalten werden. Bewertet wurde die Schwere der Depression anhand der Hamilton-Skala. Werte von 0 bis 8 deuten auf keine Depression, 9 bis 16 Punkte auf eine leichte Depression, 17 bis 24 Punkte auf eine mittelschwere und Werte oberhalb von 24 auf eine schwere Depression hin. So konnten die Werte von durchschnittlich 22,8 vor der Behandlung mit Psilocybin auf 8,7 nach einer Woche, 8,9 nach vier Wochen, 9,3 nach drei Monaten, 7 nach sechs Monaten und 7,7 nach zwölf Monaten reduziert werden. 14 Studienteilnehmer erreichten nach zwölf Monaten eine Remission.

Die Resultate stellen die einzigartigen pharmakologischen Eigenschaften der psychoaktiven Substanz dar. Während bei der medikamentösen Standardtherapie mit Antidepressiva eine regelmäßige und dauerhafte Anwendung, mit zum Teil sehr späten Wirkungseintritten, notwendig ist, könnten laut Dr. Roland Griffiths von der Johns Hopkins University School of Medicine bei Psilocybin eine oder zwei Behandlungen ausreichen, um eine Depression langfristig zu lindern. Weitere Forschungen über einen zwölfmonatigen Zeitraum müssen nun zeigen, wie lange der Effekt der antidepressiven Wirkung anhält.

Wann und ob es ein zugelassenes Medikament mit dem Psychedelikum geben wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch unklar.


1 ACS Chemical Neuroscience: Dark Classics in Chemical Neuroscience: Psilocybin (2018). DOI: 10.1021/acschemneuro.8b0018
2 Center for Psychedelic and Consciousness Research, Department of Psychiatry and Behavioral Sciences, Johns Hopkins University School of Medicine, Baltimore, MD, USA: Efficacy and safety of psilocybin-assisted treatment for major depressive disorder: Prospective 12-month follow-up (2022). DOI: 10.1177/02698811211073759

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